Man sollte endlich aufhören, auf eine herzergreifende Entschuldigung zu warten

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Für viele von uns lautet der Ausgangspunkt jeder Diskussion, die ganze Welt sei gegen uns. Dieses Gefühl begleitet uns schon seit vielen Jahren an jeden Ort. Wir haben in London nichts zu essen bekommen, weil das Restaurant schon geschlossen hatte? Antisemiten. Der Kellner in der Bar auf der 5th Avenue hat uns nicht zugelächelt? Judenhass…

Aus einem Kommentar zum Papstbesuch in Israel, von Aviad Fohoriles in M’ariw

Kaum war der Papst auf unserem heiligen Boden gelandet, und schon wurde die Stoppuhr eingeschaltet, die Eieruhr umgedreht und die Zeit berechnet, wann er wohl seinen ersten Fehler begehen, seinen ersten Lapsus äußern wird. Es wurden Beobachter des Rabbinats und selbsternannte Experten ausgesandt, die es auf sich genommen haben, in unserer aller Namen beleidigt zu sein und Benedikt zu attackieren.

Sie wollten sehen – und dann hätten sie sich wahrscheinlich ein wenig beruhigt – wie sich der Heilige Vater unmittelbar nach seiner Ankunft auf den heißen Asphalt des Ben- Gurion Flughafens wirft, sich schluchzend an den Hosenaufschlag des Knessetpräsidenten Reuven Rivlin klammert und um Verzeihung und Vergebung bettelt. Aber, was kann man tun, Rivlin, ein Mann des strengen Protokolls, ein Mann, der Respekt fordert, ist erst gar nicht zu dem Empfang erschienen. Warum nicht? Damit die ganze Welt den allmächtigen Zorn des Knessetpräsidenten kennen lernt!

Viele wollen den jetzigen Papst mit seinem Vorgänger vergleichen. Benediktus XVI ist zwar der Entsandte Jesu auf Eden, aber man sollte nicht vergessen, dass, zumindest bei ihnen, sowohl der Gott selbst als auch sein Entsandter halt nur Menschen sind, und jeder Mensch ist anders. Es ist nicht leicht, als Kind in einem Land aufzuwachsen, dessen Kanzler Adolf Hitler ist. Dort hatte man keine freie Wahl, denn wer protestierte, war so gut wie tot. Selbst Ehud Barak sagte ja vor Jahren zu Gideon Levy, wenn er ein palästinensischer Junge wäre, würde er sicherlich gegen die IDF-Soldaten kämpfen.

Meine Mutter war ein kleines Mädchen, als der 2. Weltkrieg ausbrach. Ihre Kindheit verbrachte sie auf dem Dachboden einer Kirche, einem Versteck, das ein Pfarrer ihr und ihrer Familie gewährte. Ihre kleine Geschichte wird wahrscheinlich niemanden überzeugen, dass die Welt in Gut und Böse aufgeteilt ist, aber es ist richtig, dass wir Juden unbedingt geliebt werden wollen, vorzugsweise ohne dieses Gefühl auch erwidern zu müssen. Auch wenn sich der geistige Hirte der Hälfte der Menschheit nicht an Rabbiner Lau gewandt hat, damit dieser ihm seine Rede für Yad Vashem schreibt, sollten wir ein wenig Zurückhaltung bewahren und unsere Gefühle im Zaum halten, zumindest solange sich unser Gast noch auf dem uns und ihm heiligen Boden aufhält.

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