Heimfrontübung in Israel

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Eine Woche lang wird in ganz Israel der Notstand geübt. 90 Sekunden lang werden am Dienstag die Luftschutzsirenen heulen. Die gesamte Bevölkerung ist dann aufgefordert, sich in Keller, Bunker oder „sichere Räume“ zu begeben, die „im Voraus ausgewählt“ wurden…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 31. Mai 2009

„Das ist reine Routine“, sagt auf Anfrage ein Militärsprecher. Jedes Jahr werde eine solche Übung abgehalten. Auf die Frage, wieso denn niemand von solchen Übungen in den vergangenen Jahrzehnten gehört habe, gestand der Soldat, dass diesmal der Umfang der Übung besonders groß sei und die ganze Bevölkerung Israels von den Golanhöhen im Norden und bis Eilat am Roten Meer im Süden umfasse. „Als Schüler haben wir immer wieder mal geprobt, so schnell wie möglich die Luftschutzkeller aufzusuchen“, erinnert er sich. Wieso diesmal im ganzen Land geprobt wird, konnte er nicht sagen.

Im benachbarten Libanon wird die israelische Übung nicht auf die leichte Schulter genommen. 25.000 libanesische Soldaten im Süden des Libanon wurden in Alarmbereitschaft versetzt und sollen „besonders aufmerksam“ militärische Bewegungen aus Richtung Israels beobachten. Auch die islamistische Miliz Hisbollah habe ihre Kämpfer erstmals seit dem Libanonkrieg im Sommer 2006 in höchste Bereitschaft versetzt.

Generalmajor Yair Golan forderte in einer Pressemitteilung die ganze Öffentlichkeit auf, zu kooperieren und sich an der Übung zu beteiligen: „Es ist wichtig, dass jeder Zivilist, jede Institution und jeder Arbeitsplatz ernsthaft probt, um unsere Bereitschaft und nationale Abwehrkraft zu verbessern.“

Seit Tagen werden die Israelis per Rundfunk und Fernsehen aufgefordert, einen Schutzraum auszuwählen und vorzubereiten, um ihn beim Heulen der Sirenen aufzusuchen. Auf zwei Fernsehkanälen ist eine besondere Unterrichtung der Kinder am Dienstag geplant.

Obgleich offiziell weder die Möglichkeit erneuter Raketenangriffe der Hisbollah im Libanon noch der Hamas im Gazastreifen oder gar die allgemeine Angst vor einer iranischen Atombombe erwähnt wird, ist klar, dass das israelische Militär mit dieser umfassenden „Routineübung“ auch den Ernstfall eines Krieges proben lässt.

Auf der Internetseite der Heimfront werden für jede Region unterschiedliche Zeiten angegeben, innerhalb derer man im Schutzraum sitzen sollte. Auf einer bunten Landkarte ist angemerkt, wie viel Zeit man bei einem Raketenangriff hat. Entlang der Grenzen zu Libanon und Syrien sollte man „sofort“ im Schutzraum sein. Nahe dem Gazastreifen sind es 15 bis 60 Sekunden. In Tel Aviv darf man sich zwei Minuten Zeit lassen. In Jerusalem, Dimona und in der Negewwüste sogar 3 Minuten.

Auf der Homepage werden auf Hebräisch, Arabisch, Russisch und Englisch sowohl Naturkatastrophen wie auch kriegerische Notstände beschrieben, mitsamt Empfehlungen zur Vorbereitung. Alle Familienmitglieder sollten wissen, wo das Wasser zugedreht oder der Strom ausgeschaltet wird.

Nicht Erbeben bedeuten Gefahr, sondern einstürzende Wände, Erdrutsch und Feuer durch gebrochene Gasleitungen, heißt es in der entsprechenden Rubrik. Bei der Beschreibung unterschiedlicher Gefahren durch Terror, Angriffen mit unkonventionellen Waffen, Überschwemmungen und Feuer heißt es zum Beispiel im aufklärenden Text über chemische Waffen, dass solche schon im Altertum eingesetzt worden seien. So habe man Wasserquellen vergiftet, um Plagen und Seuchen auszulösen. Im Ersten Weltkrieg seien Soldaten mit Chlorgas paralysiert worden. Inzwischen seien chemische Waffen weiterentwickelt worden. Während des Iran-Irak Kriegs seien unkonventionelle Waffen in großem Ausmaß eingesetzt worden und hätten „furchtbaren Schaden unter der Bevölkerung“ angerichtet. Auch der Einsatz biologischer Waffen sei eine „gültige Gefahr“. Als Beispiel wird der Versand von Briefumschlägen mit Antrax in den USA zwischen Oktober und November 2001 genannt. Neben Krankheit und Tod verursachen biologische Waffen auch „wirtschaftlichen Schaden und öffentliche Panik“.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

4 Kommentare

  1. Welche kopflose Panik? Im Kriegsfall wird schon im Voraus eine Mobilisierung durchgeführt und die Reservisten gehen leise und entschlossen zu ihren Armeeeinheiten. Es gab noch nie Panik in Israel. Der Wert dieser Ãœbungen lässt sich aber ganz gut in Schekel bemessen, einen anderen haben sie nämlich nicht, wenn man sie einfach jährlich durchführt. So wird eher noch mehr Panik gesäht als angemessen wäre. „Ein anscheinend geisteskranker iranischer Führer“ ist eher ein Fall für die israelischen Luftstreitkräfte als für die Zivilschutzbehörden.

  2. @Dimitri
    Angesichts der fortwährenden Bedrohung durch einen anscheinend geisteskranken iranischen Führer, der durch nichts und niemanden in die Schranken verweisbar erscheint, war die Übung eine bittere Notwendigkeit und der israelischen Regierung ist  daher ganz gewiss kein Vorwurf zu machen. Lieber eine Übung zuviel oder umsonst, als kopflose Panik, die die Auswirkungen einer Katastrophe noch verschlimmern würde.

  3. Die haben doch erst vor einem Jahr die „größte Ãœbung seit Jahrzehnten“ durchgeführt. Jetzt soll die nochmal übertroffen werden? Langsam glaube ich, dass da jemand sein Interesse daran hat, die Leute zu verunsichern und die Kriegsangst in neue Höhen zu treiben oder einfach Budgetmittel für seine Behörde rauszuschlagen.

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