Judenmission im Volkslied: „Es war eine schöne Jüdin“

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Wohl kaum ein anderes Thema ist besser dazu geeignet, Juden und Christen einander zu entfremden als der leidige ‚Dauerbrenner‘ Judenmission. Das vor Augen erteilte erst kürzlich der Gesprächskreis „Juden und Christen“ dieserart Bekehrungsversuche eine klare Absage und legte sogar ein Dokument dazu vor. Nur repräsentieren ein paar wohlmeinende Christen nicht die Mehrheit der Katholiken, und schon gar nicht den Papst selbst…

Von Robert Schlickewitz

Letzterer, ein zwar in seinen Kreisen hoch angesehener Gelehrter, ließ es bedauerlicherweise bisher in Sachen Verbesserung des christlich-jüdischen Verhältnisses an der nötigen Weisheit und Umsicht fehlen. Im Gegenteil, häufig genug erschien es, als wäre ihm vieles Andere wichtiger als ein gutes Auskommen mit „unseren älteren Brüdern und Schwestern“.

So hatte Benedikt XVI. im Februar 2008 anscheinend keine Bedenken, als er eine neue (alte) Fassung der Fürbitten vorlegte („Wir wollen beten für die Juden. Dass unser Gott und Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Heiland aller Menschen.“), um eigenen, katholischen, ultrarechten Fundamentalisten entgegenzukommen, bei gleichzeitiger Inkaufnahme einer absehbaren Verschlechterung der Beziehungen zu den Juden. Das Oberhaupt der Katholiken will es demnach offensichtlich nicht einer höheren Macht überlassen, das Volk der Juden zu retten, sondern meint dies höchstpersönlich ‚regeln‘ zu müssen. In diesem seinen Denken und Handeln steht er in einer Reihe mit solchen seiner Vorgänger, die heute als Bewahrer fragwürdiger Traditionen und Werte mit Recht in keinem guten Ansehen stehen.

Aber dies scheint Herrn Joseph Ratzinger eher gleichgültig zu sein; Hauptsache er kann das, was er „Wahrheit“ (eines seiner Lieblingsworte) nennt, predigen und durchsetzen. Die Judenmission besitzt in Deutschland eine ebenso lange wie traurige Vorgeschichte und ihre fragwürdigen Absichten fanden auch Eingang in die Liedkultur unseres Landes. Am bekanntesten wurde wohl das ellenlange „Jüdel“ aus dem 13. Jh., aber es gab noch mehr solcher musisch-dichterischer Verherrlichungen der Christenheit auf Kosten des Judentums; manche haben in Volksliedsammlungen sogar bis in die Gegenwart ‚überlebt‘.

Ende der 1960er Jahre erschien „Das große Buch vom deutschen Volkslied“ des bekannten Musikwissenschaftlers und Publizisten Hans Christoph Worbs (Jahrgang 1927), das noch mindestens eine Neuauflage durch den Bertelsmannschen Buchclub erlebte und das der Häufigkeit nach, in der es heute in Antiquariaten anzutreffen ist, eine recht hohe Auflagenhöhe erzielte. Dem Herausgeber/Autor Worbs mag man angesichts seiner zahlreichen anerkannten Werke, darunter der noch lieferbaren rororo-Bildmonographie zu Felix Mendelssohn-Bartholdy den Vorwurf, antisemitische Intentionen zu hegen, nicht machen, eher schon den der Gedankenlosigkeit – und die hat im Land der Dichter und Richter, Denker und Henker wie man weiß eine alte Tradition.

Gedankenlos war es zweifelsohne, ein Lied wie „Es war eine schöne Jüdin“ mit einem derart mageren Kommentar, wie ihn Worbs verfasste, in eine solche Liedersammlung aufzunehmen. Denn man erfährt lediglich, dass diese Ballade vermutlich aus dem 16. Jh. stammt, sie vollständig erst seit der Wende zum 19. Jh. nachzuweisen ist, dass sie ferner in verschiedenen Varianten kursierte und sich in einigen davon die Tochter zur Taufe bereit erklärt – anders als in der hier wiedergegebenen Fassung.

Es war eine schöne Jüdin

Es war eine schöne Jüdin,
ein wunderschönes Weib,
die hatt‘ eine schöne Tochter,
das Haar war ihr geflochten,
zum Tanz war sie bereit.

„Ach Mutter, liebste Mutter,
mein Herz tut mir so weh.
Laß mich eine kleine Weile
spazieren auf grüner Heide,
bis daß mir besser wird.“

Die Mutter wandt‘ den Rücken,
die Tochter sprang in die Gaß,
wo alle Schreiber saßen.
„Ach liebster, liebster Schreiber,
mir tut mein Herz so weh.“

„Wenn du dich lassest taufen,
mein Weibchen sollst du sein.“
„Eh ich mich lasse taufen,
lieber will ich mich versaufen
ins tiefe, tiefe Meer.“

„Gut‘ Nacht, mein Vater und Mutter,
wie auch mein stolzer Bruder,
ihr seht mich nimmermehr!
Die Sonne ist untergegangen
im tiefen, tiefen Meer.“

Das große Buch vom deutschen Volkslied, (Hg.) H. C. Worbs, Hannover 1969 bzw. Gütersloh o. J., S. 217

Zum historischen Hintergrund der Judenmission:

Bereits die Urchristen betrieben Judenmission, hatten dabei jedoch mehr Erfolg bei den „Judengenossen“ als bei Juden selbst; später förderte Kaiser Konstantin I. diese Bemühungen um Bekehrung, während sie Augustinus abschwächte, indem er eine Theologie der Mission in Form von Judenduldung vertrat, bei gleichzeitiger verstärkter missionarischer Hinwendung an die Heiden. Den Kirchenlehrer nahm sich Papst Gregor I. zum Vorbild, der einen relativ toleranten Umgang mit den Juden propagierte. Eine Reihe seiner Nachfolger bestätigte später sogar in speziellen Kirchenpapieren (Bullen) diese Haltung. Jedoch wich das Alltagsgeschehen, fernab von Rom, von diesen edlen Vorgaben erheblich ab: bereits ab dem 7. Jh. gehörten in Mitteleuropa Verfolgungen aus religiösen Motiven, Bekehrungsversuche und Zwangstaufen zur traurigen Norm.

Im 13 Jh. ergriff die Kirchenspitze schließlich selbst aktiv die Initiative – Zwangspredigten und Bestechungsgelder für Konvertiten wurden als legitime Mittel für das Ziel Judenmission erachtet. Ende des 14. Jh.s wurden Massentaufen in Kastilien durchgeführt – bei vielen Juden jedoch ohne Erfolg (Marranen). Die Inquisition half dann ein Jahrhundert später mit Feuer und Schwert nach, um das unheilige Werk zu vollenden. Im 19. Jh. erlebten die Bemühungen der Katholiken, Orthodoxen und Protestanten um Bekehrung der Juden eine Renaissance, um im 20. Jh. wieder mehr in den Hintergrund zu treten. Jedoch lebt der alte Missionsgedanke besonders in wirren katholischen Fundamentalistenköpfen (Piusbrüder) fort, u. a. auch deshalb, weil es der „Heilige Vater“ bis in die Gegenwart verabsäumt hat Judenmission als eine Sünde, als ein schweres Verbrechen zu brandmarken, denn nichts Anderes ist sie – angesichts der häufig so schmerzlichen und betrüblichen christlich-jüdischen Vergangenheit.

Mehr zum Thema: >> Judenmission

Literatur:
„Fünfundzwanzig Seiten Protest“ von M. Krauss und H. Sobotka in Jüdische Allgemeine 14/09 vom 2. 4. 2009, S. 2
„Judenmission“ in: Neues Lexikon des Judentums, (Hg.) J. H. Schoeps, Gütersloh und München 1998
R. Schlickewitz, Kleine Chronik der katholischen Kirche in Rom und Bayern, Deggendorf 2009
H. C. Worbs, Felix Mendelssohn-Bartholdy (Rowohlt Monographie), Reinbek bei Hamburg 1974/2006
http://www.schallplattenkritik.de/bio/worbs.html (aufgerufen am 4.4.2009)
http://www.zvab.de (aufgerufen am 4.4.2009)