Heimatlos im Weltnetz

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Sich bei StudiVZ registrieren lassen? Bei Facebook mitmachen? Oder doch lieber „Odins Kontaktanzeigen“ nutzen? Nazis haben es nicht leicht, im Internet Freunde und Partner zu finden…

Von Theodor Heisenberg
Jungle World 14 v. 2. April 2009

»Da stehen drei Nazis auf dem Hügel und finden keinen zum Verprügeln«, sang Rainald Grebe in einem Lied über Brandenburg. Tatsächlich kann es im braunen Racket in der Provinz schnell langweilig werden: immer dieselben Kameraden, kaum Ausländer und Linke. Da vor allem auch mögliche Partnerinnen nur schwer zu finden sind, heißt die letzte Rettung für etliche: Ab ins »Weltnetz«!

Anfang März erfüllte sich der Traum von der ersten social community im Internet, die ausschließ­lich für kontaktbedürftige Nazis da ist. Doch die Freude währte nur kurz – nach kaum drei Wochen wurde die national befreite Flirtzone mit dem einfallsreichen Namen »NS-Treff« in der vergangenen Woche auch schon wieder von der Yooco GmbH gesperrt, auf deren Internet-Plattform die Nazis ihre social community eingerichtet hatten.

Der NS-Treff war aus Protest gegen »MV-Spion«, eine Kontaktbörse für Mecklenburg-Vorpommern, gegründet worden, die alle Profile offensichtlich erkennbarer Nazis gelöscht hatte. Auf der Nazi-Seite »Altermedia« erboste man sich daraufhin über die »Gesichtskontrolle« und empfahl den Lesern, sich »lieber solche Kontaktbörsen zu suchen, die ihren Kunden nicht vorschreiben, wie sie auszusehen und was sie zu denken haben«. Doch im Web 2.0 heißt die Devise vor allem: Do it yourself! Und so entstand der NS-Treff, wo die Vertriebenen – dem Prinzip von Facebook ähnlich – Profile anlegen, Kontakte knüpfen, in Foren diskutieren und flirten durften. Gleich auf der Startseite hielten die Macher den Gründungsmythos des NS-Treffs fest: »Die Herren von MV-Spion scheinen nichts von Menschenrechten zu halten (…) und wir dachten, gerade die Gutmenschen hätten aus der Geschichte gelernt.«

Vorbei ist nun das social networking für die Nazis. Schade, dass sich »Perle88«, »Stahlgewitter88«, »Locke88«, »Thomas88« und »HansPeter88« nicht mehr austauschen können. Vorüber ist die Gelegenheit für »HateCorePunk«, der »dämliche Bündnisse gegen rechts« blöd findet, seine philosophischen Ansichten zum Thema »Hass« mit »MaximumH8« zu teilen, der seine Interessen so beschrieb: »Widerstand zeigen« und »Kampf gegen alles und jeden, der dem Reich schadet«. Beendet ist der Flirt zwischen »Antizionistin« und »xXHeimatschutzXx«, der aber ohnehin schon schlechte Aussichten gegen den Konkurrenten »xXH8coreXx« hatte, der mit einem »Fight-Zionism«-Schriftzug und einer Baseballmütze aufwarten konnte. Außerdem wird man wohl nie ­erfahren, wie die sinnliche Romanze zwischen »Kalle« (»Was denn das für ’nen geiles Skingirl?«) und »Odins Braut« (»Gebe ich gern an den geilen Skin zurück!«) nun ausgegangen ist. Werden sie wie »Addi8« einen »wunderschönen, kleinen Germanen« aufziehen? Können »Kalles« vielseitige Interessen (»Hitler«) weitervererbt werden? Wie sollen Kontakt suchende Nazis bemerkenswerte Persönlichkeiten wie »Rassist« aus »Tätervolkcity« kennen lernen oder mit »Wilhelm8829« schäkern, der keine »Zappelmusik« mag und bei »Antideutschen, Volksverrätern und Judenfreunden« kotzen könnte?

Die Forumsdiskussion über die beste Veranstaltung am 1. Mai wurde durch die Sperrung der Community ebenso abrupt beendet wie die Debatte über Schutzmaßnahmen gegen die Infiltration durch den Feind. Diese sorgte hauptsächlich für Kontroversen: Mitglieder mit authentischen Fotos »bringen sich nicht nur selber in Gefahr, son­dern auch ihre Kameraden«, merkte »Thomas88« warnend an. Andere hielten dagegen: Wie solle man flirten, wenn man nicht wisse, wie ein möglicher Partner aussehe? Als man sich schließlich dafür entschied, neue Mitglieder nur noch zuzulassen, wenn alte für sie bürgten, stand der Untergang des Reichs 2.0 aber schon kurz bevor.

Wohin nun mit den Kameraden? Biedere und eher für Patrioten fortgeschrittenen Alters vorgesehene Seiten wie »Odins Kontaktanzeigen« sind keine gute Alternative, weshalb man wohl auf jene Portale zurückgreifen muss, die in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen im Fall von rassistischen und antisemitischen Äußerungen mit dem Ausschluss drohen. Im StudiVZ beispielsweise tummeln sich zwar Nazis und Rassisten, doch wohl gelitten ist die Verbreitung ihrer Ansichten offiziell nicht. Da Gruppen wie »Nationale gegen Kinderschänder«, »AntiAntifa« oder »Deutsche Soldaten sind Helden, keine Mörder« meist sofort nach ihrer Gründung gelöscht werden, müssen sich Nazis mit der Mitgliedschaft bei »My boss is an austrian painter« oder »Wir grillen Fleisch gegen links« begnügen. Es steht Ihnen aber auch frei, sich in Interessenvereinigungen wie »Ich bin gegen Israel, aber nicht gegen Juden« oder eine der 29 Gruppen mit dem Namen »Ich bin deutsch und stolz darauf« zu begeben. Nette, rechtsextreme Mädels finden sich vielleicht auch bei »Ewig deutsch – es ist wie es ist«, wobei dem Nazi bei den vorgebrachten Gründen für die Großartigkeit des Deutschseins (»fleißigste Bevölkerung«, »15 Prozent aller Patente«, »Otto- und Dieselmotor«, »gutes Essen«) einschlägige Argumente aus der Rassenlehre fehlen dürften.

Besser sieht es bei Facebook aus. Kann der aufgeschlossene Rechtsextreme sich trotz sprachlicher Hindernisse und ideologischer Vorbehalte zur Mitgliedschaft durchringen, offenbaren sich ungeahnte Möglichkeiten. Trotz anders lautender Nutzungsbedingungen wird die unbeschwerte Geselligkeit wegen ein bisschen Volksverhetzung oder Holocaustleugnung hier nicht unterbrochen. Der Nazi muss sich auch nicht in Gruppen wie »How many people hate Israel« (bisher etwa 65 000) aufhalten, da auch »National Socialist Life«, »Nazi« oder »Hitler« (2 300 Mitglieder) einschließlich mannigfaltiger, unzensierter Haken­kreuzvariationen zur Wahl stehen.

Ein zackiges »Juden raus« wird bei Facebook ebenso geduldet wie die Gruppe »Holocaust was a lie«. Englischkenntnisse vorausgesetzt, kann sich der stolze Revisionist dann sogar an Aussagen ergötzen wie: »Hitler killed jews because they cheated german people.« Ja, selbst Adolf Hitler persönlich besitzt ein Profil, das durchaus für Überraschungen gut ist (»Adolf ist jetzt ein Fan von Pokemon«) und sich angesichts des Buttons »Zurück zu Hitler« einiger Beliebtheit erfreuen könnte. Lediglich die unzähligen Ausländer trüben für Nazis das Gesamtbild. Aber vielleicht können ihre Aussagen wie »Hitler is good man« oder »Heil Hitler« das Misstrauen mindern.

1 Kommentar

  1. guter Artikel- aber Odins Braut hat längst ein neues Forum gefunden und die meisten Hitlerverehrungsgruppen/Fanseiten bei facebook sind in türkischer Sprache von türkischen Usern gegründet worden…da fühlen sich die daitschen Nazis denn wohl doch nicht ganz so wohl…
    Dabei wären die „Diskusionen“ auf den dortigen Seiten, wie zum Beispiel „Yahudi nin yapısı“- für die hiesige Naziszene eine echte Bereicherung- . Aber zum türkisch lernen sind die hiesigen Nazis sicher nicht bereit oder fähig. Ist ja auch eine schwierige Sprache….;-)
    zum Glück!

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