Das andere Frankreich: Das ist kein Croissant, das ist ein Halbmond

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Aus Sicht vieler Israelis ist Frankreich das europäische Land, das Israel am feindlichsten gegenübersteht. In den letzten 40 Jahren wurde Frankreich zur Verkörperung des Landes, das Israel für ein Fass Öl verkauft. Die Tatsachen unterstützen diese Paranoia jedoch nicht…

Gil Michaeli in Jedioth achronoth

Die französische Presse ist längst nicht die schlimmste (um dies zu verstehen, muss man nur die spanische oder die britische lesen), und im Parlament, dem Außenministerium und dem Elysée-Palast hat man auch schon vor Sarkozy zunehmende Offenheit gegenüber den israelischen Standpunkten demonstriert.

Auch die öffentliche Meinung in Frankreich ist längst nicht so schlimm, wie man in Israel annimmt. Eine Umfrage, die vor Kurzem durchgeführt wurde, zeigt, dass nur eine Minderheit anti-israelische Stanpunkte vertritt: nur 18% sind der Meinung, Israel sei für die jetzige Krise verantwortlich, während 23% die Hamas verantwortlich machen. 28% meinen, beide Seiten seien im gleichen Maße verantwortlich, und weitere 31% hatten keine Meinung.

Der geringe Prozentsatz anti-israelischer Meinungen weist auf eine tiefe Veränderung in der französischen Öffentlichkeitsmeinung hin: Die anti-israelische Fahne wurde von ideologischen Gruppierungen an ethnisch-religiöse Gruppen übergeben – Franzosen nordafrikanischer Herkunft, die Identitätsgemeinschaften bilden, dies als Teil ihrer Eingliederung in die französische Gesellschaft. Wer an Demonstrationen teilnahm, die in den letzten zehn Tagen in Paris stattfanden, der konnte dies mit eigenen Augen sehen: Eine große Zahl von Franzosen nordafrikanischer Abstammung, Hamas- und Hisbollahfahnen und vor allem- Massengebete am Platz der Republik.

Die Feindseligkeit – anders als die Kritik – gegenüber Israel entstand in Frankreich in den 60-er und 70-er Jahren, mit der zunehmenden Holocaust-Erinnerung, der Algerienkrise und der Bezeichnung Israels als letzten Kolonialstaat. Die anti-israelische Propaganda legte fest: In Beirut und in den Gebieten sind die Juden Nazis, und die Araber und Palästinenser sind Holocaustopfer.

Parallel zu den ideologischen Prozessen waren die 80-Jahre auch Zeugen einer soziologischen Wende: Die Immigranten aus den Maghreb Ländern wurden von einer statistischen Zahl zu einer sozialen politischen Erscheinung. Die Eingliederungen von Millionen Moslems in die französische Gesellschaft begleitete den Tod der großen Ideologien und beschleunigte das Entstehen der Identitätspolitik, die sie abwechselte. Bei der Herauskristallisierung als Identitätsgemeinschaft stützte sich der französische „Orientalismus“ auf den Islam, auf Feindseligkeit gegenüber Israel und auf Antisemitismus. Die Geschichte von den schweren Bildern aus Gaza/Beirut/Jenin ist Unsinn, genau wie die arabische oder muslimische Solidarität. Die Bilder, die aus dem Sudan oder aus Tschetschenien eintreffen, sind mindestens genauso schwer, aber sie treiben keinen auf die Straße.

Reibereien mit der jüdischen Gemeinde, deren Mitglieder ja auch zum Großteil aus Nordafrika stammen, vollenden das Bild der neuen Identitätsgemeinde. Wie bei einem Juden, der eine Meinung zu Israel zum Ausdruck bringen muss, wird die Haltung zu den Palästinensern zu einem festen Bestandteil der Identität eines Franzosen nordafrikanischer Herkunft. Der Stab der Israelfeindlichkeit wurde von der antikolonialistischen Linken an die Nachkommen der Immigranten übergeben, die auf dem Rücken des israelisch-palästinensischen Konflikts in einen neuen französischen Horizont reiten.

Das Ergebnis ist ein Paradox: Der Anti-Israelismus wird mit Farben der Identitätsgemeinde gefärbt und in ein Ghetto gedrängt, das von den ehemaligen Nordafrikanern errichtet wird und viele Franzosen (auch von der Linken), die den Grundwerten der Republik treu sind, abschreckt. In anderen Worten: Der neue Anti-Israelismus gefährdet die Stabilität Frankreichs, und die Zahl der Franzosen, die das begreifen, nimmt ständig zu.