Stärkt Israel absichtlich die Hamas?

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Kurz vor Beginn der Offensive im Gazastreifen hatten viele Bewohner von Gaza die Nase voll von der Hamas, so zumindest die Einschätzung der einzigen israelischen Journalistin die jahrelang in den Palästinensergebieten lebte…

Die Hamas hat laut einer Umfrage nach der israelischen Offensive im Gazastreifen bei der palästinensischen Bevölkerung stark an Unterstützung gewonnen. Wenn heute Präsidentschaftswahlen in den Palästinensergebieten wären, würde Hamas-Führer Ismail Hanije 47 Prozent der Stimmen erhalten, Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erhielte nur noch 45 Prozent… weiter…

Einen Monat vor Beginn der Aktion in Gaza schrieb Amira Hass in haArez: …“Die Bevölkerung des Gazastreifens hat die Nase voll von der Hamasregierung. Sie hat sich vor allem gegenüber Fatahmitgliedern als ein Regime der Angst und Erpressung erwiesen. Aber die Art von ( isr.) Straftaktik, die im Augenblick dort praktiziert wird, stärkt die Hamas. Statt die Bewegung nach ihrer Fähigkeit, Regierungsgeschäfte durchzuführen und Regierungsverpflichtungen zu übernehmen und für das Wohlbefinden der Bevölkerung zu sorgen, kann die Schuld für jede Bekundung von Unreife und Stümperhaftigkeit dem Mangel an Strom/Kraftstoff gegeben werden, der durch die Belagerung verursacht wird“…

Hier der gesamte Artikel:

Wir wollen uns nicht mit dem Zählen der Tonnen Reis, Mehl und Kochöl befassen, die sich noch im Gazastreifen befinden, nachdem dieser wieder 10 Tage hermetisch abgesperrt war und alle Übergänge in die Enklave geschlossen waren. Auch die Kinder wollen wir nicht zählen, die auf ein nahrhaftes Essen des UN-Hilfswerks warten und auch nicht die Familien, die an ihrer Türschwelle Lebensmittelpakete der Hamas vorfinden. (Es gibt Leute, die darauf schwören, dass diese Lebensmittel nur denen gegeben werden, die zu Hamas gehören oder diese unterstützen). Wir wollen auch nicht die Leute zählen, die von ihren Familien abhängig sind.

Es gibt Lebensmittel im Gazastreifen, und es wird weiter welche geben. Ist wirklich jemand so blöd zu glauben, Israel, der Staat der Juden, könne es sich erlauben, 1,5 Millionen Menschen gegenüber gleichgültig zu sein, die hinter Stacheldrahtzäunen und Wachtürmen auf einem engen Streifen zusammengedrängt sind und sie verhungern lassen?

Wir wollen nicht an die Dunkelheit denken und wie Kinder ihre Schulaufgaben bei Kerzenlicht oder mit einer Kerosinlampe machen (oder nicht machen). Lassen wir auch die Diskussion über die schwerwiegenden Umweltrisiken beiseite – Verschmutzung des Grundwassers und der Küstengewässer – denen die Menschen des Gazastreifens und von Ashkelon ausgesetzt sind und zwar als direkte Folge der absichtlichen Brennstoffmängel oder auch der Weigerung Israels, Rohre zu liefern, die die Wasser- und Abwässer-Infrastruktur aufrecht erhalten könnten. Ich will jetzt auch nicht beschreiben, wie die Abwässer direkt ins Meer fließen, weil es nicht genügend Strom gibt, um die Kläranlagen in Betrieb zu halten. Reden wir nicht über die Ängste, dass die Abwässer im Winter in die Wohnbezirke zurückfließen, weil notwendige Ersatzteile für die Kläranlagen nicht geliefert werden.

Wir wollen uns auch nicht damit befassen, wie das Leben der Palästinenser fast auf die Ebene von Tieren reduziert wird, zu einem humanitären Problem, bei dem leicht zu beweisen ist, dass es noch schlechter sein könnte. Die Überlegungen über die Palästinenser und die Methoden, wie sie mit der Blockade fertig werden, sollte in eine Diskussion über die Israelis münden – über jene, die die Politik machen und die vielen Leute, die sie eifrig ausführen, über die vielen Bürger, die sie unterstützen und ermutigen. Statt über Quantitäten von Brennstoff und Mehl zu diskutieren, sollte man über die Logik reden, die hinter der Belagerung steht und über jene, die sie auferlegen.

Die Leute im israelischen Kabinett, im Verteidigungsministerium und im Shin Beth (Sicherheitsdienst) wissen sehr wohl, was sie tun, wenn sie alles – außer eben Grundnahrungsmittel oder Medikamente – vom Grenzübergang ausschließen. Ebenso, wenn sie verbieten, dass Rohmaterial nicht ein-, und landwirtschaftliche und industrielle Güter nicht ausgeführt werden dürfen. Ebenso, wenn sie auch den normalen menschlichen Verkehr zu Studienzwecken, aus medizinischen Gründen, wegen Arbeit oder Familie verhindern.

Man unterschätze sie nicht und setze ihr Urteilsvermögen nicht zu tief an. Sie wussten sehr genau, als sie vor mehr als zwei Jahren die dichteste Absperrung des Gazastreifens seit 1991 beschlossen, dass die Industrie zusammenbrechen, die Landwirtschaft verkümmern, zehn Tausende junger Leute arbeits- und hoffnungslos werden würden, dass es sehr schwer werden würde, die Schulen weiter zu führen und so die Ausbildung sehr leiden würde, dass die Abwässer zurückfließen und ins Trinkwasser einsickern, dass das Wasser die oberen Etagen von Wohngebäuden nicht mehr erreichen würde.

Diese Politik wurde der israelischen Öffentlichkeit in halboffizieller Weise als gerechtfertigte Bestrafung für die Palästinenser dargestellt, da sie die Hamas gewählt hatten, (und zur Hölle mit dem Völkerrecht!). ‚Vierteloffiziell‘ wissen wir, dass man erwartet oder voraussagt, die Belagerung würde die Bevölkerung von Gaza dahin bringen, die Hamas so zu hassen und ihre Herrschaft über den Gazastreifen zu Fall bringen (nachdem sie schon die Herrschaft über die Westbank, wo sie ja auch die Wahlen gewonnen hatte, verloren hatte). Das hoffte auf jeden Fall die Ramallah-Regierung.

Ja, die Bevölkerung des Gazastreifens hat tatsächlich die Nase voll von der Hamasregierung. Sie hat sich vor allem gegenüber Fatahmitgliedern als ein Regime der Angst und Erpressung erwiesen. Aber die Art von Straftaktik, die im Augenblick praktiziert wird, stärkt die Hamas. Statt die Hamas nach ihrer Fähigkeit, Regierungsgeschäfte durchzuführen und Regierungsverpflichtungen zu übernehmen und für das Wohlbefinden der Bevölkerung zu sorgen, kann die Schuld für jede Bekundung von Unreife und Stümperhaftigkeit dem Mangel an Strom oder Kraftstoff gegeben werden, der durch die israelische Belagerung verursacht wird.

Das Volk empfindet, dass auch die Regierung darunter leidet. Wie das Volk ist auch die Regierung ein Ziel für die Grausamkeit der Besatzung. Diese brutale Besatzung befreit die Hamas davor, sich mit dem Widerspruch zwischen der Bühne (der Befreiung des ganzen Palästina) und ihrer Integration in die von den Oslo-Abkommen geschaffenen Institutionen (trotz ihrer Ablehnung des Oslo-Abkommens) auseinander zu setzen. Wenn Israel das Leben von Frühgeburten gefährdet und Geschäftsleute Pleite gehen lässt, einschließlich Oslo- und Yasser-Arafat-Unterstützer, dann kann sich die Hamas-Regierung als einen Hort des Widerstands gegen die Besatzung darstellen. Die außergewöhnlichen Bedingungen der extremen Belagerung und der Abtrennung des Gazastreifens von der Westbank (noch eine absichtliche israelische Politik) haben die Möglichkeit, neue allgemeine palästinensische Wahlen abzuhalten, in weite Ferne gerückt. Die Hamas hat so genug Zeit, um ihre Herrschaft mit Zwang, Löhnern, Wohlfahrt und der tröstenden Kraft der Religion zu untermauern. Und vielleicht ist es ganau was Shin Bet, Israels Verteidingungskräfte und die Regierung wollen?

Quelle: Is Israel deliberately strengthening Hamas? (haAretz am 18/11/2008)

Amira Hass, geboren 1956 in Jerusalem, ist die einzige israelische Journalistin, die jenseits der „grünen Linie“, nämlich in Ramallah lebt, und das seit 1977. Vorher verbrachte sie ein paar Jahre in Gaza. Sie ist Korrespondentin der israelischen Tageszeitung Ha’aretz. Sie studierte als Tochter Holocaust-Überlebender Geschichte in Jerusalem und Tel Aviv und arbeitete danach als Lehrerin.

Ellen Rohlfs ist Mitarbeiterin von Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt.

2 Kommentare

  1. Jetzt habe ich eine Bitte, die das o.g. Thema nicht direkt berühren, es lesen ja nicht nur Juden, sondern auch Christen hier, die sich sicherlich auch Gedanken um Menschenrechtsverletzungen machen.

    Wie kann ein Staat, der selber die Menschenrechte nicht achtet, über „andere“ urteilen, schlimmer noch, sogar im Planungsausschuss sitzen, und einer Konferenz vorstehen, die sich genau mit diesen Fragen beschäftigen soll. Das dieses eine Farce ist, um wieder einmal Israel einseitig als „Apartheid-Staat“ zu verdammen und gleichzeitig jegliche Kritik an seiner „EIGENEN“ Religion ausschalten will, daß heißt auch für die gesamte westlich, christliche Welt die Meinungsfreiheit beschneiden will, kommt als Ziel dieser Konfernez noch hinzu.

    Daher bitte ich wer mag, eine Mail zu schreiben an:

    An: Libysch.Arab.Volksbuero@t-online.de
    Cc: poststelle@auswaertiges-amt.de

    Folterstaat Libyen kann „Durban II“-Planungskomitee nicht vorstehen.

    Den Text darf man benutzen.

    Sehr geehrter Botschafter von Libyen,

    soeben lese ich, daß vier Konvertiten vom Islam zum Christentum in Ihrem Land gefangen gehalten und gefoltert werden.

    Libyen foltert vier christliche Konvertiten vom Islam.

    bitte kümmern Sie sich umgehend darum, daß meine Glaubensbrüder freigelassen werden!

    Solange bei Ihnen daheim derart schreiende Zustände herrschen, kann Ihr Land ganz sicher nicht dem Planungskomitee der im April in Genf vielleicht ja noch stattfindenden UN Antirassismusreviewkonferenz vorstehen.

    Es sind Länder wie Ihres, die dafür verantwortlich sind, wenn Menschen in Europa „Islamophobie“ entwickeln.

    Welt: Alle roten Linien überschritten

    Bitte teilen Sie außerdem Herrn Ibrahim Dabbashi mit, daß die europäischen Christen keinen Vorwand akzeptieren werden, wenn es um die Freiheit geht, über religiös begründete Verstöße gegen die UN Antifolterkonvention zu reden und diese auch im größeren Maßstab öffentlich zu machen, solange diese stattfinden. Zur nachhaltigen Klärung des diesbezüglichen Sachverhalts bitte ich Sie daher, sich bei zuständiger Stelle zu informieren und mir dann in deutscher oder englischer Sprache ausführlich mitzuteilen, ob und wenn ja weswegen ein solcher Umgang mit Menschen mit den in Ihrem Land vertretenen Rechtsschulen des Islam vereinbar ist. Ob Libyen die UN Antifolterkonvention ratifiziert hat, interessiert mich dagegen überhaupt nicht, weil das in Bezug auf die in Genf zu klärende „Islamophobie“-Frage völlig ohne Belang ist.

    Mehr dazu:

    http://www.politikstube.de/forum/blogs/haiduk/folterstaat_libyen_durban_ii_planungskomitee_vorstehen-191/

    Dann gibt es für alle nur noch heute die letzte Gelegenheit, seine Unterschrift zu leisten gegen eine Teilnahme an der Durban II Konferenz:

    http://boycottdurban2.wordpress.com/background/

    http://www.wadinet.de/blog/?p=1543

    Als Letztes noch einmal die Bitte, die Hamas vor ein Kriegsgericht zu bringen, bisher gab es 84.314 Unterschriften weltweit, sogar aus Iran, Irak und Gaza wurde diese Aktion unterstützt, also bitte, wer mag und es auch an Bekannte, Verwandte und Freunde weitertragen will:

    http://www.petitiononline.com/tap12009/petition.html

    Danke Eileen

  2. Also wenn das so wäre, wie die Dame es hier beschreibt, wären nicht nur die Politiker, sondern das ganze israelische Volk ziemlich dumm. Und ich denke, wenn man die Umstände, WO sie lebt, berücksichtigt, sich in dieser Beurteilung sehr deutlich bemerkbar macht. Schön, daß Israel eine Meinungsfreiheit hat, selbst wenn es zum eigenen Schaden ist, dürfen solche „Kommentare“ straffrei geschrieben werden, sie sollte den Spieß einmal umdrehen, und versuchen, so negativ über die Palästinenser zu schreiben.

    Warum ich zu diesem Schluß komme ? Es werden den Israelis auch sicherlich diese Umfragen nicht unbekannt sein. Warum sollten sie Konflikte schüren, aus welchem Grund, weiß diese Dame nicht, daß Israel von ALLEN Seiten von Arabern, die letztendlich zu den Palästinensern halten, umgeben ist, daß EIN gravierender Fehler das ENDE Israels bedeuten würde ? Ist Israel wirklich so sehr darum bemüht, sich selbst auszulöschen ?

    Erste Unlogik meinerseits:

    1.)
    Die Mehrheit der Befragten (63 Prozent) war jedoch der Meinung, dass ein Sieg der Hamas bei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu einer Verschärfung des Boykotts und der Abriegelung des Gazastreifens führen würde.
     
    2.) “Fatah-Sieg bringt Boykott-Ende” ….
    Dass ein Sieg der Fatah das Ende der Abriegelungen und des Boykotts herbeiführen würde, glaubten 61 Prozent der Befragten.

    Schlußfolgerung: Wenn es den Palästinensern nur um das Ende der Blockade, und m.E. zu Recht, gehen würde, dann würden sie die Fatah unterstützen und nicht die Hamas. Israel weiss genau, warum diese Blockade besteht und diese Dame müßte es eigentlich auch wissen.

    Es ginge ganz einfach: Israel anerkennen, den Waffenstillstand einhalten und schon gäbe es mittelfristig keine Blockade mehr. Das ging mit Ägypten, das ging mit Jordanien, warum nicht mit den Palis ? Ist das so schwer zu verstehen ? Wie blauäugig, oder sagen wir einmal, gutmenschlich/link ist diese Dame eigentlich ?

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