FN eröffnet Europaparlamentswahlkampf

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Am kommenden Wochenende in Arras: Der französische Front National versammelt europäische Rechtsextreme aus mehreren Ländern um sich – Aber „zu Hause“ steckt er tief in der Krise. Die französische extreme Rechte ist nunmehr hochgradig zersplittert. Und Jean-Marie Le Pen muss sich u.a. Vorwürfe der „Islamfreundlichkeit“ anhören. Zuvor hatte er sich allerdings auch positiv auf das iranische Regime bezogen…

Von Bernard Schmid, Paris

Am Wochenende des 14. und 15. März 2009 wird der Front National (FN) in der nordfranzösischen Stadt Arras seinen diesjährigen Europaparlamentswahlkampf eröffnen. Rund 1.000 Parteifunktionäre und Aktivisten (laut offiziellen Angaben), quasi den gesamten Apparat der zur Zeit in einer tiefen Krise steckenden Partei, will die FN-Führung dorthin zusammenziehen. Neben den eigenen Mitgliedern des FN versammeln sich dort aber auch Vertreter des belgisch-flämischen Separatisten- und Rassistenblocks Vlaams Belang (VB, „Flämisches Interesse“), der ebenso rassistischen norditalienischen Regionalpartei Lega Nord, aber auch der spanischen Neo-Franco-Anhänger der „Nationalen Rechten“ (DN). Und – nicht zuletzt, laut Informationen der Kritiker/innen – angeblich auch der deutschen NPD. Gegen diese Zusammenkunft der „Eurofaschisten“ mobilisiert inzwischen ein regionales antifaschistisches Bündnis, das u.a. auch die Gliederungen der französischen Gewerkschaftsvereinigungen CGT, Union syndicale Solidaires (linke Basisgewerkschaften vom Typus SUD) und FSU (wichtigste Bildungsgewerkschaft) umfasst.

Die übergreifende Themenstellung beim „Europäischen Konvent“ des FN, die im Kasino der nordfranzösischen Stadt stattfinden wird, lautet „die Rückkehr der Nationen“. Selbige verkauft die französische rechtsextreme Partei derzeit als Patentrezept gegen die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise; man verspricht sich von dieser reaktionären Utopie lt. der Partei „Sicherheit“ vor der Krise hinter angeblich schützenden nationalen Grenzen (so wie zwischen 1929 und 1931, möchte man hinzufügen…). Und so forderte ihr langjähriger Chef Jean-Marie Le Pen am 27. Februar o9 die Rückkehr zum französischen Franc durch die „organisierte und konzertierte Aufgabe der Euro-Währung“ durch ihre derzeit 16 Mitgliedsländer. Allerdings nicht zum alten Wechselkurs bei Einführung des Euro als Zahlungsmittel am 1. Januar 2002 – damals gab es einen Euro für circa 6,55 Francs -, sondern, so fordert es Jean-Marie Le Pen, zu einem Umtauschkurs von nunmehr Eins zu Eins bei Wiedereinführung der Nationalwährung.

Auf dem „Konvent“ in Arras soll die allgemeine Themenstellung in Foren zu folgenden Themen durchdekliniert werden: „Werte moralische Dekadenz“, „Finanzkrise und Euro-Globalismus“ sowie – auch dieser Dauerbrenner darf beim FN selbstverständlich nicht fehlen – „Immigration und Sicherheit“. Spät, aber durch ein sichtbares Ereignis möchte der FN durch das Ereignis seinen Wahlkampfauftakt markiert.

Von den Europaparlamentswahlen am 7. Juni dieses Jahres verspricht der französische FN sich, so Jean-Marie Le Pen (Ende Januar in Marseille, „angesichts der Auswirkungen der Wirtschaftskrise“) und Marine Le Pen (Ende Februar), „mindestens 10 Prozent der Stimmen“. Das wäre ein etwas höheres Ergebnis als bei den letzten Europaparlamentswahlen im Juni 2004, obwohl deutlich weniger als die höchsten Wahlergebnisse des FN in den 1990er Jahren.

Allein, es sieht nicht wirklich danach aus. In den Umfragen werden dem FN derzeit 6 Prozent der Wahlabsichten diagnostiziert (im Dezember 08 waren es noch sieben Prozent gewesen). Weitere sieben Prozent entfallen laut den momentanen Vorwahlumfragen auf nicht-faschistische Listen der „EU-skeptischen“ oder mehr o. minder EU-feindlichen Rechten: 5 Prozent auf die Liste ‚Libertas’ des Nationalkonservativen Philippe de Villiers – der aber bei den EP-Wahlen von 1994 und 1999 auch schon an Listen beteiligt war, die damals 12 % respektive 13 % der Stimmen erhielten –, und zwei Prozent auf jene des bürgerlichen, postgaullistischen Nationalisten Nicolas Dupont-Aignan.

„Dissidenten“fraktionen: Wahlmäßig noch ziemlich schwach – aber ein wichtiger Aderlass für das Kaderpotenziel des FN

Die rechtsextremen „Dissidenten“listen können derzeit im Durchschnitt nur 0,5 Prozent der Wahlabsichten auf sich ziehen. Dadurch landen sie tendenziell „unter ferner liefen“ (zumal es erst ab einem Stimmenanteil von drei Prozent ein Anrecht auf Rückerstattung der Wahlkampfkosten gibt). Allerdings scheint das Wichtigste aus Sicht der rechtsextremen „Dissidenten“listen, deren Präsenz dem FN nun in fünf von sieben (respektive acht) „Super“wahlkreisen zur EP-Wahl droht, auch nicht in ihrer momentanen Stimmenzahl zu liegen. Vielmehr ist ihr Augenmerk vor allem darauf gerichtet, die Aktiven und Kader der extremen Rechten außerhalb der Parteistrukturen des derzeitigen FN – unter einem eigenen Dach – zu sammeln und sich für „die Zeit nach Jean-Marie Le Pen“ vorzubereiten. (ANMERKUNG: Bei den EP-Wahlen wird Frankreich in acht mehrere Regionen umfassende „Superwahlkreise“, davon sieben auf dem europäischen Festland und ein achter in den „Überseegebieten“, eingeteilt.)

Der alternde FN-Chef, der im Juni dieses Jahres 81 wird und „seine“ Partei seit ihrer Gründung im Oktober 1972 ununterbrochen anführt, hatte im September 2008 seinen Rückzug aus der aktiven Politik für das (über)nächste Jahr angekündigt. Jedoch kann er offenkundig noch immer nicht davon ablassen, sich selbst als mehr oder minder unentbehrlich zu betrachten. So hat er nunmehr jüngst nicht nur die Spitzenkandidatur für den „Super“wahlkreis Südost (Raum Lyon, Raum Marseille, Korsika) bei den EP-Wahlen, sondern auch gleich noch die Spitzenkandidatur in Marseille für die Regionalparlamentswahlen im Frühjahr 2010 übernommen. Und in einem Interview, das am 15. Februar o9 in der Sonntagszeitung ‚Le Parisien Dimanche’ publiziert wurde, kündigte er auch an, er werde nicht mehr bei der Präsidentschaftswahl 2012 (als dann 83jähriger) antreten – „es sei denn, dass außerordentliche Umstände es erfordern“. Und dies betont er in einer Weise, dass Allen klar werden muss, dass er auch mit diesem Gedanken noch spielt. Betont er doch in dem Interview auch, in Frankreich habe man auch früher schon die Figur des alternden, staatsmännischen „Chefs“ zu schätzen gewusst – Le Pen wörtlich: „von George Clemenceau und Charles de Gaulle bis zum Marschall Pétain“. Diese Präsidenten oder Staatschef waren alle bei Amtsantritt, oder jedenfalls am Schluss ihrer Amtszeit, in sehr hohem Alter. Aber: was für Referenzen…!

Abspaltungen: Vom MNR (1999) bis zum ‚Parti de la France’ (2009)

Aus Sicht vieler Ideologen und Aktivisten blockiert Jean-Marie Le Pen die Zukunft seiner „nationalen Bewegung“ inzwischen, und ist ihr gar „zum Klotz am Bein“ geworden. (Letzterer Ausdruck stammt von Jean-Yves Le Gallou, der den FN im Winter 1998/99 bei der damaligen Abspaltung unter Bruno Mégret verließ und inzwischen die Denkfabrik „Stiftung Polemia“ leitet.) Diese Tatsache, zu der noch jene hinzukommt, dass der langjährige Parteichef – wenn er denn wirklich einmal für seine Nachfolge den Weg freimachen muss – offenkundig seiner jüngsten Tochter Marine Le Pen den Spitzenplatz zuschanzen möchte, sorgt mittlerweile für viel böses Blut. Deshalb häufen sich, gegen den Starrsinn des alternden Chefs und vor allem gegen die „ideologische und programmatische Aufweichung“ – verkörpert durch die „Modernisierin“ Marine Le Pen -, die Ab- und Austritte. Ein halbes Dutzend Abspaltungen vom FN existieren inzwischen: der MNR („Nationale und Republikanische Bewegung“) seit der Mégret-Spaltung von 1999; die NDP („Neue Rechte der kleinen Leute“) unter Robert Spieler, die am 1. Juni 2008 gegründet wurde; die NDR („Neue Republikanische Rechte“, eine Abspaltung von der Vorgenannten) seit September 2008. Alle haben ein eigenes ideologisches oder politisches Profil. Die Vereinigung „Egalité & Réconciliation“ (Gleichheit und Aussöhnung) unter dem „Rot-Braunen“ Alain Soral existierte zwar von Anfang an – seit 2 bis 3 Jahren – als eigener Zirkel außerhalb des FN. Doch ihr Anführer Alain Soral, der bis vor kurzem noch dem Zentralkomitee als dritthöchstem Führungsgremium des FN angehörte, hat die Partei am 2. Februar 2009 verlassen, so dass der Zirkel sich fast vollständig vom FN ablösen dürfte.

Als allerletztes Spaltprodukt ist nun die, am 23. Februar 2009 anlässlich einer Pressekonferenz in einem Pariser Hotel der gehobenen Klasse offiziell gegründete, Splitterpartei von Carl Lang hinzugekommen. Sie hört auf den ziemlich hochtrabenden Namen ‚Parti de la France’ (ohne Abkürzung, männlicher Eigenname) das bedeutet wörtlich „die Partei Frankreichs“. Ursprünglich scheint Carl Lang allerdings die Absicht gehegt zu haben, seine Neugründung auf den Namen ‚Renouveau national’ (nationale Erneuerung) zu taufen. Diese Stichworte hatte ein Mitarbeiter Carl Langs allerdings in einem E-Mail an dessen frühere „Parteifreundin“ Marine Le Pen – dem Vernehmen nach – derart häufig verwendet, dass Letztere hellhörig wurde. Blitzartig kalkulierend, hatte Marine Le Pen daraufhin ein Patent auf den (potenziellen, von ihr vermuteten) neuen Titel angemeldet. Dieser konnte somit nicht mehr als Parteiname benutzt werden und entfiel.

Zu den Gründungsmitgliedern und führenden Parteikadern zählen neben Carl Lang selbst (Generalsekretär des FN von 1988 bis 1995, sowie von 1999 bis im Oktober 2005) auch anderen frühere Prominente der Le Pen-Partei. Unter ihnen befinden sich Martine Lehideux – die Dame, die über 70 sein dürfte, leitete früher den „Zirkel französischer und europäischer Frauen“ und ist die Witwe eines hohen Vichy-Regimefunktionärs – und Martial Bild, der frühere Chef der Pariser Parteisektion des FN, der im vergangenen Herbst zurückgetreten war und durch Jean-Marie Le Pen regelrecht hinausgemobbt wurde: „Bei Deinen Ergebnissen in Paris brauchen wir nicht traurig zu sein!“ (Über ihn ironisierte in der vergangenen Woche die bürgerliche Presse, denn der 48jährige, der 1981 zum FN kam und lange Jahre als Hauptamtlicher tätig war, trat nun eine Arbeit als Kellner in einer Pariser Gaststätte an. Dies enthüllte das konservative Wochenmagazin ‚Le Point’. Bei der neuen Partei ist Martial Bild „Kommunikationsdirektor.“)

Aber auch Bernard Antony, der frühere Chef des fundamentalistischen Katholikenflügels innerhalb des FN, der seit dem Jahreswechsel 2005/06 keine Mitgliedsbeiträge mehr für die Le Pen-Partei entrichtete, ist mit von der Partie. Ihm wurde die Ausbildung der Parteifunktionäre sowie die Zuständigkeit für internationale Fragen übertragen. Dies ist insofern bemerkenswert, als der Neugründung damit ein gewisser Brückenschlag zwischen unterschiedlichen ideologischen Strömungen gelungen ist, der beim alten FN unter dem Namen „der nationalistische Kompromiss“ verankert war. Denn tatsächlich ist Bernard Antony Anhänger eines „traditionalistischen Katholizismus“, während Carl Lang in breiten Kreisen – ohne dass es letztendlich bewiesen wäre – als Angehöriger des rassebiologisch ausgerichteten „Neuheidentums“ gilt. Ultrakatholiken und Neuheiden teilen selbstredend nicht dieselben ideologischen Bezüge. Aber ihre Zusammenarbeit, im Namen des Abwehrkampfs für die ominöse „eigene Identität“ und gegen „das Fremde“, war im Zeichen des „nationalistischen Kompromisses“ – und den vorhandenen Ansätzen zu einer „ideologischen Synthese“ zwischen den verschiedenen Grundelementen – möglich gewesen. Anscheinend schafft es die neue Partei in Ansätzen wieder, einen solchen „Kompromiss“ zwischen unterschiedlichen ideologischen Strömungen hinzubekommen. Ansonsten drohte den Abspaltungen vom FN, auf jeweils nur eine ideologische „Familie“ (wie man die Zugehörigkeit zu einer ideologischen Grundströmung dort bislang ausdrückte) beschränkt und zurückgeworfen zu sein. Nunmehr scheint die Keimzelle zu einer neuen strömungsübergreifenden Zusammenarbeit vorhanden zu sein. Unterdessen hat der Rumpf-FN den Kontakt zu besonders profilierten Vertretern der jeweiligen ideologischen Strömungen – die ihm „ideologische Weichspülerei“ unter Federführung Marine Le Pens vorwerfen – weitgehend verloren.

Nicht persönlich bei der Pressekonferenz vom 23. Februar anwesend, doch immerhin mit einer dort verlesenen Erklärung vertreten war unterdessen Jean-Claude Martinez. Der Steuerrechtsprofessor führte lange Jahre hindurch, seit spätestens 1986 (als er zeitweise Abgeordneter in der Nationalversammlung war) den FN in der Region von Montpellier. Gleichzeitig mit Carl Lang hatte er der Partei im November 08 den Rücken gekehrt. Er leitet jedoch eine eigenständige Liste unter dem Namen „Haus des Lebens und der Freiheiten“, die im „Superwahlkreis“ Südwestfrankreichs zu den EP-Wahlen antritt. Letztere wird freilich mit dem ‚Partei de la France’ unter Carl Lang kooperieren. Zusammen mit der Martinez-Liste werden die „Dissidenten“ unter Carl Lang also in fünf von sieben EP-Wahlkreisen, die im europäischen Festlandfrankreich liegen, antreten. Die Nicht-Aufstellung einer Liste in der beiden verbleibenden Superwahlkreisen begründete Lang auf der Pressekonferenz politisch: In der Region „Ost“ werde man nicht gegen FN-Vizepräsident Bruno Gollnisch antreten „im Namen einer gemeinsamen Zukunft“, und in Südostfrankreich nicht gegen Jean-Marie Le Pen „im Namen der gemeinsamen Vergangenheit“. Mittels diese Schachzugs erhofft man sich wohl, Gollnisch – den aktuellen Hauptrivalen von Marine Le Pen, der derzeit eher die „Traditionalisten“ in der Parter hinter sich schart – im Falle eines Misslingens seiner Strategie zur Übernahme der Partei doch noch auf die eigene Seite ziehen zu können.

Pleitegeier kreisen…

Besonders ärgerlich für Jean-Marie und Marine Le Pen dürfte die Präsenz von Ferdinand Le Rachinel, im bisherigen Europaparlament einer unter sieben Abgeordneten des FN (die 2004 dorthin gewählt wurden), an der Seite von Carl Lang sein. Denn de Rachinel ist nicht nur der langjährige Druckunternehmer der rechtsextremen Partei, sondern auch ihr Hauptgläubiger. Nach einem Prozess aufgrund nicht beglichener Schulden, der sich lange Monate hinzog, hat Ferdinand de Rachinel nun am 11. Februar 09 vor ddem Berufungsgericht in Versailles ein rechtskräftiges Urteil gegen den FN erzielt. Dieser muss ihm nun alsbald knapp sieben Millionen Euro – davon 6,3 Millionen Schulden, und 600.000 Euro Schadensersatz – zurückzahlen.

Bislang hat der FN es noch nicht geschafft, den schon seit über einem Jahr angekündigten Verkauf des (zu groß gewordenen) früheren Parteisitzes im Pariser Nobelvorort Saint-Cloud zur Sanierung seiner Finanzen auch zu realisieren. (Einen neuen, kleineren und billigeren, Sitz in Nanterre hat der FN längst bezogen, seit Juni 2008.) Sollte es der Parteispitze auch weiterhin nicht gelingen, den Verkauf – zu in ihren Augen günstigen Konditionen – durchzuführen, so kann de Rachinel aufgrund des Urteils aber nunmehr selbst eigenständig Anteile an dem Parteisitz veräußern. Notfalls auch hinter dem Rücken von FN-Chef Jean-Marie Le Pen, der dann aber größere Mühe hätte, einen nicht mehr vollständigen Anteil an dem Riesengebäude getrennt zu verscherbeln.

Die finanzielle Sanierung des FN steht also ebenfalls noch auf längere Sicht hin aus. Auch wenn der Anwalt der Partei, Wallerand de Saint-Just, in einem (Audio-)Interview auf der Homepage der Pariser Abendzeitung ‚Le Monde’ am 12. 02. eilfertig versicherte, das ungünstige Urteil werde „keinerlei Einfluss“ auf die Arbeit der Partei ausüben.

Aber die wichtigsten Sorgen für den FN dürften dennoch nicht finanzieller, sondern politischer Natur sein. Es bleibt zu fragen, ob es den – bislang unter unterschiedlichen Bannern versammelten – „Dissidenten“ gelingen wird, sich zusammenzuschließen. Darauf deutet hin, dass es am Montag, den o9. März nachmittags in einem Pariser Nobelhotel zu einer gemeinsamen Pressekonferenz von Repräsentanten unterschiedlicher Abspaltungen vom FN kommen wird. An ihr nehmen Carl Lang und Jean-Claude Martinez – die aktuellen Anführer der wichtigsten „Dissidenten“listen bei den EP-Wahlen – teil, aber auch die aktuelle Chefin des MNR, Annick Martin, sowie Robert Spieler als „Generalbeauftrager“ der 2008 gegründeten NDP („Neue Rechte der kleinen Leute“).

Der MNR, der historisch als erste Abspaltung nach der „Hochphase“ des Front National in den neunziger Jahren entstand (1999), war in den letzten Monaten eher klinisch tot erschienen. Doch in jüngster Zeit scheint die Aussicht auf eine Verständigung mit anderen „Dissidenten“gruppierungen, deren Austritte neue Aderlasse für den Rumpf-FN bedeuteten und die „frisches“ Kaderpotenzial mitbringen, ihn wieder beflügelt zu haben. In aggressiv formulierten Presseaussendungen nahm die Partei, deren früherer Chef Bruno Mégret im Mai 2008 seinen Rückzug aus der aktiven Politik angekündigt hatte (um im September kurz zurückzukehren, mit dem Ziel, die auf eine Annäherung an Marine Le Pen hin arbeitenden Vorstandsmitglieder abzusetzen), Stellung zu aktuellen Orientierungsfragen auf der extremen Rechten.

Le Pen, der Iran und der MNR

Voraus gingen im Februar 2009 zwei Gelegenheiten, bei denen Jean-Marie Le Pen einer scharfen innerrechten Kritik eine offene Flanke bot. Auch wenn es sich bei ihm nur um einen neuen Aufguss schon früher bekannter Positionierungen oder Posen handelt, so riefen seine beiden fraglichen Stellungnahmen doch wiederum Aufruhr innerhalb der extremen Rechten hervor. So hatte Jean-Marie Le Pen in seinem Interview, das am 15. Februar in einer Sonntagszeitung erschien, proklamiert, falls es 2012 (bei der kommenden Präsidentschaftswahl) zu einer Stichwahl zwischen Nicolas Sarkozy und Martine Aubry käme, dann würde er sich wohl für Madame Aubry entscheiden. Also für die Sozialdemokratin, gegen den Konservativ-Wirtschaftsliberalen. Dies bedeutet allerdings nur die Nachahmung einer Positionierung, die er schon in den neunziger Jahren mehrfach einübte (infolge des Kurses der Konservativen auf strikte Bündnisverweigerung gegenüber dem FN, der – anders als in den Achtzigern, wo es Bündnisse gegeben hatte – seit 1992 bei den Rechtsparteien offiziell galt): Im Namen einer „Politik der verbrannten Erde“ – die Formulierung fiel 1992 in der konservativen Tageszeitung ‚Le Figaro’ – rief Le Pen dazu auf, eine bündnisunwillige Rechte mit allen Mitteln abzustrafen. Notfalls auch, durch eine Art von „Spiel über die Bande“ im Sinne der Billardregeln, durch einen „vergifteten“ oder „widernatürlichen“ Stimmaufruf zugunsten der Linksparteien. Dies hatte er 1992 und 1996 mehrfach praktiziert.

Und Anfang Februar 2009 hatte Jean-Marie Le Pen sich vom schiitischen Zentrum ‚Centre Zahra’ (einem stark antisemitisch geprägten Gemeindezentrum politisch völlig durchgeknallter Schiiten, in einem Vorort des nordfranzösi!schen Dunkerque) einladen und zum Interview bitten lassen. Darin pries er, aus Anlass des 30. Jahrestags der auch als „Islamische Revolution“ bezeichneten Machtübernahme der Khomeini-Anhänger in Teheran, den Iran als „unabhängige Nation“. Letztere lasse sich wenigstens nicht von den USA in die Suppe spucken. Indirekt verteidigte er auch ihr Recht auf den Besitz eigener Atomwaffe, da andere Mächte ja auch welche besitzen. Er endete auf die französische Formel „Gott ist groß“, eine französierte Variante – und ungenaue Übersetzung – des arabischen Ausdrucks ‚Allah-u akbar’ (Gott ist am größten). Auch dieser Auftritt Jean-Marie Le Pens ist nicht wirklich neu. Denn zwar hetzt er einerseits gegen moslemische Einwanderer in Europa, wofür er auch schon mehrfach gerichtlich verurteilt worden ist. (U.a. wurde Le Pens Aussage von 2003, in einigen Jahren werde es „25 Millionen“ Moslems in Frankreich geben – heute sind es circa 3,5 Millionen – „und dann werden die Franzosen gesenkten Blickes vom Trottoir weichen“, strafrechtlich als Hetze bewertet.) Doch andererseits nimmt Jean-Marie Le Pen aber mitunter islamistische Bewegungen oder Regierungen außerhalb Europas auch mal gern als „starke (d.h. autoritäre) Regimes, die auch gegen Kulturmischmasch eintreten“, wahr. Und manchmal – phasenweise, in unrgelmäßigen Abständen – bezieht er sich auch positiv auf sie. Jean-Marie Le Pen besuchte bspw. den türkischen islamistischen Ex-Regierungschef Necmettin Erbakan im August 1997 an der Ägäis; er nahm im Januar 1998 an einem Empfang zum damaligen 19. Jahrestag der Begründung der „Islamischen Republik“ in der iranischen Botschaft in Paris teil. Und er saß anlässlich der Fußball-WM im Juni 1998 beim Länderspiel USA gegen Iran auf einer Ehrentribüne auf iranischer Seite.

Aber ein Großteil der französischen extremen Rechten, für die Moslems ausschließlich hassenswert sind, versteht solcherlei Subtilitäten nicht. Dieses Interview einer Kopftuch tragenden, und gutes Französisch sprechenden, jungen Journalistin für das schiitische ‚Centre Zahra’ begann alsbald im Internet zu kursieren. Inzwischen gibt es sogar eine Variante mit deutschsprachigen Untertiteln, da eine – grottenschlechte und zum Teil sinnentstellend falsche – deutsche Übersetzung des Interviews durch die Moslemhasser und rechten Sozialdarwinisten von der üblen Homepage ‚Politically Correct’/PI vorgenommen worden ist. Diesen Vögeln bietet die umstrittene, und in ihren Augen vollkommen falsche, Positionierung Jean-Marie Le Pens den willkommenen Anlass, um zu beweisen, dass sie selbst keine Rechtsradikale – sondern vielmehr vernünftige Konservative seien. In Wirklichkeit handelt es sich eher um zwei konkurrierende Varianten von Rechtsradikalismus, wobei die PI-Variante sicherlich stärkere Brücken zum „normalen“ bürgerlichen Lager aufweist als jene des alternden Jean-Marie Le Pen.

In einem sehr offensiv formulierten Pressekommuniqué griff deswegen der MNR den alten, früheren „Übervater“ der gesamten extremen Rechten in Frankreich scharf an. Unter der Überschrift „Le Pen islamophil“ wurde nicht allein die „Islamfreundlichkeit“ des inzwischen schon recht schief im Sattel sitzenden FN-Vorsitzenden angegriffen. Die Presseaussendung des MNR vom 23. Februar o9 versucht auch, eine Verbindungslinie zwischen beiden umstrittenen Stellungnahmen von Jean-Marie Le Pen zu ziehen: Aufgrund seiner „Islamophilie“ könne Le Pen auch eine Vorliebe für Martine Aubry (gegenüber Präsident Sarkozy) an den Tag legen, denn Aubrys Ehemann – Descamps – verteidige als Anwalt schließlich Islamisten.

Den Ideologiestreit innerhalb der extremen Rechten (wo die „nationalrevolutionäre“ Fraktion und Alain Soral eher noch schärfere pro-iranische Position einnehmen) und ihre inneren Auseinandersetzungen über „den Islam“ dürfte der MNR dadurch nicht beendet haben. Aber bei den neuen „Dissidenten“ wie Carl Lang, der bei jeglichem „Weichwerden“ von Teilen der extremen Rechten gegenüber Moslems stets die Keule der „Verteidigung des Abendlands“ hervorzog, oder dem Ultrakatholiken Bernard Antony dürfte die MNR-Position allemal zugkräftig sein. Unter diesen Kräften dürfte leicht ein Konsens über einen Abwehrkampf für das „christliche Abendland“ – das unterschreibt in aller Regel auch Carl Lang, Neuheidentum hin oder her, vielleicht unter Hinzufügung der „keltischen Wurzeln“ – herzustellen sein. Er ermöglicht auch leicht einen Brückenschlag in konservative Kreise, die über „antiwestliche“ außenpolitische Positionen (wie jene der Nationalrevolutionäre, oder Le Pens jedenfalls in der Iranfrage) höchstens die Nase rümpfen würden.

NDP und ‚Parti de la France’ in KÖLN erwartet

Am o9. Mai 2009 möchte die Kölner rassistische Regionalpartei Pro Köln ihren „Anti-Islamisierungs-Kongress“ – nachdem sie mit ihrem ersten Anlauf am 20. September 08 kläglich gescheitert war – in der Rheinmetropole wiederholen.

Dazu erwartet die, laut eigener Wortwahl „rechtspopulistische“, Regionalpartei auch wieder Besuch aus Frankreich. Doch im September des Vorjahres hatte sie eher unangenehme Erfahrungen mit Jean-Marie Le Pen machen müssen: Er hatte nicht nur abgesagt, sondern noch dazu – fünf Tage vor dem Termin der Veranstaltung von Pro Köln – ihre Organisatoren in der Kölner Regionalpresse öffentlich als „Lügner“ hingestellt. Denn Letztere hatten ihn als Stargast angekündigt, während Le Pen davon (tatsächlich oder angeblich) keine Kenntnis hatte. Der sehr reale Alterstarrsinn des 80-, demnächst 81jährigen FN-Gründervaters und –“Präsidenten“ dürfte die Dinge dabei, aus Sicht der Kölner Veranstalter, nicht erleichtert haben.

Dieses Mal könnten sie, aus ihrer Sicht, eine „bessere“ Wahl getroffen haben. Doch freilich sind die neuen Gäste bei weitem nicht so prominent, und grenzüberschreitend bekannt, wie „der Alte“.

In einer Presseaussendung aus der ersten Märzwoche 2009 kündigte Pro Köln an, dass sowohl Aktivisten der „Wählerinitiative des EU-Abgeordneten Carl Lang“ (also, sprich, des frisch gegründeten so genannten ‚Parti de la France’) als auch „der NDP von Robert Spieler“ an dem Ereignis teilnehmen würden. Zu ihm würden nunmehr „Hunderte von Franzosen“ in der „Kölner Innenstadt“ erwartet. (Ja, wenn die Sache denn überhaupt in der Innenstadt der Rheinmetropole stattfinden kann…) So heißt es in der E-Mail-Aussendung, um mit den großspurigen Worten fortzufahren: „Es lebe die deutsch-französische Freundschaft!“

Im Augenblick tun sich da freilich nur Splittergruppen dies- und jenseits des Rheins zusammen. Weil sie es erst noch nötig haben, einen gewissen Bekanntheitsgrad zu erringen, dürften sich „die Franzosen“ von den FN-Spaltprodukten sicherlich als reisefreudiger erweisen, im Vergleich zum alternden „Chef“ Jean-Marie Le Pen. Doch der Versuchung, durch Reisekadertätigkeit fehlende reale Bedeutung und Verankerung zu ersetzen, sollten sie vielleicht doch lieber nicht erliegen…

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