Rechtsdrehender Walzer

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Rechtsextreme Burschenschaften laden in Wien zum Tanz. Auf dem Ball des Wiener Korporations-Rings sind aber nicht nur Akademiker, sondern auch Politiker aus ganz Europa gern gesehene Gäste…

Von Flora Eder
Jungle World 4 vom 22. Januar 2009

Schwarzbraune Fiaker vor schweren, großen Toren, mit rotem Samt verkleidete Wände und Gemälde in Goldrahmen – welcher Ort würde sich für einen Ball konservativer und rechtsextremer Akademiker besser eignen als die Wiener Hofburg? In unmittelbarer Nähe des Heldenplatzes – auf dem 1938 das Publikum den Anschluss Österreichs an Deutschland bejubelte – werden sich am 30. Januar einmal mehr diejenigen tummeln, die in deutschnationalen Kreisen Rang und Namen haben. Zum mittlerweile 56. Mal lädt der Wie­ner Korporations-Ring (WKR) in die prächtigsten Räume Österreichs zum »größten couleurstudentischen Gesellschaftsereignis im deutschsprachigen Raum«.

»Der Ball ist eine eminent politische Veranstaltung und eine Demonstration von Burschenschaften, die damit ihr Selbstbewusstsein zeigen. Sie sagen: ›Da, schaut’s her, wir sind hier in der Hofburg, wir sind die Herren, die Mitte der Gesellschaft, der Mainstream‹«, sagt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) im Gespräch mit der Jungle World. Was in Deutschland Peham zufolge nicht möglich ist, stört in Österreich kaum jemanden. Abgeordnete des österreichischen Parlaments, Vorsitzende großer Parteien und Rektoren zahlreicher Universitäten zeigen nicht nur Wichs und Schmiss, sondern auch ihr gutes Verhältnis zu rechtsextremen Burschenschaften wie Olympia, Cimbria oder Teutonia.

Bei den Parlamentswahlen im vergangenen September, als insgesamt 28 Prozent der Wählerinnen und Wähler für Heinz Straches Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) und Jörg Haiders Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) stimmten, ist das »dritte Lager« zur zweitstärksten Gruppe im österreichischen Parlament geworden. Elf Abgeordnete der FPÖ und ein Abgeordneter des BZÖ sind korporiert. Die Burschenschafter geben vor allem in der FPÖ den Ton an, die auch ihre Mitarbeiter aus diesen Kreisen rekrutiert. Häufig sind sie nicht mehr weit davon entfernt, gegen das Gesetz gegen nationalsozialistische Wiederbetätigung zu verstoßen, wie u.a. der FPÖ-Abgeordnete Martin Graf, der zum dritten Präsidenten des Parlaments gewählt wurde, und seine Mitarbeiter zeigen.

Graf, ein Stammgast des WKR-Balls, ist selbst Mitglied der Burschenschaft Olympia. Er ließ unter anderem mit einer Aussage über Norbert Burger, den Gründer der wegen NS-Wiederbetätigung aufgelösten Nationaldemokratischen Partei (NDP), aufhorchen: »Ich habe Norbert Burger immer geschätzt und tue das auch über seinen Tod hinaus.«

Graf machte bekannte Rechtsextremisten zu seinen Mitarbeitern. So waren sein Büroleiter und sein Mitarbeiter Sebastian P. die Ansprechpartner für die »Sommerlager« des rechtsextremen »Jugendbunds Sturmadler«. Eine Fahne mit der Aufschrift »Ich bin stolz ein Deutscher zu sein«, zwei Reichkriegsflaggen sowie ein T-Shirt mit der Aufschrift »Ich bereue nichts«, auf dem das Konterfei von Rudolf Heß zu sehen war – das hat P. 2004 beim »Aufruhr-Versand« bestellt, wie aus einer der Jungle World vorliegenden Bestellliste hervorgeht. Marcus Vetter, ein weiterer Mitarbeiter Grafs, steht seinem Kollegen dem DÖW zufolge aber in nichts nach. »Wir haben Fotos, die Vetter mit amtsbekannten Neonazis wie Gottfried Küssel zeigen. Küssel, Gründer der außer­parlamentarischen Opposition, ist der wichtigste und bekannteste österreichische Neonazi. Und genau in diesem Milieu ist auch die Olympia positioniert«, sagt Peham.

Wer mittwochs um 12 Uhr am Hauptgebäude der Wiener Universität vorbeikommt, wird auf P. und seine Kameraden in voller Montur stoßen. In Kappe, Schärpe und Sakko treffen sich Wiener Burschenschafter auf der Rampe des klassizistischen Gebäudes an der Ringstraße einmal in der Woche zum »Couleurbummel« – ein Traditionsspaziergang, der an einer kleinen Statue im Innen­hof der Universität endet. Dieser »Siegfriedskopf« wurde 1923 von der antisemitischen »Deutschen Studentenschaft« für alle im Ersten Weltkrieg gefallenen Studenten und Lehrer errichtet. Der Farbenbummel bringt neben den zehn bis 15 Burschenschaftern auch regelmäßig Gegenveranstaltungen und ein großes Polizeiaufgebot mit sich. Auf einer Gegendemonstration, die nach Grafs Ernennung zum dritten Nationalratspräsidenten von der Universität weiter zum Parlament zog, tauchte Sebastian P. auf: Fotos und Augenzeu­genberichten zufolge war er einer derjenigen, die Antifaschistinnen und Antifaschisten angriffen.

»Anhand des WKR kann man gut die Scharnierfunktion zwischen legalem Rechtsextremismus und illegalem Neonazismus erkennen, der dann auch relevant für das Verbotsgesetz ist«, sagt Peham. So gehört das »Totengedenken« am 8. Mai zu den Tätigkeiten des Vereins. Das Datum wird als »Tag der totalen Niederlage« (Olympia) begangen. Aufzeichnungen des DÖW zufolge ist auch der FPÖ-Vorsitzende Strache schon als Redner aufgetreten – und Küssel unter den Zuhörern gewesen. Zusätzlich lädt der WKR gemeinsam mit der als rechtsextrem eingestuften »Österreichischen Landsmannschaft« Mitte Juni alljährlich zur »Sonnwendfeier«. Anwesend sind zu dieser Gelegenheit immer wieder bekannte FPÖ- und BZÖ-Mitglieder wie Ewald Stadler, Johann Gudenus und Strache.

Doch nicht nur Österreichs rechtsextreme Prominenz fühlt sich auf den Veranstaltungen des WKR gut aufgehoben. Sie ziehen auch Jahr für Jahr zahlreiche Gäste aus Deutschland an. Allerdings erschienen in jüngster Zeit merklich weniger Professoren. Dazu hat vermutlich der Skandal um Wolfgang Herrmann im Jahr 1998 beigetragen. Der Präsident der Münchner TU hatte damals den »Ehrenschutz« des WKR-Balls übernommen und musste sich unter anderem in der Süddeutschen Zeitung dafür entschuldigen. Die österreichischen Kollegen hingegen waren nicht sonderlich beeindruckt: Noch immer sind fünf der 21 österreichischen Rektoren im akademischen Ehrenkomitee des WKR-Balls vertreten.

Auch die Kameraden aus dem Europa-Parlament (EP) betraten im vergangenen Jahr das Parkett. Ohnehin in Wien, um über die rechtsex­treme Fraktion im EP zu diskutieren, besuchten der Vorsitzende des Front National, Jean-Marie Le Pen, Frank Vanhecke vom belgischen Vlaams Belang und »Gleichgesinnte aus Bulgarien« den Ball. Auch in diesem Jahr ist internationales Publikum zu erwarten, gilt es doch, Gespräche über die EU-Wahlen im Juni zu führen.

Das Ableben des sonst auf dem WKR-Ball so gern gesehenen Stammgasts Jörg Haider dürfte nicht unbedacht bleiben. »Bei aller Kritik der Burschenschaften an Jörg Haider – ihm wurde es ja nie verziehen, als er in den Neunzigern das Abrücken von der Deutschtümelei hin zum aggressiven Österreichpatriotismus verordnete – ist es sehr gut möglich, dass zum Beispiel eine Schweige­minute für ihn eingelegt wird«, vermutet Peham.

Eine Demonstration gegen den WKR-Ball fand erstmals 2008 statt. Etwa 350 Personen zogen durch die Innenstadt und blockierten anschließend einige Straßen. Auch für dieses Jahr sind Demonstrationen geplant. Unter dem Motto »Burschis in die Pfanne hau’n« wird zu Protesten gegen »den rechtsextremen WKR-Ball, Revisionismus und völkische Tradition« aufgerufen.

Zumindest im Internet haben die Burschenschafter bereits mit Problemen zu kämpfen. Nachdem die Wahl Martin Grafs und die Bestellung seiner Mitarbeiter beim Aufruhr-Versand große Beachtung in den Medien gefunden hatte, begaben sich anscheinend zu viele Neugierige auf die »Olympenseite«. Die technischen Möglichkeiten seien »für ein solch enormes Interesse nicht ausgelegt«, ist dort nun zu lesen – die Seite musste »kurzfristig vom Netz« genommen werden.