Vatikan und Pius XII.: Der Papst, der schwieg

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Papst Pius XII. ist noch immer hochumstritten: Von 1939 bis 1958 im Amt, prangerte er nie den Holocaust an. Der Vatikan will ihn trotzdem seligsprechen, eine Berliner Ausstellung dient diesem Ziel…

Von Philipp Gessler, taz v. 22.01.2009

Diese Ausstellung ist ein Skandal. Und sie zeigt, wie die Reaktionäre im Vatikan triumphieren.

Man könnte beides auch vorsichtiger formulieren, diplomatischer sozusagen. Oder ganz vornehm öffentlich schweigen, weil das Thema etwas Unangenehmes hat und man sich so Feinde schafft. So wie Papst Pius XII. das zu machen pflegte – ad maiora mala vitanda, um Schlimmeres zu verhindern. Womit wir mitten im Thema wären: bei einer Ausstellung des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften. Sie ist ab dem Freitag im Neuen Flügel des Berliner Schlosses Charlottenburg zu sehen und zeigt das Leben des umstrittensten Papstes der letzten hundert Jahre: Pius XII.

Eugenio Pacelli, so der bürgerliche Name von Pius XII., lebte von 1876 bis 1958 – in seinen letzten 19 Jahren saß er auf dem Thron Petri. Pacelli soll selig gesprochen werden, es ist die Vorstufe zur Heiligsprechung. Der heutige Papst Benedikt XVI. hat das Dekret zur Seligsprechung des asketischen Intellektuellen schon unterschriftsreif auf seinem Schreibtisch, wenn man richtig deutet, was sein Sprecher Federico Lombardi jüngst gesagt hat. Doch Joseph („Wir sind Papst“) Ratzinger zögert noch, braucht noch Zeit „zur Vertiefung und zur Reflexion“, so Lombardi. Der Grund ist klar: Kann man einen Papst seligsprechen, der zum Holocaust schwieg?

Hoppla, das ist jetzt rausgerutscht! Die Berliner Ausstellung besagt dagegen: „Pius XII. hat zum Holocaust nicht geschwiegen“, so die Ausstellungsmacher in einem Begleittext. „Jeder, der die biografische Ausstellung über Pius XII. ohne ideologische Scheuklappen betrachtet, wird feststellen, dass der Vatikan hier nicht Apologetik, sondern sachliche Aufklärung leistet.“ Die Ausstellung ist „auf Wunsch des Papstes organisiert worden“, betonte Walter Brandmüller bei der Vorstellung der Schau. Der Prälat ist der Präsident des päpstlichen Komitees und der Hauptverantwortliche für die Ausstellung mit dem Titel „Opus Iustitiae Pax. Eugenio Pacelli – Papst Pius XII“.

Der Kern der Ausstellung, die bisher nur in einem Flügel der Kolonnaden des Vatikans am Petersplatz zu sehen war: Raum 7. Mit der dreisten Überschrift an der Stirnwand: „Hier hören Sie das Schweigen des Papstes.“ Zu sehen ist eine Bronzebüste von Pius XII. vor einem alten Mikrofon. Dahinter an der Wand der angebliche Beweis, dass der Schweige-Papst zum Völkermord an den Juden eben nicht geschwiegen habe.

Dieser angebliche Beweis ist ein Zitat aus der Weihnachtsansprache von Pius XII. am 24. Dezember 1942. Darin sagte der Papst: „Dieses Gelöbnis schuldet die Menschheit den Hunderttausenden, die persönlich schuldlos bisweilen nur um ihrer Volkszugehörigkeit oder Abstammung willen dem Tode geweiht oder fortschreitender Verelendung preisgegeben sind.“ Daneben steht, weil wohl doppelt gemoppelt besser hält, ein Zitat des Papstes vor seinen Kardinälen am 2. Juni 1943. Er sagte, seine „besonders innige und bewegte Anteilnahme“ gelte denjenigen, „die wegen ihrer Nationalität oder wegen ihrer Rasse von größtem Unheil und stechenderen und schwereren Schmerzen gequält werden und auch ohne eigene Schuld bisweilen Einschränkungen unterworfen sind, die ihre Ausrottung bedeuten“.

Das wars. Das also ist der offizielle Beleg des Vatikans dafür, dass der erwiesenermaßen wohlinformierte Pius XII. angesichts eines Völkermords an sechs Millionen Menschen mitten in Europa nicht geschwiegen habe. Das Wort Juden kam Pacelli nicht über die Lippen, Massenmord oder Hitler erst recht nicht. Dafür irritierende Relativierungen wie „persönlich schuldlos bisweilen“, „auch ohne eigene Schuld bisweilen“ oder „Einschränkungen“, was schon fast euphemistisch klingt. Der damalige britische Gesandte beim Heiligen Stuhl erklärte angesichts der mehr als schwammigen Worte des Papstes zum Judenmord, seine Rede könnte „ebenso gut das Bombardement deutscher Städte gemeint haben“. Und diese windelweichen Andeutungen von Pius XII. dienen dem heutigen Papst und den Ausstellungsmachern als Beleg dafür, dass der Schriftsteller Rolf Hochhuth völlig falsch lag, als er in seinem „Stellvertreter“ 1963 schrieb: „Ein Stellvertreter Christi, der das vor Augen hat und dennoch schweigt, ein solcher Papst ist ein Verbrecher.“

Kein Wunder, dass sich Rolf Hochhuth schon im Vorfeld der Ausstellungseröffnung mit einem ihrer Macher öffentlich gestritten hat. Man kann seinen Ingrimm verstehen. Denn in der Ausstellung und bei der Vorstellung der Schau wurde und wird nicht nur sein epochemachendes Drama als unhistorisch abgekanzelt – als müsste ein Theaterstück geschichtswissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Auch die anhaltende Wut Hochhuths über den mutlos-sprachlosen Papst ist verständlich, vergleicht man etwa die verhuschte Reaktion von Pius XII. angesichts des Völkermords an den Juden mit seinem lauten, öffentlichen Protest bei der Verhaftung und Verurteilung eines einzelnen Menschen, nämlich von Kardinal Joseph Mindszenty. Dieser Primas der katholischen Kirche in Ungarn wurde von den Kommunisten im Februar 1949 wegen „Spionage“ zu lebenslanger Haft verurteilt. Pius XII. protestierte prompt vor dem diplomatischen Korps gegen Mindszentys Prozess und hielt eine Solidaritätsmesse für ihn – die Millionen Tote der Shoah waren dem Römer dagegen keine Messe wert. Übrigens heißt die Mindszenty-Tafel in der Schau „Kirche des Schweigens“. Der schweigende Papst ist nicht gemeint.

Die Nicht-Haltung des Papstes gegenüber den Juden ist auch innerkirchlich ein Skandal: Während in Deutschland und im von den Nazis besetzten Teil Europas Tausende einfache katholische Geistliche öffentlich gegen den Judenmord protestierten, Juden halfen und ins KZ verschleppt wurden, wobei über 2.000 von ihnen starben, hielt Papst Pius XII. im fernen Rom diplomatische Leisetreterei gegenüber den Nazis für das einzig mögliche Mittel. Sicher, Pius XII. hat auch vielen Juden geholfen. Er hat sie, vor allem nach der deutschen Besetzung Roms im Herbst 1943, in Klöstern verstecken lassen, was in der Ausstellung groß gefeiert wird. Die katholischen Bischöfe der Niederlande protestierten nach der Besetzung ihres Landes durch die Wehrmacht öffentlich gegen die bevorstehenden Deportationen der Juden – was die kontraproduktive Folge hatte, dass die Besatzer jetzt erst recht gezielt zum Katholizismus konvertierte Juden jagten. Aber reicht diese mögliche Angst des Papstes um seine eigenen Schäfchen als Entschuldigung dafür, zum millionenfachen Mord an den Juden zu schweigen?

Unnötig zu erwähnen, dass die Ausstellung natürlich auch die „Rattenlinie“ nicht erwähnt. Darunter versteht man die Hilfe unter anderem päpstlicher Behörden nach 1945 bei der Flucht von Nazi-Massenmördern wie Josef Mengele und Adolf Eichmann nach Lateinamerika. Darauf angesprochen, erklärte ein Mitarbeiter der Ausstellung, der Potsdamer Historiker Thomas Brechenmacher, bei der Vorstellung der Schau: Es sei klar, dass Papst Pius XII. bei dieser Hilfe für NS-Schwerverbrecher „keinen Anteil hatte“ und dies auch niemals gebilligt hätte. Der Witz ist: Das kann mit letzter Sicherheit niemand sagen. Denn die vatikanischen Archive zur Amtszeit von Pius XII. von 1939 bis 1958 werden nach Auskunft des Papstsprechers Lombardi frühestens im Jahr 2014 geöffnet.

An dieser Stelle wird die Berliner Ausstellung und die geplante Seligsprechung des wortreich-schweigenden Papstes zum Politikum. Denn ungezählte jüdische Organisationen im In- und Ausland haben bereits gegen die wohl zu erwartende Beatifikation von Pius XII. protestiert – auch mit Verweis auf die noch nicht geöffneten Archive des Vatikans. Das Verhältnis jüdischer Verbände Italiens zum Papst ist wegen der Pius-Verehrung Ratzingers und wegen dessen Förderung der tridentinischen „lateinischen“ Messe zerrüttet. Schließlich wird in dieser Liturgie für die Bekehrung der Juden gebetet. Benedikt XVI. aber pusht diese alte Messe, um den ultrakonservativen Kräfte in seiner Weltkirche zu gefallen. Diesem Ziel dienen auch die offiziellen Lobhudeleien für Papst Pius XII. Der vorkonziliäre Papst ist für viele Reaktionäre ein Symbol der angeblich so guten alten Welt des Katholizismus. Da ist es fast frech, wenn die Ausstellungsmacher wie jüngst der Papst nun versuchen, den erzkonservativen Pius XII. als angeblichen Vorbereiter des Konzils darzustellen – um seinen Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen. Übrigens besuchte am Donnerstag Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Vatikan auch das Grab Pius XII. Ausgerechnet.

So sucht das Gespenst des Pius XII. die Kirche noch heute heim. Nicht zuletzt die Pius-Verehrung hat zwischen dem Vatikan und Israel in letzter Zeit zu heftigem Streit geführt. Unter diesem schlechten Stern steht auch die für den Frühling geplante Reise des Papstes nach Israel. Im Oktober 2008 erklärte der israelische Minister Jitzhak Herzog, eine Selig- und Heiligsprechung von Pius XII. sei nicht hinnehmbar. Herzog ist ein Enkel des ersten aschkenasischen Oberrabbiners Israels, Isaac Herzog. Dieser hatte 1943 Papst Pius XII. um Hilfe bei der Rettung ungarischer Juden gebeten. „Mein Großvater spürte nach einer Audienz beim Papst das Bedürfnis, ein Reinigungsbad in der Mikwe in Rom zu nehmen“, erzählte sein Enkel. Man kann Isaac Herzog gut verstehen.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der taz – die tageszeitung
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88 Kommentare

  1. Zurück zu Pius XII:
    Besier, Gerhard; Piombo, Francesca: Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland. München 2004.
    „Dennoch waren laut Besier Pius XI. und sein Staatssekretär Pacelli überzeugt, das katholische Programm in den autoritären Staaten Europas durchsetzen zu können. Der Kardinalfehler des Vatikans und insbesondere Pacellis hätte dabei darin bestanden, trotz intimer Kenntnisse Deutschlands die dortigen Verhältnisse zu sehr durch die italienische Brille wahrzunehmen, sprich: Die radikalen Kräfte des Nationalsozialismus wurden bei weitem unterschätzt …“
    „Im Gegensatz zu anderen politisch handelnden Gemeinwesen wird der Vatikan jedoch nicht primär als Staatswesen, sondern als moralische Institution gesehen, die Wertmaßstäbe ausgibt, mit denen sie sich auch selbst messen lassen muss. Dieses Ergebnis fällt bei Besier kaum zugunsten der Nachfolger Petri aus. Der Vatikan konnte der nationalsozialistischen Weltanschauung inhaltlich nichts abgewinnen und stand ihr teilweise scharf ablehnend gegenüber, gleichwohl habe er – so Besier – den Nationalsozialismus wie die anderen faschistischen Systeme Europas zur Durchsetzung eigener weltanschaulicher Interessen benützen wollen. Dies sei im Falle Hitler-Deutschlands jedoch fundamental gescheitert und mündete in einer Katastrophe.“
    http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-2-052
    Das bestätigt meine Einschätzung: der Kath. Kirche ging und geht es primär um „das katholische Programm“. Wenn es der „Durchsetzung eigener weltanschaulicher Interessen“ dient schließt sie auch einen Pakt mit dem Teufel (Pius XI. Zitat nach Hesemann, siehe weiter oben im Thread).

  2. Lieber Herr Hesemann,
    Sie argumentierten geschickt. Ich habe aber schon sehr oft mit Christen diskutiert, so dass die Arg.figuren kenne. Und ich habe die folgende auch schon hier als unzulässig verworfen. Ich tue es nochmals.
    Wenn es um die guten Taten geht, wird es meistens der Organisation (hier: kath. Kirche) oder dem Obersten (hier: Pius XII.) zugeschrieben. Sie werden wohl kaum behaupten Pius XII. habe persönlich 850.000 Juden vorm Tod gerettet. Wenn überhaupt, dann waren da viele Retter beteiligt.
    Wenn es um schlechte Taten geht, dann wird differenziert. Die Organisation ist es keinesfalls; sie besteht ja nur aus Einzelnen. Und was Faulhaber tat oder andere Bischöfe (Hudal; Linzer Bischof etc.) geht allein auf deren Konto.
    Also, ich greife Ihre Anregung auf: um die zahlreichen „Guten“ in der kath. Kirche geht es hier nicht, sondern um Pius XII.!
    Es geht also nicht um die 850.000, die von vielen Guten gerettet wurden, und nicht um die 12.105 Priester (gab es so viele überhaupt in Deutschland!?), sondern um Pius XII. = Pacelli!
    Von dem sind mir drei vage Enyzkliken, die den Angriffspunkt nicht mal benennen, und 2 öffentliche mündliche Verurteilungen der NS-Verbrecher in ca. 12 Jahren viel zu wenig.

  3. Edi,
    er hat ja nicht geschwiegen. Es gab Enzyklika um Enzyklika, in denen die braune Ideologie und der braune Rassismus angeprangert wurden, nach Mit brennender Sorge (1937) noch in Summi Pontificatus (1939) und Mystici Corporis (1943). Dazu die Weihnachtsansprache von 1942 und die Allukation von 1943. Nur dass seit 1939 das deutsche Volk und damit die eigentlichen Adressaten von der Nazi-Propaganda systematisch abgeschirmt wurden…
    Der Begriff „Kretin“ gehört auch nicht zu meinem Sprachgebrauch, doch wenn Herr Schlickewitz ihn gerne benutzen möchte, bin ich der letzte, der die Nazi-Verbrecher und KZ-Schärgen in Schutz nehmen würde. Ich würde allerdings einfach nur das Wort „Abschaum“ wählen. Inakzeptabel dagegen ist es, einen Historiker und Jesuitenpater als „Affenpinscher“ und „Pavian“ zu bezeichnen.
    Herr Huber,
    Es wurden nicht 12.105 Zwangsmaßnahmen ergriffen, sondern Zwangsmaßnahmen gegen 12.105 Priester. Die Bischöfe hat sich Hitler für die Zeit nach dem Endsieg „aufgehoben“, um nicht zu viel Unruhe bei der Bevölkerung zu verursachen. Das war eiskaltes Kalkül. Im besetzten Polen wurden vier Bischöfe ermordet!
    Kardinal Faulhaber hatte seine starken und seine schwachen Momente. Aber um ihn geht es hier nicht, sondern im Pius XII.!

  4. Lieber Herr Hesemann,
    ich kann Ihre Zahl nicht überprüfen. 850.000 scheint mir extrem hoch. Sie huldigen hier einem ethischen Konsequentialismus, von dem sich ansonsten gläubige Christen vehement distanzieren.
    Mixa „hat Frauen nicht als Gebärmaschinen bezeichnet.“ Ja hat er von Eichhörnchen geredet!? Quatsch. Mixa hat Frauen (nicht alle) als Gebärmaschinen bezeichnet. Das ist vom Standpunkt eines katholischen, zolibitären Mannes > 60 Jahre verständlich. In der Kath. Kirche hat die Frau noch nie viel gegolten. Ihr Sklavenbeispiel unterstützt meine Position.
    Wer sagt: In manchen Kulturen werden Frauen wie Eigentum, wie Sklaven behandelt werden, dann ist das eine wertende, verurteilende Feststellung. Richtig: wertden und verurteilend. Ebenso wertend und verurteilend hat Mixa Frauen (nicht alle) als Gebärmaschinen bezeichnet.
    Zu IHrem 4. Auch diese Zahl bzw. daraus resultierende Relation bezweifle ich. Wahrscheinlich sind hier reine Zwangsmassnahmen gezählt. Doch manche mutige Priester erfuhren viele Zwangsmassnahmen. Von 12.105 Zwangsmassnahmen kann man nicht gültig auf Zwangsmassnahmen gegen 12.105 Priester schliessen.
    Es ist IMO auch wenig zielführend diese Zahlen hochzuhalten, da es sehr viele Gegenargumente gibt.
    1) Tausende von Priester waren dem NS-Regime willfährig.
    2) Bischöfe waren nicht im KZ. Warum wohl?
    3) Faulhaber in einer Predigt am 6. Nov. 1938: 1. Pflicht ist es den rechtmässigen Staat zu bejahen; einordnen! 2. Pflicht: Ehrfurcht und Gehorsam der weltlichen Obrigkeit.
    Bedeutend deutlicher als in der Enzyklika wird hier Unterordnung, Ehrfucht und Gehorsam vor den NS-Verbrechern verlangt.

  5. Wenn schon überhaupt in diesem Zusammenhang das Wort „Kretin“ in Erwähnung gebracht werden könnte, dann nur so, dass als „Kretin“ bezeichnete von den Nazi-Herrenmenschen als lebensunwert betrachtet und ermordet wurden.

    Es ist schon traurig, wie wenig Diskussionskultur gewahrt wird, wie schnell zivilisatorische Standards über Bord gehen. Trotzdem war die Diskussion über weite Strecken sehr interessant. Mich interessiert dabei auch immer etwas über das Selbstverständnis der Akteure zu erfahren.

    Es bleibt: Wer sonst hatte, während der gesamten Nazizeit, die Gelegenheit große Teile der Bevölkerung mindestens einmal wöchentlich anzusprechen, von der Kanzel herab?
    Zwölf Jahre lang von solch exaltierter Position, vor einem dringend auf moralische Wegweisung angewiesenen Volk zu stehen und zu schweigen, das ist ein Menschheitsverbrechen, ein bitteres Versagen, ohne Vergleich. In Ewigkeit, Schande! In Ewigkeit sollten sie schweigen auch weiterhin. Pfui Teufel!!!

  6. Würde mir wünschen, dass das hier ein Ende findet, es ist festgefahren und Neues wohl kaum mehr zu erwarten.

    Bleibt die Hoffnung, dass die Archive des Vatikan möglichst bald zugänglich gemacht werden.

    Fakt allerdings ist und bleibt unwidersprechbar, dass der christliche Antijudaismus das jüdisch-christliche Verhältnis über die Jahrhunderte außerordentlich geprägt, das Denken und Fühlen weitester Teile der Bevölkerungen und auch des Klerus, selbstverständlich, im Zuge eines tatsächlich phylogenetischen Lernprozesses bestimmend determiniert hat.

    Der moderne Antisemitismus und damit auch der Rassenantisemitismus, Staatsideologie des nationalsozialistischen Deutschland, ist ohne christlichen Antijudaismus, dem Jahrhunderte lang andauernden Hass auf die Juden, als Vorläufer nicht denkbar.

    Hass ist, psychoanalytisch, immer mit dem Wunsch verbunden, dass gehasste Objekt zum Verschwinden bringen zu wollen, aus der Welt zu schaffen.

    Hier liegt auch die Erklärung dafür, dass im nationalsozialistischen Deutschland, in der Wehrmacht und auch innerhalb der von diesem besetzten Gebieten durchgängig sowohl kein Mangel an willigen Helfern herrschte, als auch das Verschwinden der Juden derart widerstandslos hingenommen worden ist.

    Bis heute fehlt die Einsicht, fehlt jegliches Verlustgefühl, ist die Annahme der Shoa in Verbindung mit Empathie, mit echt empfundener Trauer um die Opfer völlig abwesend.

    Statt dessen wird mit großem Aufwand nur Schuldabwehr und immer nur Schuldabwehr kultiviert, so auch von der Kirche, leider.

    Also – ich würde mir wirklich wünschen, dass, nicht zuletzt im Bewusstsein um den Holocaust, dieses unwürdige Geplänkel hier nun endlich ein Ende finden könnte!

    .

  7. Verehrte Bedenkenträgerin,

    finden Sie nicht, dass Sie Ihre Kritik etwas einseitig austeilen?

    Ich habe Herrn Hesemann der mehrfachen Unsachlichkeit, der Polemik und der Diffamierung („geifernder Fanatiker“ etc.)überführt.

    Auch Herr Huber und jim kritisierten seine fragwürdige Argumentation, bzw. konnten dieser nicht folgen.

    An Herrn Hesemann finden Sie nichts auszusetzen?

    Sind Sie seine Parteigängerin, kämpfen Sie mit für seine Sache? Für die fortgesetzte Verdummung Deutschlands, gegen Aufklärung und Durchblick für den Bürger? Oder warum kritisieren Sie nur mich?

    Bezüglich „halluzinatorischer Paranoia“: Maßen Sie sich wirklich an, dies gerecht beurteilen zu können?

    Überlegen Sie einmal! Da kommt einer auf die Idee, über Minderheiten zu forschen, aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten, ohne Unterstützung vom Staat, ohne Geld von einem Sponsor oder von sonst wem. Forscht über ein Unthema, über ein Thema, das Deutsche meiden wie der Teufel das Weihwasser, über die misslungene Integration von Ausländern (ich habe zunächst über Jugoslawen bzw. Serben in Berlin geschrieben).

    Es gibt Studien, die nachweisen, dass in keinem westeuropäischen Land Migranten es mit der Akzeptanz durch die Bevölkerung so schwer hatten wie bei uns. Studien, deren Resultate von den Soziologen wie von der Presse zurückgehalten und nicht veröffentlicht wurden und werden. Wegen ihrer wahrlich erschütternden Charakterisierung unserer deutschen, arbeitsorientierten, inhumanen Gesellschaft.

    Dann komme ich und breche mit meinen Forschungen und deren Veröffentlichung dieses Tabu. Mehr noch, ich widme mich auch noch einem Kapitel deutscher Sozialgeschichte, dass bewusst totgeschwiegen wurde, zu dem es bis dahin keine einzige umfassende Studie je gab, aus guten Gründen, wie Sie meiner Sinti-und-Roma-Chronik entnehmen können.

    Absehbaren Wiedergutmachungsforderungen in Milliardenhöhe durch Angehörige dieser Minderheit in Europa wollte man bei uns dadurch entgehen, dass man bewusst nicht näher und mehr zum Thema „Zigeuner“ forschte.
    Während etwa in Frankreich und in der Slowakei seit langem Institute zur Erforschung von Sinti und Roma existieren, gab es bei uns sehr lange gar nichts und erst seit relativ kurzer Zeit zwei Einrichtungen, deren Forschungen noch am Anfang stehen und deren Tätigkeiten jedenfalls noch zu keiner umfassenden Studie geführt haben, die allgemein erhältlich oder einsehbar wäre.

    Mit meiner Chronik habe ich als erster so eine Studie vorgelegt.
    Die Rezeption bzw. Akzeptanz jedoch war bescheiden. Außer von den Angehörigen der Minderheit, außer von deren Betreuern und einigen wenigen Spezialisten kaum ein Interesse an meiner Arbeit. Vor allem die etablierte Wissenschaft rümpfte die Nase. Die Presse ließ ebenfalls nach kurzem anfänglichem Interesse lieber die Finger von einer derart ‚heißen Kartoffel‘.

    Ich greife in der Chronik schließlich die Politik, die Kirchen, die Parteien, Ikonen deutschen Kulturlebens, deutsche Mythen und das deutsche, geradezu lächerlich idealisierte, Eigenbild an.

    Alles Dinge, die man lieber nicht an- oder aufgreift in einem Land, das Jahrhunderte lang an Minderheiten solche Verbrechen verübt hat, wie nirgendwo sonst. Denn, wie Sie allen gängigen Nachschlagewerken entnehmen können, man verschwieg und verschweigt, die Minderheitengeschichte soweit wie möglich.

    In meinen Beiträgen für haGalil habe ich den Umgang der Lexika mit Angaben zu Martin Luther und den Juden, zu Brunnenvergiftungslegenden, zu Ritualmordmärchen etc. untersucht und beschrieben; Sie können sie gerne nachlesen; Fazit – unsere Nachschlagewerke unterschlagen uns die historische Wahrheit, verschweigen uns unsere eigene, wenig ruhmreiche Minderheitengeschichte.

    Was glauben Sie, was passierte, wenn der deutsche Bürger großflächig feststellen würde, dass er von seinen Gelehrten, seinen Eliten, von seinen Politikern so betrogen, so um seine eigene Geschichte gebracht wurde?

    Ein breiter Vertrauensverlust in die Politik wäre die Folge. Gerade jetzt, in wirtschaftlich schweren Zeiten ein höchst unerwünschter Verunsicherungsfaktor!

    Was liegt also näher, als den Verursacher solchen möglichen Aufruhrs zum Schweigen zu bringen, ihn so einzuschüchtern, dass er endlich Ruhe gibt und nicht mehr an den liebgewonnenen Selbstlügen der Deutschen rütteln kann.

    Ich habe dem, was unter „In eigener Sache“ zu lesen ist, nichts hinzuzufügen. Ich werde weiterhin behelligt, wenn auch die schmerzhaften Attacken inzwischen auf ein schwächeres Maß heruntergefahren wurden.

    Deutschland hatte einmal eine Verfassung, die dem Bürger die Freiheit des Wortes garantierte und auf die man sich in der Regel verlassen konnte. Leider haben sich die Zeiten geändert und ich musste es büßen, weil ich für die Wahrheit eintrat.

    Mir diese Dinge zu glauben, fällt gewiss schwer, kann ich Ihnen gut nachfühlen. Ich hätte es wohl vorher auch niemandem abgenommen. Aber es ist die traurige Wahrheit.

    RS

  8. Lieber Herr Huber,

    mein Pius XI-Zitat stammt von einer Ansprache des Papstes am 14. Mai 1929 vor Studenten des Jesuitenkollegiums Mondragone, zitiert am Tag darauf im Osservatore Romano, S.1.
    Diplomtische Rücksichtnahmen statt offener Kriegserklärung ermöglichten des dem Vatikan, hinter der Maske der Neutralität Menschenleben zu retten – ganze 850.000! Das wäre im Fall eines offenen Kirchenkampfes nie möglich gewesen.
    Wenn Sie Christen als Getaufte definieren, dann waren die Nazis tatsächlich Christen. Aber sie sind meist schon früh vom Glauben abgefallen und haben sich der antichristlichen NS-Bewegung angeschlossen. Sie waren aber keine praktizierenden Christen, das ist schon ein Unterschied! Es gibt auch getaufte Abtreibungsärzte, deren Praxis ja auch von der Kirche verdammt wird.
    Ja, Bischof Mixa hat den Begriff „Gebärmaschinen“ in den Mund genommen, um anzuprangern, als was Frauen mißbraucht werden. Er hat Frauen nicht als Gebärmaschinen bezeichnet. Das ist ein großer Unterschied. Wenn ich etwa sage, dass in manchen Kulturen Frauen wie Eigentum, wie Sklaven behandelt werden, dann ist das eine wertende, verurteilende Feststellung – es bedeutet aber gerade NICHT, dass ich eine Frau für Eigentum oder eine Sklavin halte, sondern genau das GEGENTEIL!
    Aber lassen wir die „Nebenkriegsschauplätze“, konzentrieren wir uns bitte auf das Wesentliche, Pius XII.

    Da es unser bayerischer Volksverhetzer (er bezeichnete tatsächlich einen unbescholtenen Historiker und Jesuitenpater als „Affenpinscher“ und „Pavian“) unterlassen hat, sich offen für seinen „Ausraster“ zu entschuldigen, werde ich nur indirekt auf seine neuerlichen Verleumdungen eingehen.
    1. Schlickewitz bezeichnet mich als „Vom Vatikan bestallter Historiker“. Das ist Unsinn. Ich stehe nicht im Dienst des Vatikans, sondern arbeite als Historiker für die Pave-the-Way-Foundation des Juden Gary Krupp, die sich für eine Versöhnung zwischen Katholiken und Juden einsetzt.
    2. Schlickewitzens Heimathass ist ebenso unerträglich wie sein Katholikenhass. Gerade die Gegenreformation hat Bayern so vieles an Schönheit, Gelehrsamkeit und Identität geschenkt und letztendlich verhindert, dass das Land dem protestantisch-preussischen Militarismus erliegt. Dass es die Entwicklung Deutschlands zum preußisch geprägten Nationalstaat mit einer obrigkeitshörigen protestantischen Nationalkirche aufgehalten hat, ist wohl sein größtes Verdienst.
    3. Von großen Verlagen publiziert zu werden ist nicht unbedingt ein Indiz für die Seriosität des Hetzers Deschner. Auch Erich von Däniken wurde von Bertelsmann verlegt. Will Sch. ihn als seriösen Historiker bezeichnen?
    4. Natürlich haben die Nazis nicht gleich jeden Pfarrer nach Dachau geschickt, das hätte ja für Unruhe bei der Bevölkerung gesorgt. Tatsache ist aber, dass allein in Deutschland gegen 12.105 Priester Zwangsmaßnahmen (angefangen mit Predigtverboten) ergriffen wurden – also fast gegen JEDEN ZWEITEN DEUTSCHEN PRIESTER oder ein Drittel des gesamten deutschen Klerikerstandes!
    5. Wie es in Dachau im Priesterblock wirklich zuging, schildert der Internierte Jean Bernard („Priesterblock 25487“)!
    6. Dass in München eine andere Sozialstruktur herrscht als im Umland wird jeder Sozialwissenschaftler belegen können. Von München auf Bayern zu schließen hieße, ein sozialdemokratisches Bayern anzunehmen!
    7. Was auch immer Herr Sch. Pater Prof. Dr. Peter Gumpel unterstellt, es berechtigt ihn wohl nicht, einen Menschen als „Affenpinscher“ und „Pavian“ zu bezeichnen. Tatsache ist, dass Pater Gumpel das Wort „Christusmörder“ nie in den Mund genommen hat. Noch weniger hat er „die Märchen von der jüdischen Schuld am Kommunismus“ erzählt. Er hat lediglich festgestellt, dass auch Juden Opfer der kommunistischen Propaganda Rolf Hochhuths werden können, wie viele andere auch. Und er hat das oberflächliche Vorgehen und die vorschnelle Konzentration auf die Forderung nach einer Öffnung der Archive gerügt; die Kommission hätte sich besser zunächst mit dem befasst, was bereits veröffentlicht ist und in der 8500-seitigen Vatikan-Edition vorliegt! Eine solche Kritik eines Historikers an der Arbeit einer Kommission ist wohl mehr als legitim – selbst dann, wenn diese zur Hälfte aus Juden besteht. Ich denke, niemand ist über jede Kritik erhaben, kein Katholik und auch kein Jude. Wer hier von „antisemitischen Äußerungen“ spricht, wenn nur eine sachliche Kritik an einer Arbeitsweise geäußert wird, macht sich nur unglaubwürdig und mißbraucht die berechtigte Sorge um Antisemitismus zu demagogischen Zwecken.

  9. Sehr geehrter Herr Schlickewitz,
    was soll dieses aggressive Kraftmeiern? Grundsatz sollte doch auch bei einer Disputation, selbst wenn die Meinungen mal so richtig diametral aufeinanderprallen, der Grundsatz „Mensch bleiben!“ sein. Da Sie sich auf einen über 50 Jahre langen Lebensweg in Bayern berufen, sollte Ihnen das Diktum „Leben und leben lassen“ geläufig sein. Dehumanisierungstendenzen „Affenpinscher, Paviane…“ sind Ausdruck totalitären, verzerrten Denkens und nicht akzeptabel.
    Beim Blick auf Ihre durchaus wohlgestaltete Homepage lohnt zum besseren Verständnis Ihrer Persönlichkeit ein Klick auf „In eigener Sache“. Ob das nicht Ausdruck halluzinatorischer Paranoia ist? (http://www.sintiromabayern.de/kohler_1.pdf)
    Vielleicht versuchen Sie, sich in eine Opferrolle einzufühlen, um das Leiden anderer besser verstehen zu können? Ich glaube, das ist der falsche Ansatz: Wenn die von Ihnen angestrebte kulturelle Identität nur bedeutet, etwas anderes nicht zu sein, ist die Auseinandersetzung darum für Sie nicht nur verloren, sondern hat schon falsch begonnen.
    Sie sind kein Opfer, Sie sind immer obenauf geschwommen, waren privilegiert, auch wenn Sie das vielleicht selbst nicht wahrgenommen haben. Aufgewachsen in vielleicht etwas miefiger, aber gemütlicher linker Kleinbürgerlichkeit in einem südwestlichen Vorort im „Speckgürtel“ Münchens könnten Sie für den unbedarften Leser als Beispiel einer etwas störrischen, aber letztendlich gelungenen Integration durchgehen. Bayern hat im 20. Jahrhundert ja auf dem Gebiet der Integration durchaus Großes geleistet, das Spektrum reicht hier von Hunderttausenden aufgeheirateter norddeutscher Ehepartner, über Sudetendeutsche, Migranten mit politischer und/oder ökonomischer Motivation, über Flüchtlinge aus Kriegs- und Katastrophengebieten bis hin zum Wiederaufbau jüdischen Lebens in Bayern nicht zuletzt durch die zugezogenen osteuropäischen Mitbürger, die sich in ihrer überwiegenden Mehrheit auch hier wohl fühlen. Denken Sie mal daran ;-))
    Daß Sie sich selbst als „Kosmopoliten“ fühlen, war zu erwarten, nicht zuletzt angesichts der praktischen narzistisch-viktimologischen Verwertbarkeit dieses Begriffs für sich selbst.
    Aber das ist alles nur ein Popanz, den Sie da bauen. Sie sind kein Migrant, Sie kokettieren nur mit einem konstruierten Migrationshintergrund. Private Fahrten nach Polen von Zeit zu Zeit machen noch keinen Migranten und erst recht keinen Kosmopoliten aus. Was soll das? Märchenstunde? Ich halte Sie für einen dissoziativen Menschen: Sie möchten gerne zu dem werden, was andere in Ihnen sehen.
    Vielleicht würde es Ihnen helfen, Ihre – durchaus interessanten – Gedanken einmal in Buchform zu bringen? Nichts gegen Ihre Roma-Chronik im Internet, aber ein „Publizist“ (Eigenbezeichnung R. S.) von fünfzig Jahren sollte da etwas mehr im Portfolio haben, um sich glaubwürdig als solcher zu bezeichnen und einem „richtigen“ Historiker ans Bein zu pinkeln. Herr Hesemann, ich fremdschäme mich!

  10. udosefrioth fragt:
    „Aber hätten die Kirchen überhaupt die Möglichkeit einer
    Opposition gegenüber dem System gehabt?“
    Ja, davon bin ich überzeugt. Dazu lese man z.B. Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Hg.: Gewaltfrei gegen Hitler? Gewaltloser Widerstand gegen den Nationalsozialismus und seine Bedeutung für heute. Karlsruhe: Eigenverlag, 2007. Taschenbuch, 117 Seiten;
    Meine Besprechung: http://www.gavagai.de/buch/zwk/HHBZW13.htm
    Bestellung http://www.wfga.de/Informationen/Bestellung.html?Buch=Gewaltfrei_gegen_Hitler
    Gesamtinfo unter Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden http://www.wfga.de/
    Oft wird die Frage der Möglichkeit des Widerstands für X verneint und dann wird betont, wievielen Leuten der X geholfen habe. Ein Widerspruch in sich.
    Zumindest hätte man willfährige Pro-NS Aktionen (kirchliches Glockengeläute zu Führers Geburtstag; hohes Lob für Gottes Vorsehung nachdem Adolf den Attentaten entging, usw.) unterlassen können.

  11. @R.Schlickewitz
    „oder das Buch “Hitlers München” von David Clay Large! Kaufen, lesen und mitreden können.“

    Und wie wäre es mit B,Hamann „Hitlers Wien“ ?

    Bayern als Hort des Nationalsozialismuses in Deutschland
    zu deklarieren, das ist für das „Rest“ Deutschland nur
    eine Entschuldigung.
    Fakt ist, das katholische Deutschland versagte genau wie
    das protestantische Deutschland. Aber…. bemerkennswert
    ist die Menge der führenden Größen der NSDAP aus Bayern.

    Beide Kirchen versagten gegenüber der NSDAP wobei die
    Protestantische (Bischof Müller und seine Dt.Christen)
    sogar in das System involviert wurden.

    Aber hätten die Kirchen überhaupt die Möglichkeit einer
    Opposition gegenüber dem System gehabt?

  12. Servus Robert,
    danke für den Lit. Hinweis “Hitlers München” von David Clay Large. Das Buch steht bei mir seit Monaten ungelesen im Regal (gab’s mal zum Schleuderpreis). Es wird auf meiner Zu-Lesen-Liste (Tipp nebenbei für Mac-User: „Things“ von Cultured Code ist hervorragend geeignet solches im Griff zu behalten; ich habe lange gesucht und arbeite jetzt seit Jahren damit: picobello) weit nach oben rutschen.
    zum Thema fiel mir heute morgen zu einer Radiosendung noch auf:
    Gustav Gründgens rühmte sich nach 1945 auch vielen geholfen zu haben (und es stimmt sogar). Die waren ihm alle dankbar.
    Nichtsdestotrotz war ein übler NS-Karrierist, wie schon Klaus Mann in „Mephisto“ nachwies. Es war lange verboten. Ähnliches geschah mit Rolf Hochhuths Stellvertreter.
    Hesemann wird schon recht haben: auch Pius XII. verhalf selbst oder via untergegebenes Management vielen zur Flucht. Das ändert wenig daran, dass er (ausgenommen die 2 Tage, die Hesemann nannte) jahrelag geschwiegen hatte. Selbst eine Enzyklika macht noch keinen Sommer.
    Und zum Wikrungsgrad, d.h. dem Vorwurf: es hätte doch nix genutzt.
    Es nutzt auch wenig, wenn man sich jetzt über den Kindesmissbrauch in der Kath. Kirche empört. Es macht nix ungeschehen. Soll man es deshalb bleiben lassen? Ich meine nein.
    Vor kurzem verurteilte Ratzinger das Nutzendenken. Ich stimme ihm zu. Pius XII. hätte es beherzigen sollen.
    (Wieder am Rande: im Widerspruch zu Ratzingers Gebot der Abkehr vom Nutzen- und Gewinndenken sind die Christen brav, weil sie sich die ewige Seligkeit erhoffen. Reines Nutzdendenken! Wieder hat es Mixa ausgedrückt: ohne Gott – und seine Strafe bzw. dem winkenden Lohn – sieht er keinen Grund moralisch zu sein.)

  13. „Bis dahin gilt: die meisten Nazi-Verbrecher waren bis zum letzten Atemzug (und nach christlicher Lehrmeinung wohl noch länger) CHRISTEN.“

    Genau. Hitler ist z.B. bis heute nicht exkommuniziert worden, wie andere Nazi ebenfalls nicht. Und ich erinnere wie der Nazifreund Bischof Alois Hudal, Eichmann und Konsorten geholfen hat, nach Südamerika zu entkommen.

  14. @udosefrioth

    Was sind 10 Euro?

    Paar Zigaretten, oder etwas Schokolade, ein BicMac, ein Kinoticket…

    oder das Buch „Hitlers München“ von David Clay Large! Kaufen, lesen und mitreden können.

    Ich will damit Ihren Einwand nicht lächerlich machen, nur auf ein Buch hinweisen, dass 100prozentige Bayern bzw. echte Urbayern, die vorher so leicht nichts zu erschüttern schien, zum Nachdenken gebracht hat.

    Lesen Sie es und Sie verstehen eine Menge Zusammenhänge besser.

    RS

  15. Lieber Herr Hesemannn und Mitdiskutanten,
    a) Hesemann: „zum Konkordat sagte Papst Pius XI.: »Ich würde sogar mit dem Teufel persönlich einen Pakt schließen, wenn es darum ginge, Seelen zu retten«“. Danke, dazu hätte ich
    gerne die genaue Quelle. Es belegt hervorragend meine Position: für transzendente Belange inkl. ihren irdischen Ritualen (Kreuz im Klassenraum, Schulgebet, …) unternimmt die Kath. Kirche alles, sogar einen Pakt mit dem Teufel. Wenn es um die Verurteilung irdischer Verbrechen geht, dann fragt Herr Hesemann: „Erwarten Sie von einem Papst Kraftausdrücke?“ und: „da waren sie das Härteste, zu dem je ein Papst in der Lage war“.
    Halten wir fest: fürs Seelenheil wird ein Pakt mit dem Teufel geschlossen; für die klare Benennung der NS-Verbrechen werden nicht mal verbale Kraftausdrücke riskiert.
    b) Hesemann: „die Nazi-Ideologie wurde in Grund und Boden verdammt!“ Nein: das haben wir schon herausgearbeitet: es gab nur vage Umschreibungen. Mit keinem Wort wurden die Nazis referiert. Da waren diplomatische Regeln angebracht. Die sind wichtiger als Menschenleben. Um Himmels willen: da ging es um Millionen Menschenleben. Was sollen da diplomatische Rücksichtnahmen?
    c) Zum letzten Mal zur Sakramentenverweigerung: selbst wenn Ihre Aussage zutrifft, bedeutete das keine Ex-Kommunikation. Das Dokument, dass die NS-Grössen vor 1945 exkommunizierte müssen Sie erst noch nennen. Bis dahin gilt: die meisten Nazi-Verbrecher waren bis zum letzten Atemzug (und nach christlicher Lehrmeinung wohl noch länger) CHRISTEN.
    d) Hesemann: „Bischof Mixa bezeichnete nicht Frauen als Gebärmaschinen, er kritisierte, dass Frauen zu Gebärmaschinen degradiert würden – ein kleiner, aber feiner Unterschied.“ Wo ist da der Unterschied?
    Werden nun Frauen zu Gebärmaschinen degradiert oder nicht? Ist es nur eine ferne Möglichkeit in x Jahren? Dann hätten Sie recht, denn ich meinte gegenwärtige Frauen. Nein. Mixa meinte es in Verbindung mit Kinderhorten. Mütter, die dort ihre Kinder mit anderen Kindern zusammentun, werden zu Gebärmaschinen degradiert. Der grosse Frauenversteher, Experte für das Gebären, die sexuelle Revolution und das Schmuggeln von Devisen Mixa bezeichnete Mütter = Frauen als Gebärmaschinen.
    e) Hesemann: „Unter kirchentreuen Katholiken hat die braune Häresie nie Fuß fassen können!“ Diese Argumentationsfigur kenne ich aus vielen Diskussionen. Wenn man nachweist, dass der und der Katholik zutiefst „braun“ war, dann wird gekontert: er war nicht kirchentreu. Mit dieser Argumentationsfígur wies jemand nach, dass Katholiken nie sündigen.
    „Unter kirchentreuen Katholiken gibt es keine Sünde!“
    Einspruch: „Der Katholik X sündigte doch!“ „Riposte: „Nein. In diesem Moment war er kein kirchentreuen Katholik!“.
    Oder a la Mixa:
    „Kirchentreuen Katholiken missbrauchen keine Kinder!“ Einspruch: „Aber Pater Y …“ Riposte: „Wenn Y ein Kind missbraucht, ist er kein kirchentreuen Katholik sondern ein Opfer der sexuellen Revolution!“
    Fazit: diese Argumentationsfígur geht mir auf die Nerven und ist ungültig. Zudem habe ich mit dem Bischof von Linz schon ein hochaufgehängtes Gegenbeispiel gegeben. Millionen anderer wären möglich.

  16. @Robert Schlickewitz
    „Dann die Einigung Deutschlands. Bayern mit seiner Hinhaltepolitik war schuld daran, dass Deutschland sich nicht wie andere Nationen schon früh auf einen Nationalstaat hin entwickeln konnte, sondern lange Zeit, viel zu lange Zeit, sich in Hader und Vielstaaterei erging. Später als die meisten anderen europäischen Länder wurde so Deutschland erst 1871 zu einem Nationalstaat.
    Und dann der Nationalsozialismus. Er entstand in München und fast alle führenden Nazis waren Bayern.“

    Jein, Bayern war für die GROßDEUTSCHE LÖSUNG (+Österreich) Und 1848 hatte ja der pr.König die Krone abgelehnt!
    FAkt ist aber das es in Bayern einen klerikal untermauereten
    ANtisemitismus gab, dieser aber kam aus Österreich. (ein
    Lueger wurde sogar Bürgermeister von Wien)
    Nur Bayern war aber auch der Staat, der die DAP bekämpfte
    (Marsch zur Feldherrn Halle) aber ebenfalls ein Auge zu –
    drückte… siehe Haftstrafen.
    Der Sündenfall der kath.Kirche war das Konkordat und der
    Glaune daran, das der Staat dieses einhielt.

  17. @Hesemann
    „Wenn die deutsche Regierung das Konkordat verletzt, und dies würde gewiß geschehen, dann werde der Vatikan eine Grundlage haben, von der aus er protestieren könne.“

    Mit Verlaub…Wo blieben die Proteste und warum wurde
    nach der Realität des dt.Konkordates, in Österreich
    derselbe Unsinn gemacht?
    *Proteste des Vatikans und nicht EINZELNER dt.Bischöfe
    und Kardinäle!

  18. Lieber Herr Huber,
    nun, für einen Christen ist halt etwas anderes schlimm als für einen Nichtchristen. Drohungen sind kulturell verschieden. Wir bekommen das doch täglich in Deutschland mit. Da meint es ein Türke ganz böse und sagt: „Ich f… Deine Mutter!“ Und der Deutsche grinst: „Ach, und was zahlt sie Dir?“ Anderes Beispiel: Ruft der Christ: „Das ist Häresie!“, erschüttert das sein christliches Gegenüber, der Atheist dagegen grinst: „Sag ich doch!“ Man darf aber die päpstlichen Mahnworte nur im christlichen Kontext deuten, und da waren sie das Härteste, zu dem je ein Papst in der Lage war – die Nazi-Ideologie wurde in Grund und Boden verdammt!
    Im diplomatischen Verkehr ist es eher selten, dass Namen genannt und Personen direkt angegriffen werden. Das geschieht erst nach der Kriegserklärung. Wenn ich in Deutschland von der „Arroganz des Neoliberalismus“ spreche, weiß auch jeder, dass Guido W. gemeint ist, ob ich ihn nun nenne oder nicht.
    Wenn Ihnen (oder mir) im Zutand der Todsünde das Altarsakrament verweigert wird, haben wir beide die Möglichkeit, zu beichten – also ein anderes Sakrament zu empfangen. NSDAP-Mitgliedern wurde aber die Absolution verweigert, es sei denn, sie traten aus der Partei aus! Ihnen wurden ALLE Sakramente verweigert, auch die Sterbesakramente, nicht allein das Altarsakrament! Was die „leeren Kirchenbänke“ betrifft, Herr Huber, seien Sie beruhigt: So viele katholische NSDAP-Mitglieder gab es 1930-32 nicht, die große Eintrittswelle folgte erst 1933!
    Dass etwa der Nuntius als Doyen des diplomatischen Korps an diplomatischen Empfängen teilnahm, war selbstverständlich, alles andere wäre einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen und einer offenen Kriegserklärung gleichgekommen, unter der nur die Kirche in Deutschland gelitten hätte. Ebenso nutzte der Papst das Audienzgesuch von Ribbentrops, um für die Juden Partei zu ergreifen. Der Vatikan kann dem Außenminister selbst der gottlosesten Regierung einer christlichen Nation keine Audienz verweigern – auch Saddam Husseins Premierminister wurde von JPII vorgelassen.
    Pius XII traf von Ribbentrop, nicht Hitler – den besuchten nur die Staatsoberhäupter der freien Welt in München!
    Bischof Mixa bezeichnete nicht Frauen als Gebärmaschinen, er kritisierte, dass Frauen zu Gebärmaschinen degradiert würden – ein kleiner, aber feiner Unterschied.
    Tatsache ist, dass die NSDAP einerseits in den Zirkeln eines religiös indifferenten oder „esoterisch“ interessierten Großbürgertums, andererseits im religiös entwurzelten Proletariat Münchens ihre Anhänger fand, aber eben nicht im ländlich-katholischen Millieu des traditionsbewußten Bayerns. Tatsache ist ebenfalls, dass das Zentrum die Partei des deutschen Katholizismus war und eben nicht und nie die NSDAP! Unter kirchentreuen Katholiken hat die braune Häresie nie Fuß fassen können!

  19. Herr Hesemann, da ich anders als Sie, vom Vatikan bestallter Kirchenhistoriker, nicht ununterbrochen am PC sitze, und daher nur am Abend Zeit habe, ausführlich zu antworten, mag es Ihnen so erschienen sein, als wollte ich mich einer Antwort entziehen. Dem ist jedoch keineswegs so.

    Bei der Lektüre Ihrer Ausführungen (23.2., 3.49 Uhr) musste ich an eine Episode meiner Zeit als Oberstufen-Gymnasiast in München zu Mitte der 1970er Jahre denken.
    Natürlich steht es Ihnen frei meine Worte wieder für „fiktiv“ zu halten; diejenigen, die es damals miterlebt haben, werden sich jedenfalls noch daran erinnern.

    Es war eine Geburtstagsfeier bei einem meiner bayerischen, protestantischen Schulfreunde. Unsere Schulklasse war, muss ich zur Klärung noch erwähnen, gemischt, katholisch, evangelisch, Zeugen Jehovas etc.; meine Freunde waren Protestanten und Katholiken, Konfession spielte bei uns keine Rolle.
    Der Gastgeber, der belesenste und intellektuellste von uns, bat uns ganz plötzlich um Gehör, er wolle uns etwas Wichtiges mitteilen. Wir rückten zusammen und waren neugierig und ein wenig überrascht, denn seine vorher fröhliche Stimmung hatte sich unerwartet verdüstert. „Ihr wisst doch“, begann er, „dass ich in meiner Freizeit gerne lese und dass vor allem die Geschichte unserer Heimat Bayern mir besonders am Herzen liegt.“ Keiner wagte zu widersprechen. „Also, nach Lektüre nun von Dutzenden Büchern über alle Phasen bayerischer Geschichte, kann ich zusammenfassend sagen, dass Alles Schlechte, Verderbliche, Unmenschliche in der deutschen Geschichte von uns Bayern ausgegangen ist!“ Erstaunte Gesichter, aufgeregte Fragen, ob man dies denn wirklich so sagen könne, ob das nicht noch eingehender überprüft gehörte, waren die ersten Reaktionen von uns.
    „Fangen wir mit der Gegenreformation an, die so vielen, Hunderttausenden, Menschen das Leben kostete, Europa um Jahrzehnte zurückwarf, so viel Leid verursachte – ihr Zentrum war Bayern. Nur weil die beiden Herzöge damals so sehr an ihrer Macht klebten… Dann die Einigung Deutschlands. Bayern mit seiner Hinhaltepolitik war schuld daran, dass Deutschland sich nicht wie andere Nationen schon früh auf einen Nationalstaat hin entwickeln konnte, sondern lange Zeit, viel zu lange Zeit, sich in Hader und Vielstaaterei erging. Später als die meisten anderen europäischen Länder wurde so Deutschland erst 1871 zu einem Nationalstaat.
    Und dann der Nationalsozialismus. Er entstand in München und fast alle führenden Nazis waren Bayern.
    Das Schlimme daran für uns heute ist – es haben anscheinend die, die uns regieren und die die Öffentlichkeit repräsentieren, auch kein Interesse daran, dass wir mehr über uns erfahren.“
    Betreten schwiegen wir eine Weile, stellten noch die eine oder andere Frage, setzten aber dann unbeschwert unsere Feier fort.

    Etwa zwanzig Jahre später befand sich einer meiner katholischen Freunde in einer ganz ähnlichen Stimmung, auch er hatte viele Werke zur bayerischen Geschichte gelesen und ganz plötzlich platzte es aus ihm heraus: „Der Bayer, unsereins, frogd einfach ned, er nimmt ojs hi und glaubt dem Schmarrn, den er vom Streibl (damals Ministerpräsident), vom Pfarrer, vom Opa oder sonst einer Reschbektsperson g’hört hod. Warum is des so? Samma mia bleda ojs die andern? Jeda, dea liasd, dea si mid da boarischen Gschicht a bisserl näha befasst, muass doch merka, dass mia neiglegt wern, von die Bolitika (Politiker), von die Medien, von die Historika. Aba, warum stelln mia koa Frogn ned. Des is do‘ krankhaft.!“

    Ich gebe zu, dass es bei mir, Robert Schlickewitz, erst angesichts dieser Erkenntnis meines Freundes, zu der Einsicht kam, mich ebenfalls mit der bayerischen Geschichte befassen zu müssen, dass ich mich erst mit Mitte Dreißig etwa der bayerischen Geschichte ernsthaft zuwandte.
    Dies hatte den Grund, dass für die anderen ihre bayerische Identität keine Frage war, sie hatten ja nur diese eine Option. Ich hingegen, aus einer multikulturellen und multiethnischen Familie stammend, hatte die Auswahl, und, bei aller Gewöhnung und auch verwandtschaftlichen Bindung an Bayern, ich empfand und empfinde mich noch immer am stärksten als Europäer oder Kosmopoliten, nicht als einen Bayern.

    Ich erzähle diese Episode, weil es Leute wie Sie sind, Herr Hesemann, die als Abhängige und Parteigänger des Establishments (Kirche oder Staat) zu jenen gehören, die den Bürger weiter für dumm verkaufen wollen. Die nicht möchten, dass (die) Bayern anfangen nachzudenken, die das alte Bild von der tadelfreien, menschenfreundlichen, ‚guten‘ katholischen Kirche um jeden Preis aufrecht erhalten wollen und sich Argumenten, auch einleuchtenden Argumenten, mit Gewalt verschließen. Dies geht jedenfalls aus all Ihren Aussagen, Erwiderungen und Antworten hervor.

    Ich frage mich tatsächlich, ob es noch Sinn hat, mit Ihnen weiterzudiskutieren.

    Was mir auffällt, ist, dass Sie für einen relativ prominenten Historiker (mit über 10 000 Google-Nennungen)erhebliche Mängel in Ihrer Argumentation aufweisen. So ist es unter Historikern allgemein üblich, nur echte Zitate zwischen Anführungsstrichchen zu setzen. Sie hingegen ’schieben‘ mir ‚unter‘, ich hätte Dachau als „katholisches KZ“ bezeichnet. Wo denn? Ich hatte vielmehr das Personal und die Verantwortlichen, die aus dem mehrheitlich katholischen Bayern stammten vollkommen zutreffend als katholisch, nicht hingegen das KZ selbst als „katholisch“ bezeichnet.
    So einen fehlerhaften Umgang mit Aussagen anderer nennt man polemische Verdrehung.
    Auch einer Reihe weiterer Ausführungen von Ihnen entnehme ich einen Mangel an Professionalität und Seriosität.
    Denken Sie daran, dass Sie einen Ruf als Historiker zu verlieren haben; ich hingegen begnüge mich damit ein ‚kleiner‘, kritischer Publizist zu sein.

    War es nötig Karlheinz Deschner derart zu diffamieren? Es sind immerhin namhafte Verlage, wie Rowohlt und der vom Establishment so gehätschelte Bertelsmann Konzern (Random House), die Deschner verlegt haben, es sind seriöse Tageszeitungen wie die Frankfurter Rundschau und die FAZ, die in ihren Rezensionen Lob und Anerkennung für diesen Autor ausgesprochen haben! Nur weil er Ihren Arbeitgeber aufruft, endlich die Wahrheit zuzugeben, müssen Sie sich nicht gleich beleidigend ihm gegenüber äußern („geifernder Fanatiker und Ideologe“).

    Sie nennen Zahlen zu verhafteten katholischen Geistlichen. Diese Zahlen erscheinen auf den ersten Blick beeindruckend. Warum haben Sie es nur versäumt, die Anzahl der deutschen Geistlichen im KZ zu nennen? Weil es so wenige waren? Es waren ganz entschieden zuwenige! Von etwa 25 000 deutschen Welt- und Ordensklerikern insgesamt saßen nur 261 in Dachau, also ungefähr 1 Prozent. Das ist eine Schande. (Deschner, Mit Gott und dem Führer, Köln 1988, S.63).

    Wenn Sie Deschner nicht glauben wollen, wieviele waren es dann und wo steht es?

    Vom niederländischen Dachauüberlebenden Nico Rost (Goethe in Dachau) wissen wir, dass die Herren Geistlichen in diesem KZ die niedrigste Todesrate aller Häftlingsgruppen hatten und ständig Pakete von ihren Angehörigen ausgehändigt bekamen, nicht so die anderen Häftlinge.

    Mein „angebliches Adenauerzitat“ können Sie unter Rudolf Morsey u. Hans-Peter Schwarz (Hg.), Adenauer Briefe 1945 bis 1947, Berlin 1983, S. 172f überprüfen, Herr Hesemann.

    Sie mokieren sich über meine Verwendung des Wortes „Volkscharakter“. Das Wort kommt vor allem in Werken zum bayerischen Brauchtum auch heute noch häufig vor (überzeugen Sie sich gerne selbst!), ohne Hintergedanken. Den bayerischen Sinnspruch „mia san mia“ werden Sie schon mal gehört haben, er charakterisiert den (besonderen) bayerischen Volkscharakter.

    Wie ich oben schon schrieb, bin ich Bayer und Münchner; Ihre Annahme ich könnte ein protestantischer, bayernferner Adeliger sein, geht demnach fehl.

    Ihre spitzfindige Unterscheidung zwischen Bayern und Münchnern, mit der offensichtlichen Absicht, die guten (konservativen), katholischen, unverdorbenen Bayern, gegen die ‚roten‘, charakterlich zweifelhaften (protestantischen?) Münchner auszuspielen, muss ich gleichfalls unter das Kapitel fehlende Professionalität verbuchen.

    Mehr Sachlichkeit und weniger Emotion, Herr Hesemann!
    (Sie sind doch ein richtiger Historiker und kein kleiner Publizist!)

    Was Sie bei mir „infame Diffamierung des bayerischen Volkes“ nennen, ist nichts als die Wahrheit und die tut nun mal weh. Bitte selber nachlesen, bei David Clay Large, Hitlers München, dtv-Verlag!

    Sie haben vier Jahre in Bayern gelebt. Ich, über fünfzig Jahre, mit Wohnsitz sowohl in München als auch in Niederbayern. Ich kenne die Unterschiede zwischen Stadt und Land wohl besser als Sie. Ich darf Ihnen sagen, dass die Menschen in der Großstadt nicht nur das größere Kulturangebot wahrnehmen können, sie sind auch kritischer, aufgeschlossener, sie lesen mehr und sie haben weniger Vorurteile. Da ich mich besonders gerne mit Migranten (bin ja selber einer, in gewisser Weise) unterhalte, weiß ich auch, dass Ausländer in München weniger unter Fremdenfeindlichkeit leiden, als solche auf dem Land in Bayern.
    Auf die Akzeptanz von jüdischen Symbolen im ländlichen Bayern gehe ich hier lieber nicht ein, das führte zu weit und könnte dem ‚guten Ruf‘ des weiß-blauen Lederhosenlaptopwunderlandes eventuell erheblich schaden.

    Loben Sie doch bitte nicht ständig diesen Faulhaber über den grünen Klee! Lesen Sie lieber meinen haGalil-Artikel über ihn und darüber, wie die ‚gleichgeschaltete‘, deutsche, etablierte Intelligenz, wie die Redaktionen von Nachschlagewerken mit seinem ‚Andenken‘ umgehen.

    Hochhuth erwähnen Sie gerne und oft, ebenfalls stets diffamierend („Schmierfinken“), warum? Ich habe ihn weder zitiert, noch mich auf ihn berufen. Heiße Luft – Ihre Worte – geschrieben für die Katz.

    Nun zu Ihrem Freund Gumpel.
    Ich hatte einige sehr schwerwiegende Beleidigungen dieses Herrn bezogen auf Juden aufgezählt, sie stehen zum Nachlesen bei Goldhagen, Die kath. Kirche und der Holocaust, S. 159, 259f, 317.
    Finden Sie es in Ordnung, dass er mittelalterliche, zum Antisemitismus beträchtlich mit beigetragen habende Beschuldigungen (Christusmörder) in aller Öffentlichkeit noch an der Schwelle zum dritten Jahrtausend wiederholt?
    Ja?
    Mir werfen Sie vor, auf das „Niveau von Streicher und STÃœRMER“ gesunken zu sein und dann so etwas. Da fragt man sich doch, wer sich hier daneben benimmt.

    Wie Sie Goldhagen, S. 260 entnehmen können, wurde Gumpel schwer angegriffen wegen seiner antisemitischen Äußerungen, freilich nicht vom polnischen Papst Jan Pawel II., der hat das wohl nicht mehr so richtig mitbekommen.

    Meine allernächsten Verwandten sind Juden; einige von ihnen, die den Holocaust überlebt hatten, wurden von katholischen Bayern noch 1947 zur Emigration genötigt. Dass ich sie und Ihre Kultur verteidige, ist doch wohl nur natürlich.

    Wenn Ihr Gumpel also die Märchen von der jüdischen Schuld am Kommunismus und den Christusmordvorwurf weiter aufrecht erhält, muss er sich nicht wundern, wenn er massiv gescholten wird, klar, Herr Hesemann!
    RS

  20. Udosefrioth, zum Konkordat sagte Papst Pius XI.: „Ich würde sogar mit dem Teufel persönlich einen Pakt schloeßen, wenn es darum ginge, Seelen zu retten“. Der Osservatore Romano erklärte am 21.7.1933: Der Heilige Stuhl verhandelt „mit den Sataten als solchen, um die Rechte und Freiheit der Kirche zu sichern“ und nimmt „von jeder Bewertung anderer Natur Abstand“.
    Kardinalstaatssekretär Pacelli erklärte seine Beweggründe dem britischen Vatikan-Gesandten Ivone Kirkpatrick im August 1933.
    Zitat aus seinem Bericht nach London: „Pacelli verabscheut die Verfolgung der Juden, das Vorgehen gegen politische Gegner, die Herrschaft des Terrors, dem die ganze Nation unterworfen ist… Er hätte zu wählen gehabt zwischen einer Vereinbarung auf Grundlage der Bedingungen der anderen Seite und der tatsächlichen Auslöschung der katholischen Kirche in Deutschland … Wenn die deutsche Regierung das Konkordat verletzt, und dies würde gewiß geschehen, dann werde der Vatikan eine Grundlage haben, von der aus er protestieren könne.“
    Später erklärte Pacelli dem französischen Gesandten Farcois Charles-Roux: „Wenn wir dieses Konkordat nicht hätten, besäßen wir keine juristische Handhabe für unsere Proteste“.
    Und eben das war das Geheimnis: Der Vatikan war nach den Lateranverträgen von 1929 politisch absolut zur Neutralität verdammt. Aber wenn ein Konkordat verletzt wurde, hatte er die möglichkeit, zu protestieren. Daher war das Konkordat, so ironisch es klingt, als Mittel des Widerstandes gegen das NS-Regime nützlich. Mit anderen Worten: Man hatte einen Vorwand, um sich einmischen zu können! Zwischen 1933 und 1939 reichte Pacelli dann auch 55 (!) offizielle protestnoten bei der Reichsregierung ein, jeweils bis zu 42 Seiten lang!

  21. Lieber Herr Hesemann,
    ich werde präziser.
    1) “Götzenkult”, “verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und Gottbefohlene Ordnung”, “oberflächliche Geister”, sind weder hart noch eindeutig. Mir darf jeder vorwerfen, ich verkehre und fälsche die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung. Ich wäre eher stolz. Jeder aktive Mensch tut dies.
    2) Nirgends werden (in der Enzyklika) die NS-Schergen beim Namen genannt. Es bleibt alles im Unbestimmten.
    Zum Vergleich lese man „Verbrennt mich! Ein Protest von Oskar Maria Graf“, Freitag, 12. Mai 1933. Z.B. hier http://www.oskarmariagraf.de/verbrenntmich.htm.
    Das war 1933 und es ging um unvergleichlich geringere Verbrechen als sie nach dem Mai 1933 geschahen.
    Sie schreiben: „Exkommunikation bedeutet, nicht zu den Sakramenten zugelassen zu sein. Wie können Sie die Begriffe trennen?“ Hier verwechseln Sie absichtlich oder nicht etwas. Ich schrieb: „nicht zu den Sakramenten zugelassen“ impliziert nicht Ex-Kommunikation. Sie argumentieren gegen Exkommunikation impliziert „nicht zu den Sakramenten zugelassen zu sein“. Ich kann gegen Ihre Folgerung nix sagen, aber darum ging es nicht. Es ging darum: Wer nicht zu den Sakramenten zugelassen ist, ist damit nicht automatisch exkommuniziert. p —> q ist nicht immer gleich q — p. Sie behaupteten, dass schon vor 1933 (nageln Sie mich jetzt nicht fest: welches Datum Sie immer nannten) die NSDAP-Mitglieder öffentlich von den Sakramenten ausgeschlossen wurden (Wie gesagt: ich kann es nicht glauben: die Kommunionbänke wären sehr leer gewesen). Doch wenn es stimmt impliziert das eben nicht, die Ex-Kommunikation. Ein einfaches Gegenbeispiel aus meiner Katholiken-Zeit. Wer im Stande der Totsünde war, war vom Sakrament der Kommunion ausgeschlossen. Wir mussten in diesem Fall vorher beichten. D.H. ich war vom Sakrament der Kommunion ausgeschlossen, aber nicht exkommuniziert.
    Zu 4. Vom Papst weiß ich es nicht. Doch da gibt es zahlreiche Fotos von Papst-Gesandten bei freundschaftlichen Treffen mit NS-Größen. Halt, und Sie selbst schreiben von einem Treffen Pius XII. mit NS-Scherge Ribbentrop. Das ist wieder das Schema: „X trifft nicht zu. Aber X geschah, weil …“
    Zu 5. Ich will und habe nicht Bischof Mixa als Militärbischof der Nazis bezeichnet. Aber da Sie das Thema ansprechen: der hätte sich sicher gemeldet. Vielleicht hätten die Nazis ihn abblitzen lassen: er bezeichnete Frauen mit (vielen) Kindern als Gebärmaschinen. Da hat der Mixa wohl auch zu viel von der sexuellen Revolution ab 1968 abbekommen, die er kürzlich beklagt hat und als Ursache für die Pädophilie ausgemacht hat. Rückwirkende Kausalität! Welch ein Genie 😉
    Zum katholischen Bayern: es mag durchaus stimmen was Falter vermutet. Andrerseits war München die braune Führerstadt. In Bayern schrieb er „Mein Kampf“, er plante hier vieles. Er kam frühzeitig aus Landsberg frei, … So harmlos war Bayern – bezogen auf die NSDAP – nicht.
    Es ist wenig sinnvoll zu rätseln, was geschehen wäre, wären alle protestantisch gewesen. Ich meine: Recht viel schlimmer hätte es kaum werden können.

  22. @Hesemann
    Bayern war und ist der Sonderfall in der Geschichte der
    NSDAP. Fakt ist…. hier war der Anfang und hier war auch Ihr erstes Scheitern.

    Grundsätzlich war Bayern wohl eher gegen „Berlin“ und der
    Traum des Separatismuses spielt hier auch eine Rolle.

    Aber etwas zur Rolel der katholischen Amtskirche in der NS-
    Zeit…

    Es bleibt die berechtigte Frage nach dem KONKORDAT, warum
    wurde es abgeschlossen und glaubte man der NSDAP?
    Nun der Vorläufer war wohl das italinische Konkordat; hier
    hielten sich die Faschisten an den Vertrag. (ja und der Vatikan wurde EIGENSTÄNDIGER STAAT im Staate).
    Klingt jetzt blöde… man verwechselte den italienischen
    Faschismus mit dem dt.Nationalsozialismus und von Seiten des
    Vatikans wurden die Erfahrungen der dt.Amtskirche mit der NSDAP zu wenig beachtet und in das Vertragswerk miteinbe –
    zogen. Man soillte sich an die Tragik des Zentrums erinnern;
    das war die politische Partei des Katholizismuses.
    Das Konkordat war der Sündenfall der AMtskirche und hier kann ich das spätere Konkordat in Österreich(nach den dt.Er-
    fahrungen) nicht mehr verstehen.

  23. Herr Schlickewitz,
    da Sie es nicht für nötig hielten, sich für Ihre gestrige Entgleisung zu entschuldigen, hat sich wohl jede weitere Diskussion mit Ihnen erübrigt. Ich habe nichts dagegen, dass Sie Nazi-Schärgen als „Kretins“ bezeichnen, das hat dieser verbrecherische Abschaum verdient. Aber einen untadeligen 86jährigen Historikerkollegen und Jesuitenpater, der darüber hinaus zu den Verfolgten des NS-Regimes gehört (seine Mutter saß bereits in der Todeszelle), als „moralisch wie sittlich verkommenen“ … „Affenpinscher oder Pavian“ zu bezeichnen, ist nicht mehr angemessen zu kommentieren. Das ist widerwärtigste Streicher-Sprache, gleich, aus wessen Mund sie kommt! Ich werde den Hochw. Herrn Pater Prof. Dr. Peter Gumpel, S.J., um den es hier geht, über Ihre beleidigenden Ausfälle informieren und ihm rechtliche Schritte gegen Sie nahelegen.
    Für alle Mitleser noch ein Wort zu Bayern und den NS-Wählern. Selbst in seinem „Biotop“ München blieb Hitler bei den Wahlen 1932 bei unter 30 %. So beobachtete auch der renommierte britische Hitler-Biograf Ian Kershaw, dass die deutschen Katholiken länger bzw. überhaupt dem Nationalsozialismus resistent geblieben sind.
    In Jürgen Falters 1991 veröffentlichten Studie „Hitlers Wähler“ kann man ebenfalls nachlesen, „dass die NSDAP überdurchschnittlich in protestantischen Gebieten Erfolg hatte und in katholischen Gebieten auf höhere Reserviertheit stieß“. Protestanten waren im Durchschnitt doppelt so anfällig gegenüber Hitler als Katholiken. Falter stellt spgar fest, dass Hitler nie an die Macht gekommen wäre, wenn Deutschland zur Gänze katholisch gewesen wäre. Der Grund ist in der deutschnationalen Grundhaltung des Weimater Protestantismus zu suchen; für einen protestantischen Antisemitismus ist sogar Martin Luther der erste Zeuge.
    Das sind die Fakten, von seriösen Historikern erarbeitet. Schlickewitzens dumpfes Bayern-Bild dagegen gehört an die Stammtische, aber nicht in eine ernsthafte Diskussion. Wer eine andere Ansicht vertritt, sollte Fakten und Studien zitieren und nicht über den „bayerischen Volkscharakter“ schwadronieren!

  24. :Noch ein Hinweis zum besseren Verständnis der Verhältnisse in Bayern:

    Unser Diskussionsteilnehmer Herbert Huber betreibt eine hervorragende, in Bayern einmalige, Webseite:

    http://www.gavagai.de

    auf der er wertvollste Aufklärungsarbeit betreibt. Für jeden, der mitreden will, eine ausgezeichnet fundierte Informationsquelle. Beachtung verdienen gleichfalls seine Literaturhinweise und -empfehlungen.

    RS

  25. @RS
    „..jene Kretins, die sich in Deutschlands dienstältestem KZ, dem in Dachau, bereit fanden, Menschen zu quälen ..“

    Es waren keine Kretins, die dort mordeten. x xxx

  26. Herr Schlickewitz,
    Sie scheinen nicht nur gerne fiktive Zeugen zu zitieren (meinen angeblichen ehemaligen Mitarbeiter), Sie lieben es auch, mir das Wort im Mund zu verdrehen. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Hitlers realen Verbrechen an den Juden und seinem geplanten Vernichtungsschlag gegen die Kirche. Der Unterschied ist, dass die einen gegen ein Volk, der andere gegen eine Kirche gerichtet ist. Schließlich definierte er „Judentum“ als Rasse, nicht als Religion (deshalb wurden ja auch Konvertiten umgebracht). Die katholische Kirche hätte er vernichtet, indem er den Klerus interniert und/oder ermordet. Dass dies geplant war, daran lassen die Tagebücher und Erinnerungen aller Nazi-Größen von Goebbels über Bormann und Rosenberg bis zu Hitlers Tischgesprächen keinen Zweifel.
    Wenn Sie Deschner zitieren, disqualifizieren Sie sich selbst. Kein seriöser Historiker nimmt diesen geifernden Fanatiker und Ideologen ernst. Die Nazis verhafteten den höheren Klerus deshalb nicht, weil sie sich ihre noch-katholischen Volksgenossen nicht verprellen wollten! Wie gerne Hitler etwa den Grafen von Galen hingerichtet hätte, geht aus seinen Tischgesprächen hervor. Doch er wußte, dass er damit bis nach dem Endsieg warten mußte, denn als Kanonenfutter an der Front brauchte er auch uns Katholiken.
    Im besetzten Polen dagegen töteten due Nazis vier Bischöfe, 1996 Priester, 113 Mönche und 238 Nonnen. In den Konzentrationslagern kamen weitere 3642 Priester, 720 Ordensbrüder und 1117 Nonnen ums Leben.
    Auf Ihr angebliches Adenauerzitat kann ich nur antworten: Genau das, was er fordert, nämlich eine massive Stellungnahme von allen Kanzeln an einem einzigen Tag – hat am Palmsonntag des Jahres 1937 mit der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ stattgefunden – leider ohne Erfolg beim Volk.
    Regelrechte Geschichtsfälschung betreiben Sie, verehrter Herr Schlickewitz, mit Ihrer infamen Diffamierung des bayerischen Volkes. Was Sie da machen ist auch eine Form von Rassismus! Dabei schämen Sie sich nicht einmal, Nazi-Phrasen wie den Begriff vom „Volkscharakter“ zu benutzen. Dagegen muss ich entschieden protestieren! Wahrscheinlich haben Sie in Ihrem Leben noch nie einen Fuß in das schöne Bayern gesetzt, um die wunderbare Kultur dieses Landes schätzen zu können und urteilen daher aus der Perspektive des Ignoranten.
    Tatsächlich hat Hitler seinen Aufstieg nicht in Bayern begonnen, sondern in München. Das mag paradox erscheinen, aber wer das Land kennt (ich bin zwar Rheinländer, habe aber vier Jahre in Bayern gelebt), der weiß, dass es keinen größeren Unterschied gibt. So ist auch in der jüngeren Geschichte München fast durchgehend SPD-Hochburg, Bayern dagegen stets CSU-regiert. Der tief verwurzelte bayerische Katholizismus der ländlichen Regionen und Kleinstädte dagegen ist dem Münchner eher fremd. In diesem „Biotop“ München konnte Hitler aufsteigen, nie aber in Bayern.
    Ihre Behauptung ist nämlich schnell widerlegbar. Man kann wunderbar, Bezirk für Bezirk, die Regionen mit einem hohen katholischen Bevölkkerungsanteil in Deutschland (über 60 %) mit den Wahlergebnissen etwa der Reichstagswahl am 31.7.1932 vergleichen. In fast allen katholischen Gebieten blieb die NSDAP bei UNTER 30 %, IN ALLEN bei unter 50 %! Über 50 % bekam die NSDAP im Nordosten Deutschlands, in den protestantischen Gebieten. Die Katholiken dagegen haben brav die Zentrumspartei gewählt!
    Dass Sie ausgerechnet Dachau als „katholisches KZ“ nennen, ist eine weitere Ironie Ihrer absurden These – denn in Dachau wurden auch und gerade die katholischen Priester und Ordensleute gequält! Und zwar von Gottlosen, nicht von Katholiken. Schließlich ist es eine historische Tatsache, dass der Beitritt zur SS einen vorherigen Kirchenaustritt zur Bedingung hatte.
    Schon 1923 hat der damalige Apostolische Nuntius in Bayern, Eugenio Pacelli, seinen Bericht über den Hitler-Putsch vom 9.11. mit den Worten „der antikatholische Charakter des Nazi-Aufstandes“ betitelt und erklärt, die Nazis seien „eine antikatholische Bewegung“, die Bersucht hätte, „den Mob systematisch gegen die Kirche, den Papst und die Jesuiten aufzuhetzen … Dieser (antikatholische) Charakter hat sich besonders in den regelmäßigen Hetzereien gegen den katholischen Klerus gezeigt, mit welchem die Anhänger Hitlers und Ludendorffs, den Größen unter den Starßenrednern, die Bevölkerung aufwiegelten und so die Geistlichen Beleidigungen und Spott aussetzten … insbesondere den gelehrten und gewissenhaften Kardinalerzbischof (Faulhaber), der in seiner Predigt im Dom … die Verfolgungen der Juden angeprangert hat.“
    Dass Himmler die Struktur der Jesuiten insgeheim bewunderte und kopieren wollte, heißt nicht, dass er mit ihrer Lehre sympathisierte – denn das tat er gerade nicht.
    Mit Ihrer infamen Diffamierung Pater Peter Gumpels SJ beleidigen Sie einen persönlichen Freund und Lehrer. Dass ausgerechnet Sie ihn als „moralisch wie sittlich verkommen“ bezeichnen und dabei Begriffe verwenden, wie sie von Antisemiten oft und gerne für Juden verwendet werden, ist mehr als befremdlich. Tatsächlich kenne ich ihn als Mann von höchster Moral und Integrität. Dass er kein Antisemit ist zeigt sich schon an dem freundschaftlichen Umgang, den er mit vielen Juden hat. Wer allerdings heute noch, allen Tatsachen zuwider, die vom KGB ins Leben gesetzten Propagandalügen des linken Schmierfinken Rolf Hochhuth glaubt (der übrigens ein sehr persönlicher Freund des widerwärtigen Holocaust-Leugners Irving ist), der muss sich, ob Jude, Christ oder Atheist, auch sagen lassen, dass er zum Opfer kommunistischer Propaganda wurde. Das, nicht mehr und nicht weniger, hat Pater Gumpel festgestellt.
    Auch ihm drehen sie lieber das Wort im Mund herum! Aber wer, wie Sie es taten, Menschen als „Affenpinscher oder Paviane“ bezeichnet, mit dem ist jede vernünftige Diskussion zwecklos! Sie sind damit auf das Niveau von Streicher und STÃœRMER gesunken, Herr von Schlickewitz, und bedienen sich der Sprache von Mördern und Abschaum. Sie teilen also mit den Nazis nicht nur ihren Hass auf die katholische Kirche, sondern auch die Terminologie für ihre Gegner. So spricht jedenfalls kein zivilisierter Mensch.
    Schämen Sie sich!

  27. Lieber Herr Huber,
    1. Ich weiß nicht, wie Sie diese extrem harte Sprache der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ als „recht schwach“ empfinden können. Erwarten Sie von einem Papst Kraftausdrücke? „Götzenkult“, „verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und Gottbefohlene Ordnung“, „oberflächliche Geister“, „blutmäßige Enge“, „einkerkern“, „Wahnprophet“ – das sind doch wohl ganz eindeutige Begriffe. Gerade für einen Egomanen wie Hitler, der sich für ein Instrument der Vorsehung hielt, muss es eine schwere Kränkung gewesen sein, wenn der Papst ihm erklärte: „Der im Himmel wohnt, lachet ihrer!“ In der gesamten Geschichte der Menschheit ist noch nie eine Regierung so heftig von einem Papst gemaßregelt worden! Für den Papst besteht nun mal keine Frage, ob im Himmel jemand lacht und auch nicht für die Millionen Katholiken, vor denen diese Enzyklika in den Kirchen Deutschlands verlesen wurde – ermöglicht durch eine vatikanische Geheimaktion, da die Nazis von der Enzyklika im Vorfeld nichts erfahren durften. Jugendliche schmuggelten sie auf dem Fahrrad in die Kirchen, übergaben sie im Beichtstuhl, Pfarrer verwahrten sie im Tabernakel – alles mit dem Ziel, das Volk wachzurütteln.
    2. Exkommunikation bedeutet, nicht zu den Sakramenten zugelassen zu sein. Wie können Sie die Begriffe trennen? Die Taufe gilt selbst bei schlimmsten Vergehen ein Leben lang.
    3. 1930-33 wurden Hunderttausenden Nazis die Sakramente verweigert. Ich habe selbst im vatikanischen Geheimarchiv vergeweise Beschwerdebriefe gesichtet. Einer stammte übrigens von Hermann Göring.
    4. Vom Papst oder der Kurie wurde kein Nazi hofiert. Göring wurde nicht vorgelassen, d.h. in einem Vorzimmer abgefertigt. Als Hitler Rom besuchte, verließen der Papst und die Kurie demonstrativ die Stadt. Als von Ribbentrop 1940 eine Papstaudienz gewährt bekam, berichtete die New York Times anschießend: „It was learned today for the first time that the Pontiff, in the burning words he spoke to Herr von Ribbentrop about religious persecution, also came to the defense of the Jews in Germany and Poland.“
    5. Sie wollen doch bittesehr Bischof Mixa nicht als Militärbischof der Nazis bezeichnen, oder? Er ist Militärbischof unserer Bundeswehr! Das Zitat stammt aus einer publikation der deutschen Bischöfe aus dem Jahre 1932. Selbst nach der Machtergreifung gab es eine Erklärung der deutschen Bischöfe mit der Ãœberschrift „ein ernstes Wort in ernster Stunde“.

  28. Herr Hesemann, Ihnen scheint nicht klar zu sein, dass Sie sich auf dem besten Weg befinden, ganz üble Geschichtsbeugung zu betreiben.

    Wenn Sie behaupten, Hitler habe der „christlich-jüdischen Zivilisation den Krieg erklärt“, oder Juden und Katholiken seien „Brüder“ und säßen „im selben Boot“ implizieren Sie, dass Katholiken genau so zu den Opfern Hitlers zählten wie Juden. Wie können Sie nur allen Ernstes den 6 Millionen von Deutschen ermordeten Juden, die äußerst bescheidene Anzahl der von den Nationalsozialisten getöteten Katholiken gegenüberstellen?

    Wie wenige Opfer die deutschen Katholiken zu beklagen hatten, hat u.a. Karlheinz Deschner festgestellt; dass sich unter diesen Opfern zwar Priester aber keine Bischöfe oder Kardinäle befanden, beweist darüberhinaus die ungeheure Feigheit und Verwerflichkeit des deutschen höheren katholischen Klerus zur Zeit des NS.

    Wie sonst konnte der ehem. Bundeskanzler Konrad Adenauer, ebenfalls ein Katholik, in einem Brief an einen Priester im Jahre 1946 solche Worte finden, wie:

    „Nach meiner Meinung trägt das deutsche Volk und tragen auch die Bischöfe und der Klerus eine große Schuld an den Vorgängen in den Konzentrationslagern. Richtig ist, dass nachher vielleicht nicht viel mehr zu machen war. Die Schuld liegt früher. Das deutsche Volk, auch Bischöfe und Klerus zum großen Teil, sind auf die nationalsozialistische Agitation eingegangen. Es hat sich fast widerstandslos, ja zum Teil mit Begeisterung auf all den in dem Aufsatz gekennzeichneten Gebieten gleichschalten lassen. Darin liegt seine Schuld. Im Ãœbrigen hat man aber auch gewusst – wenn man auch die Vorgänge in den Lagern nicht in ihrem ganzen Ausmaß gekannt hat -, dass die persönliche Freiheit, alle Rechtsgrundsätze mit Füßen getreten wurden, dass in den Konzentrationslagern große Grausamkeiten verübt wurden, dass die Gestapo, unsere SS und zum Teil auch unsere Truppen in Polen und Russland mit beispiellosen Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung vorgingen. Die Judenpogrome 1933 und 1938 geschahen in aller Öffentlichkeit. Die Geiselmorde in Frankreich wurden von uns offiziell bekannt gegeben. Man kann also wirklich nicht behaupten, dass die Öffentlichkeit nicht gewusst habe, dass die nationalsozialistische Regierung und die Heeresleitung ständig aus Grundsatz gegen das Naturrecht, gegen die Haager Konvention und gegen die einfachsten Gebote der Menschlichkeit verstießen. Ich glaube, dass, wenn die Bischöfe alle miteinander an einem bestimmten Tag öffentlich von den Kanzeln aus dagegen Stellung genommen hätten, sie vieles hätten verhüten können. Das ist nicht geschehen, und dafür gibt es keine Entschuldigung. Wenn die Bischöfe dadurch ins Gefängnis oder ins Konzentrationslager gekommen wären, so wäre das kein Schade, im Gegenteil. Alles das ist nicht geschehen und darum schweigt man am besten.“

    Gerade den Katholiken fällt die Hauptschuld am Zustandekommen des Dritten Reiches zu. Nur im erzkatholischen Bayern war die Geburt eines derartigen Wahnsinns, wie es der NS darstellte, denkbar. Man stelle sich nur mal vor, Hitler hätte seine ‚Karriere‘ im protestantischen Berlin oder in Hannover oder Hamburg in der Weise begonnen, wie er dies in München tat. Man hätte ihn ausgelacht, oder ins Irrenhaus gesperrt!
    Nur den Bayern mit ihrem katholisch, devot-bigotten, untertanenhaft-unterwürfigem, dem selbständigen Denken abholden Volkscharakter konnte man so einen gefährlichen Blödsinn wie den Nationalsozialismus ‚andrehen‘.
    David Clay Large hat in seinem München-Buch deutlich gemacht, was für ein Haufen Deppen dieses katholische Bayern der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg war. Wie politisch und geistig unmündig die Bevölkerung nach all den Jahrhunderten katholisch-monarchischer (bzw. katholisch-herzöglicher bzw. katholisch-kurfürstlicher) Verdummung war. Bekanntlich konnte sich der NS erst um 1925/26, als er in Bayern bereits fest verankert war, auf die übrigen Teile Deutschlands ausbreiten.

    Der Katholizismus war, wie ich früher schon festgestellt habe, der geistige Unterboden für die katholisch getauften Führungspersönlichkeiten Hitler, Himmler, Goebbels, Göring. Aber ebenso katholisch waren auch in ihrer überwiegenden Mehrheit jene Kretins, die sich in Deutschlands dienstältestem KZ, dem in Dachau, bereit fanden, Menschen zu quälen und zu vernichten, die ferner mit Dachau das schauerliche Musterlager schufen für 2000 weitere ähnliche ‚Anstalten‘ in Deutschland und im von Deutschen besetzten Europa.

    Auch Ihre Gleichsetzung, Herr Hesemann, der Jesuiten mit den Juden als Zielgruppen von Hitlers Hass-Propaganda kann nicht unkommentiert bleiben.

    Die SS lobte die Jesuiten sogar, weil diese in ihren Aufnahmeregeln einen Passus führten, der vorsah, dass man noch wesentlich mehr Generationen zurück keinen Juden in seinem Stammbaum haben durfte als sie, die SS, selbst. Goldhagen belegt zudem anhand mehrerer Stellen aus der von Jesuiten herausgegebenen Hauszeitschrift des Vatikan, Civilta Cattolica, um was für abartige Judenhasser es sich bei den Jesuiten handelte und wohl noch heute handelt, wenn wir uns etwa die Statements des moralisch wie sittlich verkommenen Jesuitengeistlichen Peter Gumpel SJ einmal vornehmen. Dieser verunglimpfte und beschimpfte die jüdischen Teilnehmer jener jüdisch-vatikanischen Kommission, die die Biografie von Pius XII. durcharbeiten sollte in einer Weise, wie es sonst nur bei üblen Antisemiten üblich ist. Er wärmte u.a. den alten Vorwurf, Juden seien „Drahtzieher des Kommunismus“, noch in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wieder auf! Den Vorwurf der Nationalsozialisten!
    Um dann das Fass noch zum Ãœberlaufen zu bringen, hat dieser Gimpel von einem jesuitischen Ordensgeistlichen in einer Sendung von CBS (im März 2000)erklärt: „Seien wir doch ehrlich (…) Tatsache ist, dass die Juden Christus getötet haben. Das ist eine unbestreitbare Tatsache.“
    Mit solchen Affenpinschern oder Pavianen sitzt ganz sicher kein Jude „in einem Boot“.

    Soviel für heute. Mehr morgen.

    RS

  29. Lieber Herr Hesemann,
    1) genau das schrieb ich auch. “Mit brennender Sorge” nimmt mit einem Absatz von 53 (will jetzt nicht mehr nachschauen, vielleicht waren es 51) recht schwach zum Rassenwahn Stellung.
    Die Stellungnahme zum Adolf: „Der im Himmel wohnt, lachet ihre!” ist tatsächlich extrem schwach. Jeder Nicht-Himmel-Gläubige schert sich einen Dreck darum, ob im Himmel jemand lacht. Genau dazu passt meine Chicken-Magazine-Anzeige!
    2) „NICHT zu den hl. Sakramenten zugelassen, also für exkommuniziert.“ Das weiß ich sogar noch aus meiner Katholikenzeit, dass dies nicht gleichzusetzen ist. Ich heiratete z.B. als damals noch Katholik eine Nicht-Katholikin. War damit NICHT zu den hl. Sakramenten zugelassen, aber keinswegs exkommuniziert.
    3) Mir ist auch nicht bekannt, dass je einem NSDAP Mitglied ein Sakrament verweigert worden wäre. Die Kommunionbänke in den deutschen Kirchen wären zur NS-Zeit leer gewesen.
    Ich kann also weiter davon ausgehen: Hitler war bis zum letzten Atemzug Katholik und mit ihm viele aus der NS-Riege.
    4) Für alle Ihre Belege, wo die Nazis (streng) getadelt wurden, gibt es x Belege dafür, dass sie vom Kath. Klerus hofiert wurden.
    5) “Der katholische Christ muss sich entscheiden für Christus oder für Hitler.”
    Da kann man nur lachen. Wenn das doch der Fall gewesen wäre! Millionen Soldaten und NS-Schergen wären keine Christen mehr gewesen. Es gab und gibt sogar Militärbischöfe. Faulhaber war einer; MIxa ist einer.
    6) Ich habe Ihnen genau das Gegenteil genannt. Franz Jägerstätter wurde von seinem Bischof in einem Vier-Augengespräch _zu_ Hitler geraten. Inzwischen wurde er (Jägerstätter, nicht Hitler) selig gesprochen. Aber viele Jahre nach 1945 war er den Österreichern und dem kath. Klerus ein Dorn im Auge und der Linzer Bischof stellte ihn noch nach 1945 als Kriegsverräter hin. Aufs Kriegerdenkmal kam er erst nach Jahrzehnten. http://www.gavagai.de/krieg/HHD311.htm
    Da kann mal erkennen, was ein wirklicher Christ leisten konnte. Es war ein einfacher Mann (kein Theologiestudium). Und nur einer von ein paar!
    7) Zum Vermögen der kath. Kirche: ich habe nie vom liquiden Vermögen gesprochen. Bei allen „Reichste der Welt“-Aufstellungen wird auch das Anlagevermögen berücksichtigt. Auch Bill Gates ist nur enorm reich, weil er Aktien von Microsoft hat (die er ebenso wenig alle verscheuern kann wie die kath. Kirche ihre Grundstücke etc.).

    Lieber Jim,
    Si zitieren genau die Sachverhalte, die ich der Kath. Kirche ankreide. Sie paktiert sehr oft mit den Mächtigen.
    Zitat aus Ihrem Posting: „Am Opportunismus“, so Stratmann, „geht das Christentum zugrunde…“ Wäre es nur wahr, dann müßte die Kath. Kirche schon längst den Bach runter sein.
    Dann: „dass es für die kirchlichen Oberbehörden weit wichtigere Gegenwartsfragen gebe, zu nennen seien hier der Fortbestand der katholischen Vereine und der Bekenntnisschulen.“
    Trifft genau. Das Kreuz im Klasszimmer war/ist wichtiger als der abgeführte Jude aus dem Klasszimmer. Oder heute der „abgeschobene“ Flüchtling.
    Danke für den Beitrag und den Link.
    Im übrigen ist es ja immer noch so. Homosexuelle und Kondome sind das Feindbild des Vatikans. Auch heute setzt er sich nicht energisch gegen Armut und für die Millionen Menschen auf der Flucht ein. Im Gegenteil: Prunk ist angesagt in den eigenen Reihen.
    Erst vor wenigen Tagen beklagte sich ein SZ-Leserbriefschreiber: eine kath. Verwandte von ihm wurde von 1 Referentin (!) zu Grabe begleitet. Am selben Tag waren bei der Beerdigung der R. von Habsburg mehrere Bischöfe, ein Vatikanabgesandter, Äbte etc.
    Dabei ist die Frau in der Stellung der Kath. Kirche – wie man weiß – ganz unten.
    Die evang. Frau Helmut Kohls, die mit dem Freitod, wurde in einer kath. Prunkbeerdigung bestattet. Wenn ein Mann aus dem Volke den Freitod wählt müssen seine Verwandten darum kämpfen, dass er kirchlich beerdigt wird. Bis vor wenigen Jahren ging da nix. Außerhalb des Friedhofs war angesagt.
    Dass ein einfacher Protestan kath. beerdigt wurde habe ich noch nie gelesen. Seine Ãœberlebenden würden mit diesem Wunsch sauber auflaufen, es sei denn, er gehörte zur Spitze des Adels, der Politik, der Wirtschaft, …

  30. Stichwort Faulhaber:

    Thomas Breuer* (22.05.2003): Die Haltung der katholischen Kirche zur Judenverfolgung im Dritten Reich

    […] Im 1930 erschienenen 1. Band dieses Lexikons findet sich ein Faszikel „Antisemitismus“ aus der Feder Gustav Gundlachs (1892-1963), eines Jesuiten, der acht Jahre später zusammen mit einem französischen und einem amerikanischen Mitbruder den Entwurf für die nicht veröffentlichte Antirassismus-Enzyklika Pius XI. erarbeitete. Gundlach unterschied „eine völkisch u[nd] rassenpolitisch eingestellte von einer staatspolitisch eingestellten Richtung des A[ntisemitismus]“. Die erste Richtung sei „unchristlich, weil es gegen die Nächstenliebe“ sei, „Menschen allein wegen der Andersartigkeit ihres Volkstums […] zu bekämpfen“, die zweite Richtung hingegen „erlaubt, sobald sie tatsächlich-schädlichen Einfluß des jüd[ischen] Volksteils […] mit sittl[ichen] u[nd] rechtl[ichen] Mitteln“ bekämpfe40.

    Unerlaubt war der Antisemitismus also nur, insoweit er auf dem biologistischen und sozialdarwinistischen Rasseglauben beruhte. Der katholisch als vertretbar angesehene Antisemitismus aber war weit mehr als ein rein religiöses Phänomen; er hatte auch soziale, wirtschaftliche und politische Dimensionen41 .

    Ganz im Einklang mit diesem Denken erläuterte Erzbischof Faulhaber in einem Brief an Kardinal Bertram am 23.10.1936 den Unterschied zwischen der nationalsozialistischen und der katholischen Auffassung wie folgt: „Der Staat hat das Recht, gegen Auswüchse des Judentums in seinem Bereich vorzugehen, im besonderen wenn die Juden als Bolschewisten und Kommunisten die staatliche Ordnung gefährden. Für jene Juden aber, die zur katholischen Kirche übertreten, wobei die reine Absicht der Konversion von kirchlicher Seite immer strenge geprüft wird, kann der Staat die beruhigende Sicherheit haben, daß es sich nicht um Kommunisten oder Bolschewisten handelt. Die nationalsozialistische Weltanschauung verfolgt nach ihrem blut- und rassenmäßigen Grundsatz >Jude bleibt Judeneues Geschöpf<, ein wirkliches Kind der Kirche Gottes geworden. […] Damit hat der getaufte Jude ein Recht erworben, von den kirchlichen Stellen als Christ und nicht mehr als Jude behandelt und wenigstens nicht an die antisemitischen Feinde ausgeliefert zu werden“42 . Ich möchte betonen, dass diese Ausführungen einem kircheninternen Schreiben entnommen sind. Wir dürfen also davon ausgehen, dass sie die tatsächlichen Ansichten des Münchener Kardinals wiedergeben. Und diesen Anschauungen gemäß war nicht jegliche Judenverfolgung zu verwerfen, sondern nur diejenige, die undifferenziert alle 'Rassejuden' betraf und somit auch Katholiken einschloss.

    Auch Faulhabers berühmte Adventspredigten vom Dezember 1933 waren alles andere als eine „Brandmarkung der Judenverfolgung"43 . Die Ansprachen des Münchener Kardinals, der übrigens vor seiner Bischofsernennung Professor für atl. Exegese gewesen war, richteten sich eindeutig gegen die von den Deutschen Christen, einer protestantischen Gruppierung, und von NS-Ideologen wie Alfred Rosenberg vorgebrachten Angriffe gegen das Alte Testament, nicht aber gegen die aktuelle Judenverfolgung. In seiner ersten Adventspredigt stellte der Kardinal einleitend fest, die Rassenforschung sei „an sich eine religiös-neutrale Sache“, wenn sie jedoch zum Kampf gegen die Religion sammle und die Grundlagen des Christentums erschüttere, dann dürfe der Bischof nicht schweigen. „Um jedes Mißverständnis auszuschließen“, erklärte Faulhaber, dass er sich nur mit dem Israel der biblischen Vorzeit befassen werde, denn mit der Kreuzigung des Heilands habe das Volk der Juden von Gott den Scheidebrief erhalten, und seitdem wandere der „ewige Ahasver“ ruhelos über die Erde. Das Christentum aber dürfe nicht wegen seiner ursprünglichen Beziehung zum vorchristlichen Judentum verdammt, und die Abneigung gegen die Juden von heute dürfe nicht auf die hl. Bücher des Alten Testaments übertragen werden44 . – Wenn der Münchener Erzbischof trotz dieser unzweideutigen Worte in den Ruf eines Verteidigers der Juden geriet, so zeugt dies von der Erwartungshaltung vieler Menschen, nicht aber von den Intentionen des Predigers. Die letzten Zweifel an seiner Haltung zerstreute Faulhaber im Sommer 1934, als er sogar auf Flugblättern verbreiten ließ, er habe in seinen Adventspredigten „das altbiblische Schriftentum Israels verteidigt, nicht aber zur Judenfrage von heute Stellung genommen“45 .

    Der am weitesten verbreitete antijudaistische Topos war wohl die Anklage der Juden als Gottesmörder. Auch hierfür sei ein Beispiel angeführt. Ein halbes Jahr vor dem Beginn der Deportationen, am Karfreitag des Jahres 1941, …[…]

  31. Stichwort Faulhaber:

    Thomas Breuer* (22.05.2003): Die Haltung der katholischen Kirche zur Judenverfolgung im Dritten Reich

    […]Diese Vorurteile versuchten sich die Nationalsozialisten zunutze zu machen, als sie für den 1. April 1933 einen Boykott jüdischer Geschäfte ankündigten. Daraufhin sprach der Direktor der Deutschen Bank von Berlin, Oskar Wassermann, bei dem Breslauer Kardinal Bertram, dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, vor, um diesen zu einer Intervention bei der Reichsregierung zu bewegen. Bertram wollte diese Entscheidung nicht alleine verantworten und fragte bei allen Erzbischöfen an, ob ein solcher Schritt opportun sei. Er selbst, so fügte er hinzu, sei aus mehreren Gründen dagegen. Erstens handle „es sich um einen wirtschaftlichen Kampf in einem uns in kirchlicher Hinsicht nicht nahestehenden Interessenskreise“, zweitens solle sich der Episkopat auf sein eigenes Arbeitsgebiet beschränken, drittens dürfte der Schritt keinen Erfolg haben, und viertens könne die sicherlich üble Interpretation, die eine solche Parteinahme in den weitesten Kreisen finden werde, den Bischöfen nicht gleichgültig sein. Es kann nicht überraschen, dass nach diesem Votum ein Protest der Bischöfe unterblieb. Allein der Freiburger Erzbischof Gröber hatte zu einer Intervention geraten – bezeichnenderweise „mit Rücksicht auf Schuldlose und Convertierte“ 9.

    Nachdem der Breslauer Kardinal sich mit seinen Bedenken durchgesetzt hatte, erreichten den Münchener Erzbischof Faulhaber, der ebenfalls von einer Intervention abgeraten hatte, mehrere Protestschreiben. Der Berliner Studentenseelsorger Franziskus Stratmann, der führend im Friedensbund deutscher Katholiken tätig war und im Laufe des Jahres 1933 emigrierte, teilte Faulhaber bestürzt mit, dass „selbst Priester […] ihre antisemitischen Instinkte durch dieses sündhafte Treiben [sc. die Judenhetze] befriedigt“ fühlten. Dagegen verlangte er entschiedenes Vorgehen: „Am Opportunismus“, so Stratmann, „geht das Christentum zugrunde. […] Man sagt: die Bischöfe haben gegen die Fürstenenteignung protestiert; warum schweigen sie zu dieser weit schlimmeren Enteignung?“10 Auch der Priester und Publizist Alois Wurm beklagte sich bei dem Münchener Kardinal über das Schweigen der Katholiken zur Hassschürung gegen die Juden. Dies erscheine sehr vielen als katholisches Versagen11 . Faulhaber gestand in seiner Antwort zwar ohne weiteres zu, dass das Vorgehen gegen die Juden unchristlich sei, beschied den Bittsteller aber nichtsdestoweniger, dass es für die kirchlichen Oberbehörden weit wichtigere Gegenwartsfragen gebe, zu nennen seien hier der Fortbestand der katholischen Vereine und der Bekenntnisschulen. Im Ãœbrigen könnten die Juden sich selber helfen, und die Kirche dürfe der Regierung keinen Grund geben, die „Judenhetze in eine Jesuitenhetze umzubiegen“. Voller Selbstmitleid teilte der Kardinal schließlich mit: „Ich bekomme von verschiedenen Seiten die Anfrage, warum die Kirche nichts gegen die Judenverfolgung tue. Ich bin darüber befremdet; denn bei einer Hetze gegen die Katholiken oder gegen den Bischof hat kein Mensch gefragt, was man gegen diese Hetze tun könne. Das ist und bleibt das Geheimnis der Passion“12 . Die Anfragen bei den Bischöfen häuften sich besonders deswegen, weil die NS-Regierung nur eine Woche nach der Boykott-Aktion das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ verabschiedete, das per „Arierparagraph“ die Entlassung von Juden aus dem Staatsdienst ermöglichte. Dass von dieser Maßnahme auch zum christlichen Glauben konvertierte Juden betroffen waren, fand nun auch Kardinal Faulhaber besonders ungerecht und schmerzlich. Von den zahlreichen Bittgesuchen zeigte er sich dennoch genervt. In einem Brief an den Augsburger Bischof Kumpfmüller machte er seinem Ärger Luft: „Einem geistig hochstehenden, jüdisch geborenen, jetzt ernsten Katholiken habe ich erklärt, daß bei der Taufe ausdrücklich gesagt werde, der Glaube nütze zum ewigen Leben und daß niemand von der Taufe irdische Vorteile erwarten dürfe. Trotzdem geht man jetzt förmlich mit Mitleid für die getauften Juden hausieren“13 . Immerhin nahm der deutsche Episkopat in seinen programmatischen Hirtenbrief vom 3. Juni 1933 einen indirekten Protest gegen dieses Gesetz auf. Die ausschließliche Betonung der Rasse, so mahnten die Bischöfe, führe zu Ungerechtigkeiten, „die das christliche Gewissen belasten, vor allem, wenn sie Mitmenschen treffen, die in Christus durch das hl. Sakrament der Taufe wiedergeboren sind“. Deshalb solle der Staat die Einheit und Geschlossenheit des Volkes, die er dankenswerterweise erstrebe, nicht durch die „Blutsgleichheit“, sondern durch die „Gesinnungsgleichheit“ seiner Bürger verwirklichen14 . Mit anderen Worten: Die Bischöfe begrüßten die Zerschlagung der pluralistischen Demokratie von Weimar und votierten für einen autoritären Staat auf sogenannter christlicher Grundlage. In diesem Staat hätte die Regierung gegen all diejenigen vorzugehen, die offensiv eine antikirchliche Einstellung vertraten. Entsprechend zeigten sich die Bischöfe erfreut über die Ausschaltung von Kommunisten, Freidenkern und Zeugen Jehovas. Auch gegen die so bezeichneten „Auswüchse des Judentums“ hätte die Regierung einschreiten dürfen15 , nicht aber gegen die Juden als Rasse, insbesondere deshalb, weil davon auch Katholiken betroffen waren16 .

    Die auf dem Verordnungs- und Gesetzeswege erfolgende schrittweise Entrechtung der Juden beobachteten Bischöfe und Geistliche bis auf wenige Ausnahmen teilnahmslos. Zu den Nürnberger Gesetzen vom September 1935, mit denen die Juden zu Bürgern minderen Rechts erklärt sowie Eheschließungen und außereheliche sexuelle Beziehungen zwischen Juden und Ariern verboten wurden, erfolgte keinerlei Verlautbarung der deutschen Bischöfe. Als jedoch im darauffolgenden Jahr …[…]

    *Dr. Thomas Breuer ist Oberstudienrat für Kath. Theologie/Religionspädagogik an der PH Ludwigsburg und einer der Herausgeber von THEOPHIL-online.

  32. Lieber Herr Huber,
    natürlich nimmt „Mit brennender Sorge“ zu einer Reihe von Punkten Stellung, aber eben auch ganz klar zur Rassenfrage, wenn es dort heißt:
    „Wer die Rasse oder das Volk aus ihrer irdischen Wertskala herauslöst, sie zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge…
    Nur oberflächliche Geister können den Wahnversuch unternehmen, Gott in die Grenzen eines einzelnen Volks, in die blutmäßige Enge einer einzelnen Rasse einkerkern zu wollen.“ Gott habe die Zehn Gebote allen gegeben: „Sie gelten unabhängig von Zeit und Raum, von Land und Rasse. So wie Gottes Sonne über allen leuchtet … so kennt auch sein Gesetz keine Vorrechte und keine Ausnahmen.“
    Die Enzyklika endet mit einem direkten Angriff auf Hitler. Sei nennt ihn einen „Wahnpropheten“, „auf den das Schriftwort seine Anwendung findet: Der im Himmel wohnt, lachet ihre!“
    Wenn Sie das milde nennen, frage ich mich, weshalb die Nazis dann so heftig reagiert haben und warum die NS-Presse von einer „Beleidigung Deutschlands“ sprach.
    Am 30.9.1930 erklärte das Bischöfliche Ordinariat Mainz NSDAP-Mitglieder für NICHT zu den hl. Sakramenten zugelassen, also für exkommuniziert. Der Osservatore Romano schrieb in seinem von Pacelli lancierten Leitartikel am 11.10.1930, dass eine Mitgliedschaft in der Hitlerpartei „mit den katholischen Gewissen nicht vereinbar“ sei. Daraufhin bezeichnete auch Kardinal Faulhaber am 19.11.1930 den NS als „Häresie und mit der christlichen Weltanschauung nicht in Einklang zu bringen“. Daraufhin schloss sich ein Großteil der Bistümer der Praxis an, Nazis die Sakramente zu verweigern. Schließlich verabschiedete man auf der Fuldaer Bischofskonferenz 1932 einheitliche Richtlinien. So wurden die „Irrlehren“ im Parteiprogramm ebenso angeprangert wie der „glaubensfeindliche Charakter der NS-Kundgebungen“. Die Erklärung vom 19.8.1932 beginnt sogar mit der Feststellung: „Sämtliche Ordinariate haben die Zugehörigkeit zu dieser Partei für unerlaubt erklärt“ und damit die Nazis generell für exkommuniziert; Ausnahmen gelte es lediglich zu machen, wenn ein Christ Parteimitglieds sei „wegen schuldlos irrender Auffassung, wegen Einflusses einer Art Massenpsychose, wegen terroristischen Zwanges, wegen sonst eintretender verhängnisvoller Folgen“. All das traf natprlich auf die Parteileitung nicht zu, womit Hitler de facto spätestens seit 1932 exkommuniziert war. Es wurde sogar ein Buch herausgegeben, dessen Titel programmatisch war: „Christus! – nicht Hitler“ und das mit dem Aufruf endete: „Der katholische Christ muss sich entscheiden für Christus oder für Hitler.“
    Leider sah man nach Hitlers Schalmeienklängen im März 1933 keinen Grund mehr, die Exkommunikation aufrechtzuerhalten, was in Rom heftig kritisiert wurde.
    So reich, wie Sie denken, Herr Huber, ist der Vatikan nun wirklich nicht – jedenfalls nicht, was LIQUIDES Vermögen betrifft. Leider wird oft der Fehler gemacht, das Immobilienvermögen oder die Kunstschätze im Besitz der Kirche, die natürlich immense Werte darstellen, mit dem liquiden Vermögen zu verwechseln.

  33. Zur ENZYKLIKA „MIT BRENNENDER SORGE“
    Wie so oft: die Enzyklika , die ich mir wieder einmal durchgelesen habe, bestätigt meine vor Tagen hier geäußerte These: es geht der Kath. Kirche mehr um Symbole und Prozeduren denn um Menschen. Hier z.B. um „die konkordatgeschützte Bekenntnisschule“, „Erbsünde“, „Glauben ist das sichere Fürwahrhalten“ und ähnliche bedauernswerte Sachverhalte. Die Bekenntnissschule wurde AFAIK in den 60-ern auch in der BRD abgeschafft. So mit brennender Sorge verbunden ist sie also nicht.
    Pius XII spricht den hier relevanten Sachverhalt in 1 Absatz (von 53) an:
    „Wer die Rasse, oder das Volk, oder den Staat, oder die Staatsform, die Träger der Staatsgewalt oder andere Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung – die innerhalb der irdischen Ordnung einen wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten – aus dieser ihrer irdischen Wertskala herauslöst, sie zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge. Ein solcher ist weit von wahrem Gottesglauben und einer solchem Glauben entsprechenden Lebensauffassung entfernt.“
    Also _noch zahmer_ als die Anzeige im „Chicken Magazine“:
    To the one who burnt my house, stole my car, kidnapped my son, raped my daughter, killed my wife: shame on you! 😉
    Der Rassenverherrlichung wird in der Enzyklika sogar ein wesentlicher und ehrengebietender Platz eingeräumt! (Ich wollte drei Rufzeichen machen, halte mich aber zurück: vielleicht wären 42 Fragezeichen angebracht.)

  34. Lieber Herr Hesemann,
    Sie „berichtigen“ etwas zu oft Sachverhalte, die ich nicht genannt habe oder die ich sogar explizit ausgeschlossen habe.
    Sie: „Pius XII. war nicht Papst während der zwölfjährigen NS-Diktatur, sondern in den letzten sechs Jahren, den Kriegsjahren.“
    Ich: „Vorwurf richtet sich nicht nur an Pius XII. sondern auch an seinen Vorgänger.“
    Inwiefern mein Vorwurf an Pius XII. im Besonderen, an die Päpste im Allgemeineren und die gesamte Kath. Kirche zu wenig gegen die wirklichen Missstände (Missstände auch unter dem Blickwinkel der auf dem Papier festgehaltenen kath. Soziallehre, Ethik, etc.) zu tun, nicht zieht (nur weil Pius XII. eine Enzyklika geschrieben hat und sich an 2 Tagen öffentlich gegen das NS-Regime äußerte) ist mir unklar. Da bewerte ich diese extrem wenigen Ereignisse wohl nicht so hoch wie Sie.
    „Kein Bischof konnte sich mehr hinter dem Konkordat verstecken!“
    Ein interessanter und und ernst zu nehmender Vorwurf an fast alle kath. Bischöfe nach März 1937. Einverstanden. Sie taten es – bis auf wenige Ausnahmen – alle. Sie rieten z.B. Franz Jägerstätter ab, den Dienst im Verbrecherregime Hitler zu verweigern. (Wieder nur 1 winziges Beispiel). Andersherum, weil sich vielleicht manche Mitleser mit der doppelten Verneinung schwer tun: der Bischof von Linz drängte Jägerstätter ausdrücklich am Vernichtungskrieg teilzunehmen!
    „Die Exkommunikation der Nazis wurde bereits 1931 von diversen deutschen Bistümern ausgesprochen und vom Vatikan im Osservatore Romano bestätigt.“
    Wieder ein sehr interessanter und für mich neuer Sachverhalt. Bitte teilen Sie mir mit, wo ich im Osservatore Romano die Exkommunikation Hitlers nachlesen kann.
    Brennender wird dann die Frage: Wenn „Die Exkommunikation der Nazis wurde bereits 1931 ausgesprochen und vom Vatikan im Osservatore Romano bestätigt“ wurde, warum dann mit diesen Leuten noch Verträge über höchst katholische Inhalte abschließen? —
    Die Möglichkeit im Untergrund zu arbeiten wäre immer gegeben gewesen. Die Gründe für Ihr „Damit wäre ihr dann jede Möglichkeit, …“ sehe ich nicht.
    Dass der Vatikan irgendwann an seine finanziellen Grenzen ging ist wohl ein Witz. Dann wäre er so arm wie es Jesus verlangte und wie (ich nehme es an) es die frühen Christen praktizierte. Der Vatikan ist mit dem Iran der einzige Staat (im Volksmund Gottesstaat), wo Religionsoberhaupt faktisch = Staatsoberhaupt ist. Und er ist sehr reich.

  35. Thanks, @jim, you’re a real buddy!

    @Conenius
    Ich lasse mich nicht entmutigen; es gibt da noch so viele unbeantwortete oder nicht plausibel beantwortete Fragen, und die Antworten, die wir erhalten, werden immer flacher und hohler…

    @Herbert Huber
    Das Thema Homosexuelle (ebenso wie Sinti und Roma) kam in diesem Zusammenhang tatsächlich noch nicht ausreichend zur Sprache. Pius be- und verschwieg ihr Schicksal mit.
    Danke für Ihre wertvollen Beiträge und Ansatzpunkte!

    @Michael Hesemann

    Antwort folgt in Kürze.

  36. Herr Schlickewitz, lassen Sie sich bitte nicht entmutigen. Ich bin sehr beeindruckt, wie Sie Ihren Standpunkt verteidigen.
    Könnte man sagen, dass die Kirche „die Juden“ (in Gesamtheit) fallen liess (komischer Ausdruck, da sie sie ja nie gehalten hat), einzelne, die dann ganz persönlich vor Dankbarkeit und Loyalität gebeugt wurden, aber leben liess?
    Ein grausames und unwürdiges Spiel.

  37. Herr Huber,
    Pius XII. war nicht Papst während der zwölfjährigen NS-Diktatur, sondern in den letzten sechs Jahren, den Kriegsjahren. Zuvor aber war er Kardinalstaatssekretär unter Pius XII., der mit seiner Enzyklika „In brennender Sorge“ die wohl heftigste Verurteilung eines Regimes ausgesprochen hat, die in der gesamten Neuzeit aus dem Mund eines Papstes zu hören war. Ihr Text wurde, das ist anhand seiner handschriftlichen Korrekturen nachweisbar, von Pacelli verschärft. Mir ist nicht bekannt, dass je ein Papst eine Enzyklika zum Thema moralischer Verirrungen (wie der von Ihnen zitierten Homosexualität) verfasst hat.
    Schon damit hat er eigentlich die politische Neutralität verletzt, zu der er nach den Lateranverträgen verpflichtet gewesen wäre. Aber damals hoffte er Papst noch, die deutschen Katholiken wachzurütteln, was leider mißlang.
    Insofern ziehen Ihre Vorwürfe nicht. Der Kurs aus Rom war doch mit der Enzyklika eindeutig definiert. Kein Bischof konnte sich mehr hinter dem Konkordat verstecken!
    Die Exkommunikation der Nazis wurde bereits 1931 von diversen deutschen Bistümern ausgesprochen und vom Vatikan im Osservatore Romano bestätigt. Andererseits wußte Pius XII. durch seine Quellen im deutschen Widerstand, dass Hitler nur auf einen Vorwand wartete, um gegen die Kirche loszuschlagen, wie auch aus den Goebbels-Tagebüchern und den Tischgesprächen Hitlers eindeutig hervorgeht. Damit wäre ihr dann jede Möglichkeit, Untergrundarbeit gegen das Regime zu leisten und die Verfolgten zu schützen, genommen.
    Bei der Hilfsaktion für die verfolgten Juden 1942-45 ging der Vatikan bis an seine finanziellen Grenzen. Pius XII. beauftragte sogar seinen Neffen, Käufer für Gemälde aus den Vatikanmuseen zu suchen, um Hilfsgüter einkaufen und Ãœberfahrten finanzieren zu können. Zum Glück traf in letzter Stunde eine große Geldspende aus den USA ein…

  38. Eugenio Pacelli: Selig? Unglückselig?

    […] Die diplomatische Tätigkeit blieb für sein gesamtes weiteres Leben wirkmächtig. Er bewunderte die tüchtigen Deutschen, er liebte deren Kultur, er setzte sich für deren Kriegsgefangene ein. Die Angst vor dem Bolschewismus ging um. Auch der päpstliche Nuntius fürchtete das Äußerste. Kommunisten, Sozialdemokraten, Juden: für viele Deutsche ein Feindbild.

    1917 hatte Italien die Ausfuhr von Palmwedeln ins feindliche Deutschland gesperrt. Die Münchner Juden benötigten sie aber für ihr Laubhüttenfest. Ob nicht der Vatikan vermitteln könnte, fragte Münchens Oberrabbiner beim Nuntius vorsichtig an. Dieser berichtete nach Rom, wie er den jüdischen Bittsteller höflich hingehalten habe. Das hätte ja bedeutet, „. . . den Juden besondere Hilfe zu leisten“, „ihnen in positiver und direkter Weise bei der Ausübung ihres jüdischen Kultus beizustehen“.

    Pacelli blieb solcherart Liebling der vatikanischen Behörden in Rom. Erst recht, als er sich vorsichtig daranmachte, mit der Weimarer Republik ein Konkordat auszuhandeln, das seinesgleichen in der Welt suchen sollte. Es war Pacellis Meisterstück und rückte ihn schließlich dem Thron Petri ein gehöriges Stück näher. […]

  39. Herr Schlickewitz,
    was ich bei Herrn Cornwell kritisiere ist nicht, worüber er sonst noch geschrieben hat, sondern die Art und Weise, wie er in Sachen Pius XII. gearbeitet hat. Und da das überprüfbar ist, muss ich sagen: sehr unsauber!
    Wissen Sie, jedes Mal, wenn man im vatikanischen Geheimarchiv arbeitet, wird das registriert. Ich muss eintragen, wann ich komme und wann ich gehe. Daher kann ich Ihnen sagen, dass Herr Cornwell gerade einmal drei Tage im Geheimarchiv verbrachte. Das Geheimarchiv hat von 9-13 Uhr geöffnet, also nur vier Stunden. Erfahrungsgemäß kann ich Ihnen sagen, dass man den ersten Tag braucht, um sich einzuarbeiten – also bleiben zwei Tage oder 8 Stunden. Wie kann er in lächerlichen acht Stunden seriös recherchiert haben? Natürlich konnte er das nicht. So hat er einen ziemlich beschränkten Einblick bekommen. Zudem habe ich ihn zweimal der Manipulation überführt, so bei der oben behandelten manipulativen Ãœbersetzung. Dass ich da wenig Respekt vor ihm habe liegt einzig und allein an der Qualität seiner Arbeit!
    Warum soll es eine „Lügen-Leier“ sein, dass Hitler der jüdisch-christlichen Zivilisation an sich den Krieg erklärt hat? Ist Ihnen nicht bekannt, dass er schon in den 1920er Jahren „gegen die Juden und Jesuiten“ hetzte? Und dass auch 1938 die Ausschreitungen der Kristallnacht „gegen die Juden und ihre schwarzen Bundesgenossen“ gerichtet waren? Nein, Juden und Katholiken sind Brüder und sitzen im selben Boot und nie in der Geschichte war dies so offensichtlich wie im nationalsozialistischen Terror!
    Im Schioppa-Bericht kommt „Jude“ nicht häufiger vor als „Russe“. Wollen Sie auch behaupten, das Wort „Russe“ sei, aus dem Munde eines Katholiken, als Diskriminierung gedacht? Immerhin hat der deutsche Orden ja mal gegen die Russen gekämpft …
    Es ist ja fein, dass Sie die Freundschaftsbeweise Pacellis gegenüber diversen Vertretern des Judentums mit seiner „Softness“ abzutun versuchen. Aber Sie unterstellten ihm doch Antisemitismus! War er so „soft“, dass er seine (ihm von Ihnen angedichtete) Abneigung „vergessen“ konnte?
    Als er von dem schrecklichen Mord an Millionen Juden erfuhr, handelte Pius XII. Er rettete immerhin 850.000 von ihnen. Und er war der Einzige unter den Mächtigen dieser Zeit – Schande über sie! -, der HALF. Während die USA Schiffe mit jüdischen Flüchtlingen an Bord umkehren ließen, während die Briten hübsche Luftaufnahmen von Auschwitz schossen, statt die Bahngleise zu bombardieren, charterte er Schiffe, um Juden in die Karibik und nach Brasilien zu bringen, wo immerhin ein begrenztes Kontingent an Visa zur Verfügung gestellt wurde. Er gab sein gesamtes Privatvermögen als Pacelli aus, um jüdische Flüchtlinge zu versorgen. Dabei musste er natürlich immer darauf achten, diskret zu handeln, denn die Nazis durften von all dem, von der größten Rettungsaktion der Geschichte, nichts erfahren. Nun fragen Sie, weshalb er nicht lauter gehandelt hat?? Ich verrate Ihnen den Grund: Weil er das Leben Hunderttausender Juden, die in kirchlichen Institutionen versteckt waren, nicht gefährden wollte! Er wollte sich das Lob der Nachwelt – IHR LOB, lieber Herr Schlickewitz, nicht mit dem Leben Hunderttausender erkaufen!
    Ich habe mich mit der Zeit Rattis in Polen nicht beschäftigt. Es wäre also unseriös, auf Goldhagen zu antworten. Mein Thema war und ist Pacelli. Ich kann nur Rattis Handlungen und Äußerungen während seines Pontifikats als Pius XI. kommentieren, gipfelnd in seinem Ausspruch „Spirituell sind wir alle Semiten“ (6.9.38). Ich habe auch das Telegramm an Mussolini vom 12.12.38, in dem im Fall einer Einführung der Rassengesetze eine „Violente crisi d’ira del Pontefice“ angedroht wird, vorliegen. Oder den „Syllabus“ gegen den Rassismus vom 13.4.1938, verschickt an alle katholischen Universitäten und Seminare, in dem die Rassen-Ideologie als „unverschämte Verleumdung und gefährliche Doktrin … die den Verstand verdirbt und die wahre Religion entwurzelt“ bezeichnet. Das ist der Pius XI., den ich dokumentieren kann. Seine Zeit in Polen war nie Teil meiner Arbeit.
    Humani generis unitas: Pius XI. hat LaFarge beauftragt, weil er von dessen Arbeit zum Rassismus gegen die Schwarzen in den USA beeindruckt war, nicht, weil er Pacelli mißtraute; tatsächlich wußte Pacelli ja bestens bescheid. Allerdings war der Entwurf, den LaFarge einreichte, eine Katastrophe, denn er war voller christlicher Antijudaismen. Eine Veröffentlichung wäre Wasser auf die Mühlen der Nazi-Propaganda gewesen. So hieß es darin, die Juden hätten, „durch den Traum von weltlichem Gewinn und materiuellen Erfolg verblendet, das verloren, wonach sie selbst gesucht haben“. Oder es ist die Rede von „diesem unglücklihen Volk, das sich selbst ins Unglück führte, dessen verstockte Führer den göttlichen Fluch auf ihre eigenen Häupter herabbeschworen“. Es ist sogar von den „spirituellen Gefahren … denen der Kontakt mit den Juden die Seelen aussetzen kann“ die Rede. Wollen Sie noch mehr von diesem gefährlichen Unsinn hören, um zu verstehen, weshalb Pius XI. den Text mit dem handschriftlichen Vermerk „ABGELEHNT!“ zurück geschickt hat – nur wenige Wochen vor seinem Tod?
    Alle brauchbaren Elemente dagegen konnte Pacelli recyclen: In seiner ersten Enzyklika „Summi Pontificatus“, Thema: „Not und Irrtümer unserer Zeit und ihre Ãœberwindung in Christus“.
    Da bereits seit zwei Monaten der zweite Weltkrieg tobte, war der Rassismus eines von zwei Hauptthemen – aber mit den „Irrtümern“ waren an erster Stelle, so die Enzkylika, „Theorien (gemeint), wleche die Einheit des Menschengeschlechtes leugneten … und das Gesetz der Solidarität und der Liebe in Vergessenheit geraten lassen.“ Die Kirche dagegen lehre, dass alle Menschen und Völker „aus einem einzigen Stamm sind“. Daher hätten die Opfer von Krieg und Rassismus gleichermaßen „ein Recht auf Mitleid und Hilfe“.

  40. The Vatican Opposes Jewish Home in Palestine (June 22, 1943)

    […] The second point concerns Palestine itself. Catholics the world over are piously devoted to this country, hallowed as it was by the presence of the Redeemer and esteemed as it is as the cradle of Christianity. If the greater part of Palestine is given to the Jewish people, this would be a severe blow to the religious attachment of Catholics to this land. To have the Jewish people in the majority would be to interfere with the peaceful exercise of these rights in the Holy Land already vested in Catholics.

    It is true that at one time Palestine was inhabited by the Hebrew Race, but there is no axiom in history to substantiate the necessity of a people returning to a country they left nineteen centuries before.

    If a “Hebrew Home” is desired, it would not be too difficult to find a more fitting territory than Palestine. With an increase in the Jewish population there, grave new, international problems would arise. Catholics the world over would be aroused. The Holy See would be saddened, and justly, so, by such a move, for it would not be in keeping with the charitable assistance non-arians [sic] have received and will continue to receive at the hands of the Vatican.

    I am confident that from these points, Your Excellency will appreciate the position of the Holy See in this matter.

  41. Zwei Nachgedanken:
    meine Vorwurf richtet sich nicht nur an Pius XII. sondern auch an seinen Vorgänger.
    Es wäre interessant den 2 öffentlichen verbalen Stellungnahmen am 24.12.1942 und am 2. Juni 1943 gegen den Judenmord entgegenzustellen, wie oft sich Pius XII. in seiner Amtszeit bis 1945 gegen den Bolschewismus und Kommunismus ausgesprochen hat. Da werden zwei Hände mit allen Fingern nicht reichen.

  42. Sehr geehrter Herr Hesemann,
    ich habe doch extra zu Antisemitismus & Pius XII. geschrieben: „was ich nicht behaupte, dazu kenne ich seine Biografie zu wenig“. Weit über die Hälfte des Postings (die nachweisen soll, Pius XII. war kein Antisemit) betrifft mich also nicht.
    Wenn Pius XII. in zwölf Jahren NS-Terrorherrschaft und mind. eben so langwährender Judenverfolgung in Deutschland sich an 2 Tagen öffentlich dagegen ausgesprochen hat .. na, ja. Josef Ratzinger ist noch keine 5 Jahre Papst und hat 1234 mal öffentlich gegen Homosexuelle und Kondome gewettert (OK, vielleicht übertrieben, 1232 mal).
    Zum Konkordat: „die letzte Rechtsbasis der Katholiken in Deutschland aufzugeben“. Hierzu lese ich immer, Hitler hätte es eh nicht eingehalten. Da wäre der formale Kündigungsakt super gewesen. Signalwirkung! Ich meine, das Konkordat war den Nazis auch nach 1933 noch sehr angenehm: einige Bischöfe kamen in Gewissensnöte (sagten sie später jedenfalls): wie können sie gegen Hitler sein, wenn der Vatikan mit dem Gröfaz Verträge schließt? Die Konkordatskündigung war außerdem nur 1 Beispiel von mir für eine mögliche Aktion durch den Vatikan.
    Beispiel 2: Ex-Kommunikation von Adolf und den anderen Katholiken in der NS-Riege. 3) Die Bischöfe ließen an seinem Geburtstag die Glocken läuten (war’s nicht auch nach den missglückten Attentaten so?). Hätte man lassen können. 4) Faulhaber predigte zum Gehorsam gegenüber den Nazis und dass jede Macht von Gott eingesetzt sei. Das hätte man vom Vatikan widerrufen können. (Ich habe noch ca. 2345 Vorschläge).
    BTW ich bin auch heute der Ansicht, dass der Vatikan sich viel zu wenig einsetzt: gegen Armut (die reichste Organisation der Welt will da wohl wenig tun), für die Flüchtlinge, für die Menschenrechte (der Papst spricht sich DAGEGEN aus! 1.2.2010 Antidiskriminierung in GB) usw.
    Wie so oft bei der Kath. Kirche: Anspruch und Taten divergieren wie das Weihwasser und der Teufel.

  43. Da haben wir sie schon wieder, die alte katholische (Lügen-)Leier: „Opfer waren Katholiken ebenso wie Juden“.

    Das führt uns nicht weiter, Herr Hesemann, auch nicht das Aufzählen von noch mehr und noch mehr Juden, die dem Papst dankten, die ihn hoch leben ließen, die ihm Konzerte und Blumen darbrachten oder -reichten.

    Bereits Goldhagen geht auf diese Tatsache ein und kommt zum Schluss, dass es tatsächlich Juden gab, die dem Papst Rettung und somit Dank schuldeten, jedoch stehen jedem geretteten Juden Tausende andere gegenüber, die ermordet wurden, weil der Papst eben doch nicht alle seine Möglichkeiten ausschöpfte.

    Ich möchte aber noch auf einige Punkte in Ihren früheren Kommentaren eingehen.

    Sie haben, Herr Hesemann, keinen Grund den Gekränkten zu spielen, nur weil ich Ihnen einige ganz natürliche Fragen stellte, Fragen, die einem jeden kritischen Beobachter Ihrer so langen Liste verschiedenartigster Veröffentlichungen gleichfalls in den Sinn gekommen wären.

    Nachdem Sie selbst so häufig, auch abfällig, auf die Qualifikation anderer Autoren (Goldhagen, Cornwell etc.) verwiesen hatten, mussten Sie damit rechnen, dass man auch kritisch mit Ihnen verfahren würde.
    Der so häufig von Ihnen betriebenen Cornwell-Schelte möchte ich entgegenhalten, dass es kein unbekannter Waldundwiesenverlag, sondern der renommierte Münchner C.H.Beck Verlag war, der Cornwells Pius-XII-Buch zuerst in Deutschland herausbrachte, dass sich zuvor noch die Rezensenten so angesehener englischsprachiger Zeitungen wie des Independent, der Washington Post und der Los Angeles Times geradezu euphorisch über Autor und Werk geäußert hatten.

    Zu Ihrem Argument – es ließe sich mit treukatholischer Lesekost kein Geld mehr verdienen, habe ich gegenteilige Informationen aus dem Buchhandel meiner Umgebung erhalten.
    Ich lebe da, wo unser Deutschland am katholischsten ist, in Niederbayern. Auch hier gibt es Buchhandlungen und Verlage und Leser. Ich bin mit einer Reihe der hier ansässigen BuchhändlerInnen gut bekannt und man tauscht sich aus. So teilte man mir u.a. mit, es gäbe sehr wohl eine durchaus auch kaufkräftige, halbintellektuelle, katholische Klientel, die sehr an konfessionsgebundenen Werken (solchen, die das traditionelle Weltbild nicht allzu sehr belasten)zu Geschichte, Vatikan, Papst und verwandten Themen interessiert sei. Auch die Existenz zahlreicher katholischer Verlage in meinem Bundesland belegt die Nachfrage bzw. das Interesse dieser Leserschaft. Wir müssen also noch nicht für Sie Sammeln gehen.

    Es war nicht nötig auf einen „Lieblingsitaliener“ zu verweisen oder die Ãœbersetzung zu präsentieren, die italienische Fassung des Schioppa-Pacelli-Briefes hätte genügt. Wie auch immer, ebenso wie in den vorher von mir wiedergegebenen Fassungen fällt auch hier, in Ihrer Fassung, die unnatürliche Häufung des Attributes „Jude“ auf. Jeder, der die katholische Welt (Mitteleuropas) kennt, weiß, das diese Unterscheidung Jude-Christ, von Christen vorgenommen, meist in diskriminierender Absicht vorgenommen wird und eine derart häufige Wiederholung in so einem Kontext belegt doch jedem, der die Zusammenhänge kennt, dass „Jude“ hier nicht neutral charakterisierend intendiert wurde.

    Zum Fall des Juden Sokolov: So etwas kam vor.
    Aus den diversen Pacelli-Biografien geht hervor, dass dieser Papst im täglichen Leben, im Umgang mit Mitmenschen, auch mit Juden, ein „Softy“ war. Er konnte niemandem eine Bitte abschlagen, er hörte dem zu, der es geschafft hatte, zu ihm ‚vorzudringen‘ und er half ihm, wenn er konnte. So auch in diesem Fall oder in dem Fall des bayerischen Rabbiners und dessen Wunsch nach Palmzweigen. Wer Pacelli eindringlich genug bat oder bettelte, bekam von ihm was er wollte. Nur leider hatten Millionen von Juden keine Möglichkeit persönlich bei ihm eine Audienz zu erhalten und um ihr Leben zu betteln, sondern sie wurden von Deutschen vergast.Und der Papst schwieg.

    Der Fall Sokolov und die anderen von Ihnen, Herr Hesemann, aufgezählten Fälle stehen nicht für die grundsätzliche Einstellung Pacellis zu den Juden. Diese war, folgen wir den zahlreichen Belegen bei Cornwell und Goldhagen, nicht einmal neutral, sie war judenfeindlich. Dem ‚abstrakten‘ Juden, dem Vertreter des Judentums als Religion stand Pacelli voller katholischer Vorurteile und ganz im Bewusstsein seiner katholischen Erziehung und Tradition gegenüber.

    Diese judenfeindliche katholische Tradition hat im 19. Jh. ganz besonders „Pio Nono“ (Pius IX.)bis zum Exzess ausgelebt (Fall Mortara u.a.) und keiner seiner Nachfolger, ganz besonders nicht Pius XI., den Sie, Herr Hesemann, oben als einen Papst charakterisieren, der „seine Liebe zum jüdischen Volk“ offen gezeigt habe, hat sich von dieser verwerflichen Linie distanziert.

    Zu Pius XI., Achille Ratti, zitiere ich Goldhagen (S.108ff):

    „Das ist nicht erstaunlich, war Pius XI. doch seit langem ein engagierter Antisemit. 1918 – unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkrieges und weniger als vier Jahre, bevor Achille Ratti als Pius XI. das päpstliche Amt übernahm – hatte Papst Benedikt XV. ihn als seinen Vertreter nach Polen geschickt. Dort sollte er sich für die Juden einsetzen, die sich heftigen Verfolgungen durch katholische Polen ausgesetzt sahen; es war sogar zu Pogromen gekommen. Kertzer kommt zu dem Schluss: ‚(Ratti) unternahm alles, um Aktionen des Vatikan zu Gunsten der Juden zu torpedieren und eine Intervention des heiligen Stuhls zu verhindern (…) Ratti (hatte) begonnen (…) eigene Berichte über die Lage der Juden in Polen nach Rom zu senden, in denen er keineswegs vor deren Verfolgern warnte, sondern stattdessen versuchte, den Vatikan auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die sie selbst in seinen Augen darstellten.‘ Warum hat er die Anweisung seines Papstes nicht befolgt? Wegen seines Antisemitismus. Nicht nur schrieb Ratti nach Rom, dass die Juden in den polnischen Großstädten ’sich durch kleine Geschäfte, die Schmuggel, Betrug und Wucher umfassen, ernähren‘; in seinem Bericht erklärte er außerdem: ‚Eine der übelsten und stärksten Kräfte, die man hier antrifft, vielleicht die übelste und stärkste überhaupt, sind die Juden.‘ Wie sein Nachfolger Pius XII. folgte er der Dämonologie des modernen Antisemitismus, die den Bolschewismus mit Juden gleichsetzte, als er in seinem Bericht an den Vatikan behauptete, dass ‚die Hauptstadt (des Bolschewismus) in Polen die Juden sind‘. 1932 gestand er sogar Mussolini seine tiefe Abneigung gegen Juden ein, eine Abneigung, die er zumindest die längste Zeit seines Pontifikats nicht ablegte. Die Verfolgung der Kirche in aller Welt, meinte Pius XI., sei unter anderem auch auf ‚die Abneigung des Judaismus gegen das Christentum‘ zurückzuführen, und anders als die italienischen Juden seien vor allem die Juden Mittel- und Osteuropas eine Gefahr für die christliche Gesellschaft, wie er angeblich aus eigener Anschauung in Warschau erfahren hatte: ‚Als ich in Warschau war (…) sah ich, dass die (bolschewistischen) Kommunisten (…) allesamt Juden waren.‘ Wenn Pius XI. und Pius XII. mit solchen Ansichten und speziell der ihnen gemeinsamen falschen Gleichsetzung der Juden mit dem Kommunismus – und der ebenso falschen Annahme, alle kommunistischen Führer seien Juden – die Kirche führten, nimmt es nicht wunder, dass Mussolini und Hitler überzeugt waren, die Kirche werde ihnen bezüglich der Juden nicht in die Arme fallen. (…)
    Wie weit die Kirche in den dreißiger Jahren mit diesem modernen Antisemitismus gegangen war, lässt sich daraus entnehmen, dass Pius XI. zu einem späten Zeitpunkt seines Lebens versuchte, seine Vergehen und die der Kirche wieder gutzumachen – den Antisemitismus, der in der von ihm und Pacelli verfassten Enzyklika ‚Mit brennender Sorge‘ zum Ausdruck kam, die Unterdrückung einer katholischen Organisation, die dem Gottesmord-Vorwurf ein Ende machen wollte, und sein Schweigen angesichts des rassistisch-antisemitischen Angriffs der Deutschen auf die Juden. Kurz vor seinem Tod gab er eine neue Enzyklika in Auftrag, die sogenannte Unterschlagene Enzyklika, die das Vorgehen der Deutschen ausdrücklich verurteilte. Weil er dem antisemitischen Establishments des Vatikans und wohl auch Pacelli selbst misstraute – vor dem er seine Absicht verbarg -, wandte er sich an einen Außenstehenden, eine amerikanischen Jesuiten namens John LaFarge…“

    Allein dieser Buchauszug reicht aus, um das Märchen vom Judenfreund Achille Ratti (Pius XI.) als unhaltbare Schutzbehauptung zu überführen.

    Oder sind Sie, Herr Hesemann, gar willens und in der Lage all diese Argumente Goldhagens zu widerlegen?

    Vor allem würde mich interessieren wie Sie selbst zur Unterdrückten Enzyklika stehen? Warum tat die Kirche solange so, als ob es „Humani Generis Unitas“ nie gegeben hätte?
    Tat Pacelli den Juden wirklich einen Gefallen, indem er diese Enzyklika seines Vorgängers in die Archivverbannung schickte und sie so vor der Veröffentlichung ‚bewahrte‘?
    Rätsel über Rätsel.

    RS

  44. Sehr geehrter Herr Huber,
    da die zionistische Bewegung aus dem Judentum entstand ist, so denke ich, ein geradezu freundschaftliches Verhältnis zu führenden Zionisten und ein offenes Eintreten für die zionistische Sache wohl gewiß kein Indiz für Antisemitismus. Zudem hat Pacelli als Nuntius, wie oben erwähnt, sich ebenso vehement für die Anliegen deutscher Juden eingesetzt, etwa als es um die Palmzweige für das Sukhot-Fest 1917 ging.
    Am interessantesten aber sind zwei Berichte aus der Jerusalem Post – einmal vom 28.4.1944 (als sie noch Palestine Post hieß). Da berichtet ein jüdischer Flüchtling von einer Papstaudienz, an der er teilgenommen hat. Als er sein Anliegen vortrug und erwähnte, dass er Jude war, erklärte Pius XII. zweimal in voller Lautstärke, so, dass es alle hören konnten: „Sei stolz darauf, dass Du ein Jude bist“. Um den Artikel „A Papal Audience in War-Time“ zu zitieren: „Then Pius XII says: … You are a young Jew. I know what that meansand I hope you will always be proud to be a Jew … My Jewish friend, go with the protection of the Lord, and never forget, you must always be proud to be a Jew!“ An der Audienz nahmen auch deutsche Soldaten teil, die ziemlich erstaunt reagierten …
    Der zweite Artikel erschien in der JT vom 10.10.1958, nach dem Tod des Papstes: „Ramat Gan Physician Recalls Schooldays with Pius XII“. Darin berichtet der israelische Lungenspezialist Prof. Dr. Guido Mendes von seiner Schulfreundschaft mit Eugenio Pacelli. Pacelli nahm regelmäßig an den Schabbat-Feiern der Familie Mendes teil, lieh sich Bücher jüdischer Denker und wollte Hebräisch lernen. Umgekehrt führte er Guido Mendes in seiner Familie ein. Die beiden blieben ein Leben lang Freunde. 1938 verhalf Pacelli ihm zur Flucht erst in die Schweiz, dann nach Pälästina, nach dem Krieg kam es zu zwei persönlichen Treffen in alter Herzlichkeit.
    Auch das, denke ich, zeugt nicht gerade von antisemitischer Gesinnung.
    „Schweigen“ und „nicht öffentlich lautstark protestieren“ sind zwei völlig verschiedene Dinge. Schweigen ist auch Verschweigen. Pius XII. hat zweimal, am 24.12.1942 und am 2. Juni 1943, die Deportationen und den Völkermord öffentlich angesprochen und verdammt. Er hat vor allem aber immer wieder durch diplomatische Interventionen bei Hitlers Vasallen – Vichy-Frankreich, Slowakei, Ungarn und Rumänien – Deportationen GESTOPPT, genau wie es ihm gelang, 7000 der 8000 Juden Roms zu retten, nachdem er die Deportation in Rom stoppte.
    Das Konkordat zu kündigen wäre die dümmste aller Protestmaßnahmen gewesen, denn das hätte bedeutet, die letzte Rechtsbasis der Katholiken in Deutschland aufzugeben. Damit wäre nur den Nazis gedient. Denen nutzte das Konkordat Mitte 1933 noch als Prestigegewinn und um die Katholiken im Land zu beruhigen, später war es ihnen nur noch lästig.
    Selbst Hitler wußte, dass er nicht alle seine Ziele gleichzeitig erreichen konnte. Er behielt sich die Abrechnung der Kirche für die Zeit nach dem Endsieg vor, wie aus seinen Tischreden hervorgeht. Bis dahin galt es, die Katholiken ruhigzustellen. Sie durften ja noch für das Reich kämpfen und fallen. Die Vernichtung der Juden dagegen war sein Primärziel von Anfang an. Da war er weder zum Aufschub noch zu Kompromissen bereit. Im Gegenteil: Je mehr er sich in die Enge getrieben fühlte, je brutaler ging er vor – sie galten ihm nur als Vorwand für Vergeltungsmaßnahmen. Deshalb waren es ja auch die jüdischen Gemeinden, die den Papst oder auch in Deutschland Bischof von Galen dringend baten, nicht zu protestieren, da sie Schlimmeres befürchteten.

  45. Herr Hesemann,

    habe sogar etwas von Ihnen gelesen – im Magazin2000; das konnte man aber damals noch lesen.
    Gratuliere dass Sie dort nicht mehr publizieren.

  46. Herr Schlickewitz…
    „Man staunt und fragt sich, ist der Hesemann ein zweiter Guido Knopp oder nur ein germanisch-katholischer Graphomane oder worüber schreibt der eigentlich nicht? Von einem Ihrer ehemaligen Mitarbeiter, oder Weggefährten, Herr Hesemann, erfuhr ich inzwischen, dass Sie über alles geschrieben haben, für das es gute Knete gab, dass Sie sich im Laufe der Jahre ein kleines Vermögen erschrieben haben. „

    Das erinnert mich an den Fuchs und die sauren Trauben!
    Sollte hier der publizistische Erfolg eine UNGLAUBWÃœRDIGKEIT dokumentieren?

  47. 1) Dass Pacelli für die Migration von Juden nach Palästina eintrat (These Hesemann 20. Februar 2010, 1:14) schließt keineswegs aus, dass er Antisemit war (was ich nicht behaupte, dazu kenne ich seine Biografie zu wenig). Jemand, der dafür eintritt, alle Schwarzen in Zentralafrika anzusiedeln, beweist damit keineswegs, dass er kein Rassist ist.
    2) Herr Hesemann beklagt die Vorwürfe an Pacelli, „der Papst, der schwieg“ zu sein. Er nennt sie die Geschichte „umzudeuten, ja zu pervertieren“. Hesemann belegt diese These aber selbst: „weil er es während des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust für klüger hielt, zu handeln als zu reden“.
    Das ist ein bekanntes falsches Argumentationsmuster: Keinesfalls trifft X zu. X war unumgänglich, weil … Die Begründung widerlegt die eigene These.
    3) Letzte These aus dem zitierten Posting:
    „Er zog es vor, im Stillen so viele Juden wie möglich zu retten statt ihre Lage durch wirkungslose Proteste noch zu verschlimmern“.
    a) Niemand verlangt von Pacelli „wirkungslose Proteste“. Die Geschichte zeigt, dass sehr viele wirkungsvolle Proteste möglich waren.
    b) auch scheinbar „wirkungslose Proteste“ hätten eine Langzeitwirkung gehabt oder auf andere eingewirkt. Ein Beispiel: Im Laufe des Jahres 1933 wurde auch dem Blindesten die verbrecherische Position des NS-Regimes erkennbar. Der Vatikan hätte das Konkordat mit Hitler kündigen können. Die Signalwirkung ist heute kaum mehr abschätzbar. Einigen mutigen deutschen Bischöfen wären z.B. nicht mehr die Hände gebunden gewesen.
    c) Sonderbar ist, dass die Kath. Kirche, wenn es um ihre Symbole (z.B. Entfernen des Kreuzes aus Klassenzimmern) und Prozeduren (z.B. Religionsunterricht) geht, damals und heute ihre Stimme wirkungsvoll erhebt. Wenn dagegen Juden aus dem Klassenzimmer entfernt wurden, zog sie es (aus den von Hesemann genannten Gründen; die meines Erachtens – wie ausgeführt – kaum stichhaltig sind) vor zu schweigen.

  48. Sorry für den Druckfehler oben, es muss natürlich heißen: in 45 Ländern…
    Aber noch ein Wort zum Thema Geld und Erfolg. Wissen Sie, wie man als Autor zu Weltruhm und Auflagenmillionen kommt? Man muss die Kirche angreifen! Hochhuth hat das mit seinem Trauerspiel geschafft, Cornwell mit seinem schlecht recherchierten und diffamierenden Pius-Buch, Baigent/Leigh mit ihrem Qumran-Verschwörungs-Nonsense, Yallop mit der Behauptung, Johannes Paul I. sei umgebracht worden, Dan Brown wurde damit sogar zum erfolgreichsten Autor des letzten Jahrzehnts.
    Wer dagegen die Kirche verteidigt, hat auf dem Markt keine Chancen. Er bleibt ein Nischenautor. So erschien mein Buch über Pisu XII. im katholischen St. Ulrich-Verlag. Nicht gerade ein Garant für die Bestsellerliste. Aber dafür integer.
    Ich will meine Seele nicht verkaufen, ich will der Wahrheit dienen. Cooperatores veritatem ist der Leitspruch eines Mannes, den ich sehr bewundere und der in vielem mein Vorbild ist. In veritatem vene ut veritas vinceret schrieb ich in der Widmung meines Pius-Buches.
    Also, Sie können mir alles vorwerfen, nur nicht, dass ich „für gute Knete“ schreibe.
    Denn das ist einfach Unsinn, wenn man die Auflagen kennt!

  49. Herr Schlickewitz,
    Ihre Taktik, jetzt ad hominem anzugreifen, zeigt mir, dass Ihnen ansonsten die Argumente ausgegangen sind. Witzig dabei ist, dass ausgerechnet Sie mir vorwarfen, den guten Herrn Goldhagen „persönlich herabzuwürdigen“, nur weil ich nachwies, dass er ein Zitat aus zweiter Hand und leider in einer fragwürdigen Ãœbersetzung zitiert hat, obwohl die Benutzung von Sekundärliteratur für einen Nichthistoriker keineswegs ehrenrührig ist.
    Nun ist es seltsam, dass Sie einen „ehemaligen Mitarbeiter“ von mir zitieren, da ich nie Mitarbeiter hatte. Umso seltsamer ist, wenn dieser behauptet, ich hätte mir „ein kleines Vermögen zusammengeschrieben“, was zumindest beweist, dass er mich nicht kennt. Denn ich lebe in der selben Mietwohnung wie vor 18 Jahren, fahre einen mittlerweile sieben Jahre alten, gebraucht erworbenen Wagen und besitze weder Immobilien noch größere In- oder Auslandskonten noch auch nur eine einzige Aktie. Tatsache ist, dass ich mir durch das Schreiben den Luxus erlaube, hauptberuflich forschen zu können, ohne von einer Anstellung, einem Lehramt oder einem Lehrstuhl abhängig sein zu müssen. Das macht mich zumindest unabhängig und gibt mir die Zeit zu intensiver Arbeit und einer gewissen Produktivität.
    Nun lesen Sie in jeder Biographie von mir (auch auf wikipedia), dass ich Geschichte UND Kulturanthropologie studiert habe. Dabei waren moderne Mythen schon ein Schwerpunkt meiner universitären Forschung als Kulturanthropologe. So kam ich auch dazu, mich mit den UFOs und Kornkreisen und anderen modernen Mythen zu befassen, wobei für mich immer im Mittelpunkt stand, was Menschen erlebt haben wollen. Insofern habe ich mit von Däniken und seinen recht abenteuerlichen Interpretationen recht wenig gemein. In „UFOs über Deutschland“ weise ich etwa nach, dass der Großteil aller angeblichen UFOs ganz konventionelle Erklärungen hat, d.h. es sich um Fehldeutungen bekannter Himmelserscheinungen handelt.
    Mein zweites Studienfach war Mittlere und Neuere Geschichte. Dass ich mich sowohl als Kulturanthropologe wie als Historiker mit dem Nationalsozialismus beschäftigt habe, liegt wohl auf der Hand. Ebenso, dass ich mich als gläubiger Katholik für Themen der Kirchengeschichte interessiere. „Haushistoriker“ des Vatikans bin ich damit noch lange nicht, das ist Prälat Dr. Walter Brandmüller.
    Tatsache ist, dass ich – ganz ohne himmlische Erscheinung – im Heiligen Jahr 2000 beschloss, mich fortan auf christliche Themen zu spezialisieren. Da selbst erfolgreiche Bücher im Sachbuchbereich zwischen 5000 und 30.000 Exemplaren verkaufen, der Autor wzischen 8 und 12 % Tantiemen bekommt und davon sämtliche Fachliteratur (ich besitze 8000 Bücher) sowie sämtliche Recherchenreisen (ich recherchierte in 445 Ländern) bezahlen muss, können Sie sich selbst ausrechnen, dass man davon nicht reich wird. Ich musste sogar mal meine Lebensversicherung aufkündigen, um ein Projekt zu finanzieren. Was soll’s! Wer der Wahrheit dient, dem ist anderer Lohn vergönnt!

  50. Alles sehr effektvoll, wirklich beeindruckend. Ich werde mir in Kürze die einzelnen Punkte genauer vornehmen und prüfen.

    Nur hätte ich im Vorfeld von Ihnen, Herr Hesemann, gerne gewusst, was Sie veranlasst hat, den ungeheuren Schwenk von Deutschlands zweitgrößtem UFOlogen (nach dem Schweizer Erich von Däniken) zum Haushistoriker des Vatikan zu vollziehen.

    So enthält Ihre eindrucksvolle Liste an Publikationen Buchtitel wie:

    „Findet der Weltuntergang statt?“

    „Botschaft aus dem Kosmos“

    „UFOs: Die Beweise“

    „Die Spinne in der Yucca-Palme“

    „UFOs: Die Kontakte“

    „UFOs: neue Beweise“

    „Geheimsache UFO: Die wahre Geschichte der unbekannten Flugobjekte“

    „Jenseits von Roswell: der Schweigevorhang lüftet sich…“

    „Kornkreise: die Geschichte eines Phänomens“

    „UFOs über Deutschland“

    Dann, um 1999/2000 kam es bei Ihnen anscheinend zum Bruch mit den schwirrenden, flitzenden, blitzenden Untertassen sowie den grünen Männchen und Sie widmeten sich den Reliquien bzw. den Wallfahrtsorten oder anderen streng katholischen Themen; jedenfalls ‚bereicherten‘ Sie den Buchmarkt mit Titeln wie:

    „Geheimsache Fatima“

    „Die stummen Zeugen von Golgatha: die faszinierende Geschichte der Passionsreliquien Christi“

    „Das Fatima-Geheimnis“

    „Die Entdeckung des Heiligen Grals: das Ende der Suche“

    „Geheimakte John F. Kennedy: warum mußte der amerikanische Präsident sterben?“

    „Stigmata: sie tragen die Wundmale Christi“

    „Die Dunkelmänner. Mythen, Lügen und Legenden um die Kirchengeschichte“

    Ab 2004 haben Sie sich dann zusätzlich (musste das denn auch noch sein?)dem unvermeidlichen Hitler zugewendet und die Druckerpressen ’spuckten‘ unter dem Autorennamen Hesemann solche Schinken ‚aus‘ wie:

    „Hitlers Religion: die fatale Heilslehre des Nationalsozialismus“

    „Hitlers Lügen: wie der ‚Führer‘ die Deutschen täuschte“

    Und dann folgte auf den Hitler auch noch der ‚Dschisäs‘ vom Hesemann:

    „Jesus von Nazareth. Archäologen auf der Spur des Erlösers“

    bzw.

    „Das Blut-Tuch Christi. Wissenschaftler auf den Spuren der Auferstehung“

    Man staunt und fragt sich, ist der Hesemann ein zweiter Guido Knopp oder nur ein germanisch-katholischer Graphomane oder worüber schreibt der eigentlich nicht?

    Von einem Ihrer ehemaligen Mitarbeiter, oder Weggefährten, Herr Hesemann, erfuhr ich inzwischen, dass Sie über alles geschrieben haben, für das es gute Knete gab, dass Sie sich im Laufe der Jahre ein kleines Vermögen erschrieben haben.

    Wie nur dann dieser Schwenk zum vatikanischen Haushistoriker? Noch mehr Geld und Ehre, oder plötzlich ein Zeichen vom Himmel, eine ‚Erscheinung‘ sozusagen, die Sie auf den ‚rechten Weg‘ brachte?
    Sie müssen entschuldigen, aber angesichts Ihrer so mannigfaltig-buntgescheckten und themenreichen Liste an Veröffentlichungen macht man sich so seine Gedanken.

    Also nichts für ungut, lieber Hesemann, wenn ich Ihnen diese Fragen stelle.

    MfG
    RS

  51. Eugenio Pacelli und die Zionisten

    Neue Funde im vatikanischen Geheimarchiv bestätigen, dass der spätere Papst Pius XII. den Zionismus unterstützte – und zugunsten jüdischer Siedler in Palästina intervenierte

    Von Michael Hesemann

    Kein Papst der jüngeren Kirchengeschichte mit Ausnahme Johannes Pauls II. und vielleicht noch Pius XI. zeigte so offen seine Liebe zum jüdischen Volk wie Pius XII. Umso unbegreiflicher ist es für den Historiker, dass kein historisches Dokument, sondern ein Theaterstück genügte, um die Geschichte dieses großen Papstes umzudeuten, ja zu pervertieren. Plötzlich war er „der Stellvertreter“, „der Papst, der schwieg“, sogar „Hitlers Papst“, wurde ihm von Autoren wie John Cornwell („Pius XII. – Der Papst, der geschwiegen hat“) und Daniel Jonah Goldhagen („Die katholische Kirche und der Holocaust“) mal ein latenter, mal offener Antisemitismus unterstellt. Und das nur, weil er es während des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust für klüger hielt, zu handeln als zu reden. Er zog es vor, im Stillen so viele Juden wie möglich zu retten statt ihre Lage durch wirkungslose Proteste noch zu verschlimmern. Es galt, alles zu vermeiden, was die Effizienz der einzigen Institution gefährdete, die ihnen in Zeiten der Schoa noch half: Der katholischen Kirche. Sein scheinbares Schweigen, seine vorgetäuschte Neutralität, wurden zum Schutzmantel für die größte Hilfs- und Rettungsaktion der Geschichte, die immerhin über 850.000 Juden vor dem sicheren Tod in den Gaskammern bewahrte.

    Doch wer den Menschen Eugenio Pacelli verstehen will, muss weiter in seine Vergangenheit zurückblicken. Schon als Jugendlicher hatte der Römer einen jüdischen Schulfreund, nahm er an Schabatfeiern ein, zu denen ihn dessen Eltern geladen hatten, las er begeistert die Werke jüdischer Philosophen. Nach seinem Studium der Theologie und des Kirchenrechts und seiner Priesterweihe begann Pacelli 1901 mit seiner Tätigkeit im Staatssekretariat des Heiligen Stuhls. Dort machte er schnell Karriere, wurde schließlich im März 1911 zum Unterstaatssekretär der „Kongregation für Außerordentliche kirchliche Angelegenheiten“, sprich: des päpstlichen „Außenministeriums“, ernannt. In dieser Position kam er im Mai 1917 erstmals mit der Bewegung der Zionisten in Kontakt.

    Nachum Sokolow, Journalist, Schriftsteller und Führungsmitglied des Zionistischen Weltkongresses, war nach Rom gekommen, um für den Plan eines Judenstaates in Palästina zu werben. Dass Benedikt XV. ein Jahr zuvor den Antisemitismus heftig verurteilt hatte, erschien ihm als günstiges Vorzeichen. Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri verwies ihn an Pacelli, der Sokolow freundlich empfing und sich die Zeit nahm, ihm geduldig zuzuhören. Später rühmte Sokolow in seinem Bericht an das Exekutivkomitee der Zionisten die Herzlichkeit, die ihm der Monsignore entgegenbrachte. Und er gestand ein, von Pacelli völlig überrascht worden zu sein. Ob er denn nicht sein Anliegen dem Papst vortragen wolle, fragte ihn der Monsignore freundlich. Sokolow hätte sich nie träumen lassen, dass dies für einen Juden möglich war. Doch dann, am 6. Mai, wurde er für eine Dreiviertelstunde – länger als manches Staatsoberhaupt – von Benedikt XV. empfangen.

    „Ich neige nicht zu Leichtgläubigkeit oder Übertreibung“, versicherte der Zionist später in seinem Bericht an das Exekutivkomitee, „trotzdem kann ich nicht umhin, zu erklären, dass dies ein ungewöhnliches Maß von Freundschaft offenbarte: einem Juden und Vertreter des Zionismus mit solcher Promptheit eine Privataudienz zu gewähren, die so lange dauerte und mit solcher Herzlichkeit und allen Versicherungen der Sympathie, sowohl für die Juden im allgemeinen und für den Zionismus im besonderen, geführt wurde, das beweist zumindest, dass wir von Seiten des Vatikans keine unüberwindlichen Hindernisse zu erwarten haben.“

    „Pacelli hat mir von Ihrer Mission erzählt; wollen Sie mir weitere Einzelheiten mitteilen?“, begrüßte ihn Benedikt XV. Dann ließ er sich in völlig ungezwungener Weise das zionistische Programm erläutern, um Sokolow daraufhin zu bescheinigen, dass es „von der Vorsehung bestimmt“ und „in Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen“ sei. Auch was die christlichen Heiligtümer in Palästina betraf, hatte der Papst keine Bedenken: „Ich hege keinen Zweifel, dass eine befriedigende Vereinbarung erreicht wird.“ Während Sokolow am Ziel seiner Wünsche angekommen war, verabschiedete ihn Benedikt XV., indem er mehrfach, wie zur Bekräftigung, wiederholte: „Ja, ich glaube, dass wir gute Nachbarn sein werden.“ (Bericht vom 10.5.1917 im Hauptarchiv des Yad Vashem, Akte A 18/25; zit. n. Pinchas Lapide, Rom und die Juden, Bad Schussenried 2005 (3), S. 254 f.)

    Nur eine Woche nach dieser Begegnung wurde Eugenio Pacelli von Papst Benedikt XV. in der Sixtinischen Kapelle zum Erzbischof geweiht. Eine weitere Woche später saß er bereits im Zug und fuhr nach Deutschland. Der Papst hatte ihn als neuen Nuntius in München eingesetzt, der einzigen Vertretung des Heiligen Stuhls in Deutschland. Seine erste Aufgabe war es, bei der Regierung des Kaiserreiches in Berlin einen päpstlichen Friedensplan vorzulegen, um das sinnlose Völkerschlachten des Ersten Weltkriegs zu beenden.

    Von einer anderen und zudem erfolgreichen Intervention Pacellis aus dieser Zeit berichtet der jüdische Historiker und Diplomat Pinchas Lapide in seinem Buch „Rom und die Juden“. Im zionistischen Archiv in Jerusalem fand Lapide die Fotokopie eines offiziellen Schreibens, das Pacelli als Nuntius in München am 16. November 1917 an den bayerischen Außenminister Otto Ritter von Dandl gerichtet hatte:
    „Der unterfertigte Apostolische Nuntius hat die Ehre, Euerer Exzellenz mitzuteilen, dass die israelitischen Gemeinden der Schweiz den hl. Vater gebeten haben, sich für die Erhaltung der Orte und der jüdischen Bevölkerung von Jerusalem zu verwenden. Seine Eminenz, der Herr Kardinalstaatssekretär hat nun denselben beauftragt, im Namen Seiner Heiligkeit mit aller Sorgfalt bei der Kaiserlichen Regierung im gewünschten Sinne sich zu bemühen. Der Unterzeichnete ersucht daher Euere Exzellenz, zur Erreichung des Zweckes bei den zuständigen Behörden all Ihre guten Dienste nachdrücklich aufzubieten. Im Voraus hierfür dankend, zeichnet mit der Versicherung vorzüglicher Wertschätzung … Eugenio Pacelli, Erzbischof von Sardes, Apostolischer Nuntius.“

    Die Sorge der Juden war mehr als berechtigt. Die Türkei war ein Verbündeter der Mittelmächte, die Briten hatten den arabischen Aufstand angezettelt, um sie zu einem Zweifronten-Krieg zu zwingen. Die Juden standen bei den Türken in Verdacht, mit den Engländern zu kollaborieren. Nach dem Völkermord der Türken an den Armeniern, die sie für Verbündete der Russen hielten, war das Schlimmste zu befürchten.

    Im April 1915 hatte der türkische Kriegsminister Enver Pascha die Zwangsdeportation großer Teile der armenischen Bevölkerungsminderheit des Osmanischen Reiches in die syrische Wüste angeordnet. Was offiziell als militärisch bedingte „Evakuierung“ einer politisch unzuverlässigen Minderheit deklariert wurde, erwies sich als der erste große Genozid des 20. Jahrhunderts. Die Bewegung der Jungtürken wollte das multi-ethnische Osmanische Reich in einen Nationalstaat mit pantürkischer Ideologie verwandeln, in dem die christlichen Armenier keinen Platz mehr hatten. Die „endgültige Lösung“ dieses Minderheitenproblems war der Völkermord. Sein Ausführender wurde der Militärbefehlshaber und Generalgouverneur von Syrien, Cemal Pascha. Die Gesamtzahl der Opfer betrug 1,5 Millionen. Sie fielen teil den türkischen Massakern zum Opfern, teils wurden sie in die syrische Wüste getrieben, wo sie verhungerten, verdursteten, an Schwäche oder durch Seuchen starben.

    Scharf ging Cemal Pascha 1917 in Palästina auch gegen jüdisch-zionistische Siedlungen vor. Nachdem jüdische Siedler in Jaffa der Kollaboration mit den Briten beschuldigt wurden, ordnete der osmanische Generalgouverneur auch ihre „Umsiedlung“ an. Über 8000 Juden wurden aus ihren Häusern gejagt, ohne die Erlaubnis, Gepäck oder Lebensmittel mitzunehmen. Vor ihren Augen wurden ihre Häuser von den Türken geplündert. An den Toren der jüdischen Vorstadt wurden zwei Juden aufgehängt, als Exempel für alle, die es gewagt hatten, den Plünderern Widerstand zu leisten. Augenzeugen berichteten von der unmenschlichen Grausamkeit der Soldaten. Dutzende Juden wurden später tot in den Dünen von Jaffa gefunden. Ende März 1917 meldete die Nachrichtenagentur „Reuters“, auch aus Jerusalem seien „Massen von Juden“ vertrieben worden, die „das Schicksal der Armenier teilen“ würden. Eine Depesche des Zionistischen Büros in Kopenhagen schloss mit der Befürchtung, dass nach den Drohungen Paschas die Juden Palästinas das gleiche grausame Schicksal erwartete wie die Armenier – Ausrottung durch Hunger, Durst und Epidemien.

    Am 7. Mai 1917 brachte der sozialdemokratische Abgeordnete Oskar Cohn die antijüdischen Ausschreitungen in Palästina vor dem Berliner Reichstag zur Sprache. Nur einen Tag später versuchte der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Arthur Zimmermann, das Thema herunterzuspielen. Der Befehl zur Evakuierung Jaffas sei eine reine „Vorsichtsmaßregel“ gewesen. Zudem könne die Reichsregierung kein Interesse daran haben, mit Vorfällen in Verbindung gebracht zu werden, die allein in der Verantwortung der Türkei lägen. Kurzum: Man wollte den Verbündeten am Bosporus nicht unnötig verärgern. Umso brisanter ist die Intervention des Apostolischen Nuntius, die Pinchas Lapide zitiert.

    Leider hat sie meines Wissens kein anderer Historiker aufgegriffen und verifiziert. Cornwell & Co. ignorieren den Vorfall, da er nicht in ihr Zerrbild von Pacelli als Antisemiten passt, die Mehrheit der Verteidiger Pius XII. konzentriert sich auf sein Verhältnis zum Nationalsozialismus. Zudem wird – ohne jede sachliche Begründung – Lapides Glaubwürdigkeit von Pacelli-Gegnern gerne pauschal infrage gestellt. Dabei finden wir bei ihm jedes Mal saubere Quellennachweise, so auch hier: Das zitierte Dokument, so Lapide, ist auf dem „Mikrofilm K 179 90 203 im Zionistischen Zentralarchiv Jerusalem“ zu finden.

    Ich vertraute Lapide, hatte sich sein exzellentes Werk doch schon in anderen Fällen als zuverlässig erwiesen, und erwähnte den Vorfall in meiner Pius XII.-Biografie „Der Papst, der Hitler trotzte“. Dann, im November 2008, erhielt ich die langersehnte Genehmigung, im Vatikanischen Geheimarchiv zu recherchieren. Mein Ziel war, weitere Details speziell über das Verhältnis Pacellis zu den Juden und zum aufstrebenden Nationalsozialismus in Erfahrung zu bringen. Die Verifizierung der von Lapide erwähnten Intervention stand dabei an erster Stelle auf meiner Wunschliste.

    Nachdem ich mich beim Leiter des Archivio Secreto, Bischof Sergio Pagano, vorgestellt hatte, begann meine Arbeit im „Sala Studio“, im Studiensaal des Geheimarchivs. Die Bestände des Vatikanischen Geheimarchivs sind sämtlich – zumindest bis zum Jahr 1939 – katalogisiert. Wer sie einsehen will, muss zunächst die umfangreichen Kataloge durchforschen, bevor ihm einer der freundlichen Mitarbeiter den entsprechenden Ordner zur gründlichen Inspektion übergibt. In einem dieser Kataloge, in dem fein säuberlich der Bestand des „Archivs der Nuntiatur München“ aufgelistet wird, stieß ich dann auch gleich auf einen vielversprechenden Eintrag: „Guerra Europ., Palestina # 1, Pop. Giudaica e della Citta Santa della Palestina” – “Erster Weltkrieg, Palästina Nr. 1, Jüdische Bevölkerung und die der Heiligen Stadt in Palästina“. Nachdem ich die archivalische Signatur der Akte notiert hatte (A.S.V., Arch. Nunz. Monaco d.B. 385; Fasc. 2; Pos. XIII, Guerra Europ. Palestina # 1, Popolazione Giudaica e della Citta Santa della Palestina), ließ ich sie mir bringen. Ich wurde nicht enttäuscht. Immerhin enthielt sie nicht nur Pacellis handschriftlichen Entwurf des von Lapide zitierten Briefes, sie gab auch weiteren Aufschluss über die Hintergründe der Intervention.

    Am 15. November 1917 um 16.30 Uhr war die chiffrierte Nachricht des päpstlichen Kardinalstaatssekretärs Gasparri an den Nuntius Pacelli herausgegangen, um 7.30 Uhr am nächsten Morgen wurde sie empfangen und dechiffriert. Ihr vollständiger Text lautet:
    „Die israelitische Gemeinschaft der Schweiz bat den Heiligen Vater, sich für die Unversehrtheit der Stätten und der jüdischen Bevölkerung Jerusalems einzusetzen. Er bittet Eure Exzellenz durch uns, entsprechend im Namen des Heiligen Vaters auf die deutsche Regierung einzuwirken. Card. Gasparri.“ (ebd., p. 2)

    Die Entscheidung, Pacelli mit dem Fall zu beauftragen, war klug. Es war mehr als fraglich, ob der Papst in Konstaninopel etwas bewirken konnte. Nur Deutschland als ihr stärkster Verbündeter war in der Lage, die Türken von einem Massaker abzuhalten. Und dass Pacelli für jüdische Angelegenheiten immer ein offenes Ohr hatte, das hatte sich bereits beim Empfang des Zionistenführers Sokolow gezeigt. Vielleicht ging die ganze Initiative sogar auf diesen zurück, der, weil er in England lebte, besser die Juden der neutralen Schweiz an den Papst schreiben ließ.

    Tatsächlich wurde Pacelli unverzüglich aktiv. Dabei war die ganze Angelegenheit eher diffizil. Schließlich bestanden zu diesem Zeitpunkt noch keine diplomatischen Beziehungen zwischen dem Kaiserreich und dem Heiligen Stuhl. Die einzige Nuntiatur auf deutschem Boden befand sich in München, der Hauptstadt des Königreiches Bayern. Also musste ein diplomatischer Vorstoß über die bayerische Staatsregierung erfolgen. So trug Pacelli am 16. November 1917 sein Anliegen zunächst dem Königlich-Bayerischen Außenminister Otto Ritter von Dandl vor, den er dringend bat, sich für eine Intervention des Auswärtigen Amtes einzusetzen.

    Tatsächlich wurde dieses Mal, anders als ein halbes Jahr zuvor, das Berliner Auswärtige Amt aktiv. Elf Tage später, am 27. November 1917, finden wir folgende Notiz in der Akte „Juden in der Türkei“ des Berliner Auswärtigen Amtes als Antwort auf die entsprechende Demarche: „Es besteht keinerlei Anlass zu der Befürchtung, dass die türkischen Behörden in Palästina Ausnahmemaßregeln anwenden, die sich gegen die jüdische Bevölkerung richten könnten. Wir erfahren von türkischer Seite, dass die Heilige Stadt und alle Stätten, die den Gegenstand christlicher und jüdischer Verehrung bilden, geschont und geschätzt werden, soweit es die militärischen Notwendigkeiten nur irgendwie gestatten.“ (zit. n. Lapide, S.271)

    Daraufhin veröffentlichten die deutschen Behörden zwei Tage später die folgende Erklärung: „Nach den vorliegenden Nachrichten von türkischer Seite ist bereits auf die Schonung der heiligen Stätten in Jerusalem, die auch bei den Mohammedanern Verehrung genießen, Bedacht genommen worden, wird man der Bevölkerung jede Rücksicht angedeihen lassen. Selbstverständlich haben die Juden dabei keinerlei Ausnahmemaßregeln zu befürchten.“ (Jüdische Rundschau Nr. 48, 30.11.1917; zit. n. Lapide, S. 272)

    Schließlich konnte Ritter von Dandl am 8. Dezember 1917 dem Apostolischen Nuntius Bericht erstatten: „Eure Exzellenz beehre ich mich in Erwiderung der schätzbarsten Note vom 16. vor. Mts. ergebenst mitzuteilen, dass ich nicht verfehlt habe(,) das Anliegen der israelitischen Gemeinden der Schweiz wegen des Schutzes der Orte und der judaischen Bevölkerung von Jerusalem zur Kenntnis des Auswärtigen Amtes in Berlin zu bringen.
    Es ist mir hierauf von dort erwidert worden, es liege nach den daselbst eingetroffenen Nachrichten keinerlei Anlass zu der Befürchtung vor, dass die Türkischen Behörden in Palästina besondere, gegen die jüdische Bevölkerung gerichtete Maßnahmen zur Anwendung bringen könnten…“ (Arch. Nunz. Monaco d.B. 385, Fasc. 2, Pos. XIII, p. 5)

    Nur drei Tage später, am 11. Dezember 1917, nahmen die Briten unter General Allenby Jerusalem ein. Die Juden in Palästina konnten aufatmen.

    Zumindest laut Pinchas Lapide hatte der Nuntius Pacelli durch die Initiative zu dieser Demarche dazu beigetragen, „die Jerusalemer Judenheit wie die heiligen Stätten vor dem fast gewissen Untergang zu bewahren“. Sie war umso wichtiger, weil zu diesem Zeitpunkt der deutsche General Erich von Falkenhayn die türkischen Truppen in Palästina befehligte. Was ihn betrifft, stellte sein Biograf Holger Afflerbach fest: „Ein unmenschlicher Exzess gegen die Juden in Palästina wurde allein durch Falkenhayns Verhalten verhindert, was vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts einen besonderen – und Falkenhayn auszeichnenden – Stellenwert erhält.“ Da Falkenhayn zeitlebens nur ein strikter Befehlsempfänger war, ist davon auszugehen, dass ihm dieses „Verhalten“ aus Berlin befohlen worden war.

    So zitiert Pinchas Lapide einen Brief, den Dr. Jakob Thon, der damalige Leiter des Zionistischen Büros in Jerusalem, im Dezember 1917 schrieb: „Eine besondere glückliche Fügung war, dass in den letzten kritischen Tagen General von Falkenhayn den Oberbefehl hatte. Cemal Pascha hätte in diesem Falle – wie er es oft in Aussicht gestellt hatte – die Bevölkerung des ganzen Gebiets verjagt und das Land in eine Ruine verwandelt. Wir und die gesamte übrige Bevölkerung, sowohl die christliche als auch die mohammedanische, müssen mit tiefer Dankbarkeit an P.(acelli) denken, der durch Verhinderung einer geplanten vollständigen Evakuierung dieses Gebietes die Zivilbevölkerung vor dem Untergang bewahrt hat.“ (Mikrofilm K 1800 72/73 im Zionistischen Zentralarchiv Jerusalem, zit. n. Lapide, S. 272)

    Neun Jahre später, im Dezember 1926, wurde in Berlin das „Deutsche Komitee Pro Palästina zur Förderung der jüdischen Palästina-Siedlung“ gegründet. Gründungsmitglieder waren unter anderem Reichstagspräsident Paul Löbe, der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, Albert Einstein und Thomas Mann. Damals tauchte die Frage auf, inwieweit prominente Katholiken dabei mitwirken wollten. Während der heftigen Debatte um die Balfour-Deklaration beim Völkerbund war die Idee eines jüdischen Staates auch in Kirchenkreisen umstritten, man sorgte sich um den Status der christlichen Stätten. Zudem führte die betont sozialistische Einstellung einiger Zionisten im Vatikan zu einigen Irritationen und so rief selbst der „Osservatore Romano“ am 1. Juni 1922 zum „Schutze der heiligen Stätten gegen das bolschewistische Judentum“ auf. Wie Pinchas Lapide feststellt, vertrat der mittlerweile in Berlin residierende Nuntius Eugenio Pacelli auch „während dieser Zeit … den Pro-Palästina-Standpunkt“. Er erteilte also der Zionismus-Skepsis breiter Vatikankreise eine deutliche Absage, unterstützte stattdessen die jüdischen Siedler und ermutigte prominente Katholiken, der Initiative beizutreten. Selbst Pacellis engster Freund, der damalige Zentrums-Politiker Prälat Dr. Ludwig Kaas, gehörte schließlich dem Präsidium des Komitees an. (siehe Jehuda Reinhart, Dokumente zur Geschichte des deutschen Zionismus 1882-1933, Tübingen 1981, S. 378)

    Wie sehr er damals nach wie vor mit den Zionisten sympathisierte, zeigen die Erinnerungen des deutschen Zionisten Kurt Blumenfeld. In seinen 1962 erschienenen Memoiren „Gelebte Judenfrage“ berichtet er, wie jener Nachum Sokolow, dem Pacelli 1917 seine Papstaudienz vermittelt hatte, 1925 Berlin besuchte. Sokolow war mittlerweile zum Präsidenten aller Zionistenkongresse aufgestiegen. Als die Zionisten eine erneute Vorlage beim Völkerbund in Genf planten, erinnerten sie sich an den einstigen Unterstaatssekretär des päpstlichen Außenamtes. So wollten sie Erzbischof Pacelli um eine Instruktion für den Repräsentanten des Vatikans in Genf bitten. Doch als Blumenfeld in der Nuntiatur anrief, erfuhr er, dass Pacelli schwer krank im Hedwigs-Krankenhaus lag und für niemanden zu sprechen sei. Erst als er den Namen Sokolow ins Spiel brachte, rief man ihn zurück: Seine Exzellenz, der Nuntius, würde sich freuen, Herrn Sokolow für fünf Minuten zu empfangen.

    Gemeinsam fuhren Blumenfeld und Sokolow in die Klinik. Im Vorzimmer begrüßte sie der diensthabende Arzt: „Herr Sokolow allein und nur für fünf Minuten“, ermahnte er die Besucher. Blumenfeld setzte sich in die Bibliothek und vertiefte sich in ein Buch. Erst nach anderthalb Stunden kehrte Sokolow zurück. „Man merkte ihm an, wie interessant die Unterhaltung mit dem Nuntius gewesen war, eine Unterhaltung, die sowohl über jüdische wie über katholische historische Fragen ging“, erinnert sich Blumenfeld (1962, S. 83).

    Was weder Blumenfeld noch Lapide wussten, war, dass Pacelli ein paar Tage später in Sachen Sokolow nach Rom schrieb. Ich entdeckte dieses Dokument im vatikanischen Geheimarchiv, in einem Ordner zum Thema „Sionismo“, der sinnigerweise – man dachte halt noch in den Grenzen der Vorkriegszeit – der Akte „Turchia“ zugewiesen worden war. Es ist ein Schreiben Pacellis an Kardinalstaatssekretär Gasparri, datiert auf den 15. Februar 1925, mit folgendem Text:

    „Herr Nachum Sokolow, Präsident des Exekutivkomitees des Zionistischen Weltverbandes, bestand darauf, mich zu sehen, als er vor ein paar Tagen auf der Durchreise in Berlin war.
    Während unseres kurzen Gesprächs, das ich als völlig konstruktiv und einvernehmlich empfand, drückte er als Jude der katholischen Kirche seine Bewunderung und seinen Respekt aus, und ich erinnere daran, dass er Anfang 1917, als er Rom besuchte, wiederholt von Eurer Eminenz empfangen wurde und die Ehre hatte, Seiner Heiligkeit in einer Privataudienz zu begegnen.
    Deshalb empfehle ich, wenn er in diesem Jahr zurückkehrt, dass Eure Eminenz ihn erneut wohlwollend empfangen mögen, was ihn besonders glücklich machen würde, und ihm wenn möglich Eure Fürsorge zukommen lassen könnten.
    Obwohl ich weiß, dass die Intentionen dieses Herren, obwohl sie interessant sind, nicht in den Zuständigkeitsbereich dieser Nuntiatur fallen, sehe ich es doch als meine Pflicht an, den o.g. (Sokolow) dem guten Willen Eurer Eminenz anzuvertrauen.“ (A.E.S. Turchia -1921-39-, Pos. 7, Fasc. 23, p. 27)

    Mehr als jedes andere Dokument beweist dieser Fund, dass Eugenio Pacelli tatsächlich ein Freund des Zionismus war. Er war nicht nur sofort bereit, den prominenten Zionistenführer selbst noch im Krankenhaus zu empfangen, er schickte auch gleich darauf ein Empfehlungsschreiben nach Rom, um sicher zu gehen, dass dieser dort offene Türen vorfindet. Wer sein Verhalten in der Weltkriegs-Demarche noch für Pflichterfüllung im Auftrag des Papstes hält, muss zugeben, dass Pacelli in Sachen Sokolow auf eigene Initiative weit über seine Pflichten und sogar seine Kompetenzen hinausging. Wieder einmal zeigte der spätere Papst Pius XII., dass er für die Anliegen und Probleme des jüdischen Volkes immer ein offenes Ohr hatte.

  52. Lieber Herr Schlickewitz,
    bitte haben Sie Verständnis, dass ich nicht immer sofort antworten kann. So war ich von Dienstag bis vor wenigen Stunden in Rom und konnte daher einfach Ihre Frage nach dem Originalwortlaut noch nicht beantworten. Das will ich nun aber gerne tun. Dabei frage ich mich allerdings, wie Sie darauf kommen, dass ich Herrn Goldhagen in diesem Kontext „persönlich herabwürdigen“ wollte. Alles, was ich sage, ist, dass Goldhagen mit Quellen arbeitete. Er ist ja, das gibt er selber zu, kein studierter Historiker, er hat das Originaldokument nie in den Händen gehalten – sondern aus Cornwells manipulativer Ãœbersetzung zitiert. Da er nicht wissen konnte, dass Cornwell manipuliert hat, trifft Goldhagen keine Schuld.
    Also, die fragliche Passage lautet im italienischen Original, danach in einer wortgetreuen Übersetzung (die Sie gerne von Ihrem Lieblingsitaliener überprüfen lassen können):
    „Un esercito di impiegati, che vanno, che vengono, che trasmettono ordini, che piopalano notizie,e fra essi una schiera di giovani donne, dall aspetto poco rassicurante, ebree come i primi, che stanno in tutti gli uffici, con atie provocanti e con sorrisi equivoci. A capo di questo gruppo femminile vi e l’amante di Levien: una giovanne russa, ebream divolziata, che comandada padrona…
    Il Levien e un giovanotto, anche egli russo ed ebreo, di circa trenta o trentacinque anni. Pallido, sporco, dagli occhi scialbi, della voce rauca: un vero tipo ributtante, eppure con una fisionomia intelligente e furba.“
    „Dabei war eine Schar junger Frauen von wenig beruhigendem Aussehen, Juden wie die zuvor erwähnten, die überall im Büro herumstanden, provokant im Verhalten mit einem vielsagenden Lächeln. Der Kopf dieser weiblichen Gruppe war die Geliebte Leviens: eine junge Russin, Jüdin, geschieden, die sich als Chefin benahm… Levien ist ein junger Mann, ebenfalls Russe und Jude, von etwa 30 oder 35 Jahren. Blass, ungepflegt, mit leerem Blick und rauer Stimme: ein wirklich abstoßender Typ und doch von intelligentem und schlauem Aussehen.“
    Bitte beachten Sie, dass hier ein revolutionärer Pöbel beschrieben wird, der dem Nuntiaturmitarbeiter Schioppa, von dem der Bericht ja stammt, nicht mehr und nicht weniger unsympathisch sein dürfte als eine 1968er Kommune. Dass es nun mal (de facto von ihrem Glauben abgefallene) Juden waren spielt in dem Bericht keine größere Rolle als ihre russische Nationalität. Also ein Indiz für einen Antisemitismus Pacellis kann man da ja nun wirklich nicht reininterpretieren! Und falls Sie das jetzt anders sehen, lesen wir doch mal, wie der bestimmt des Antisemitismus unverdächtige David Clay Large in seiner Zeitstudie „Hitlers München“ Levien beschrieb: „Er schlurfte in einer verknitterten Uniform umher, war ein starker Trinker und vermietete angeblich seine Frau für Liebesdienste.“

    Aber untersuchen wir mal die echten Zeugnisse von der Einstellung Pacellis zu den Juden aus dieser Zeit:
    – so empfing er im Mai 1917 im Vatikan den Zionisten Nahum Sokolov und verschaffte ihm eine Papstaudienz. Sokolov schrieb danach an sein Exekutivkomitee: „Ich neige nicht zu Leichtgläubigkeit und Ãœbertreibung, trotzdem komme ich nicht umhin, zu erklären, dass dies ein ungewöhnliches Maß an Freundschaft offenbarte“ (Brief vom 12.5.1917)
    – Sokolov besuchte Pacelli ein weiteres Mal, als dieser Nuntius in Berlin war. Obwohl Pacelli im Krankenhaus war, war er sofort bereit, den Zionisten auch dort zu empfangen. Noch vom Krankenbett aus diktierte er für Sokolov ein Empfehlungsschreiben für Rom. Das Treffen wird übrigens von Kurt Blumenfeld in „Gelebte Judenfrage“ bestätigt.
    – Im August 1917 setzte sich Pacelli mit aller Kraft für das Anliegen des Münchner Rabbis Prof. Dr. Werner ein, der für Sukhot Palmzweige aus Italien brauchte. Als der Kardinalsstaatssekretär daraufhin Pacelli tadelte, er „wisse doch, dass der Heilige Stuhl keine Beziehung zu Italien unterhält“ (was damals zutraf), verteidigte Pacelli sein Bemühen: „Ich hatte den Eindruck, dieser Bitte nachzugeben, würde bedeuten, den Juden besondere Hilfe zu leisten, und dies nicht auf dem Feld praktischer, rein bürgerlicher und natürlicher Rechte, wie sie allen Menschen zukommen, sondern sie in positiver und direkter Weise bei der Ausübung ihrer Religion zu unterstützen.“ Am Ende dankte ihm der Rabbi „warmherzig für alles“, was er „in seinem Interesse unternommen habe.“
    – Der Dirigent Bruno Walter schildert in seiner Autobiographie „Thema und Variationen“, wie Pacelli sofort half, den jüdischen Musiker Ossip Gabrilowitsch aus dem Gefängnis zu holen, der zu Unrecht der Spionage bezichtigt wurde. Zitat: „Der Nuntius hörte uns mit Teilnahme an, versprach uns seine Hilfe und am nächsten Tag war Ossip frei.“
    – 1926 unterstützte Pacelli das „Deutsche Komitee Pro Palästina zur Förderung der jüdischen Palästina-Siedlung“ und ermunterte deutsche Politiker wie Konrad Adenauer und Ludwig Kaas zur Mitarbeit.
    – und schon am 4. April 1933, also unmittelbar nach den ersten Sabotagen der Nazis gegen jüdische Geschäfte, fragte er bei dem neuen Nuntius in Berlin, Cesare Orsenigo, an, ob „gegen die Gefahr antisemitischer Exzesse in Deutschland“ eine Intervention erfolgreich sein könnte.
    DAS ist der wahre Eugenio Pacelli!

    MH

  53. „Aber, noch einmal: Was garantiert, dass Ihre ‚Beweise‘ existieren und echt sind?“

    Eben, vergesst es.

  54. Lieber Herr Hesemann,

    nachdem Sie es offensichtlich vorziehen zu schweigen und auch die Erfüllung Ihres Versprechens, uns den italienischen Wortlaut des in Frage kommenden Schriftstücks zu übermitteln, schuldig blieben, habe ich selbst in dieser Richtung recherchiert und lege hier zwei Wortlaute vor.

    Der erste stammt von dem Londoner Publizisten und Journalisten John Cornwell (geb. 1940) und ist derjenige, auf den sich Daniel J. Goldhagen wohl bezieht. In Cornwells „Hitler’s Pope“, London 1999/2000, S.74f lesen wir:

    „The scene that presented itself at the palace was indescribable. The confusion totally chaotic, the filth completely nauseating: soldiers and armed workers coming and going; the building, once the home of a king, resounding with screams, vile language, profanities. Absolute hell. An army of employees were dashing to and fro, giving out orders, waving bits of paper, and in the midst of all this, a gang of young women, of dubious appearance, Jews like all the rest of them, hanging around in all offices with lecherous demeanour and suggestive smiles. The boss of this female rabble was Leviens mistress, a young Russian woman, a Jew and a divorcee, who was in charge. And it was to her that the nunciature was obliged to pay homage in order to proceed.
    This Levien is a young man, of about thirty or thirty-five, also Russian and a Jew. Pale, dirty, with drugged eyes, hoarse voice, vulgar, repulsive, with a face that is both intelligent and sly….“

    Cornwell weist darauf hin, dass das die persönlichen Eindrücke von Rechtsbeistand (uditore) Schioppa waren, und dass Pacelli an der Abfassung des Berichtes nach Rom (höchstwahrscheinlich doch federführend!) beteiligt war, wie dessen Unterschrift und handschriftliche Randnotizen auf dem Original heute noch belegen.

    Berechtigt hebt der britische Autor die in dieser kurzen Passage so auffällige Häufung der Attribute „Jude“ bzw. „Jüdin“ hervor.

    Die Mehrheit der deutschen (und wohl auch italienischen) Katholiken nach dem Ersten Weltkrieg war antijüdisch eingestellt oder hegte Juden gegenüber erhebliche Vorurteile. Die darauffolgende Generation, die „Kriegsgeneration“, war es nicht minder, auch noch nach Ende des NS – wie u.a. dem OMGUS-Report von kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, bei dem sich bekanntlich 98 % der Deutschen, darunter noch zahlreiche Angehörige der Generation Pacellis, eher mehr als weniger, als Antisemiten zu erkennen gaben, zu entnehmen ist.
    (Es ist bei einer derart hohen Gesamtprozentzahl vollkommen irrelevant, hier noch auf eine eventuell minimal voneinander abweichende Einstellung bei Protestanten bzw. Katholiken, gegenüber Juden, einzugehen.)

    Pacelli drückte sich also nicht anders aus, als es dem (antisemitischen) Grundkonsens seiner Zeit entsprach, er war ein Antisemit.

    Dies muss man auch dann annehmen, wenn man nicht die Cornwellsche Fassung des Schreibens vom April 1919 berücksichtigen will, sondern die zweite von mir hier wiedergegebene. Sie stammt vom katholischen Theologen und Publizisten Klaus Kühlwein.

    Kühlwein (geb. 1955) ist, und das lohnt hervorgehoben zu werden, einer der wenigen katholischen Autoren, deren Bücher sehr wohl davon ausgehen, dass der Papst (Pius XII.) geschwiegen hat.

    Kühlweins Buch trägt bereits den vielsagenden Titel „Warum der Papst schwieg – Pius XII. und der Holocaust“ (Düsseldorf 2008) und entsprechend offen geht er auch mit dem Thema um.

    Auf Seite 76f gibt er den Brief(ausschnitt) von Schioppa und Pacelli wie folgt wieder:

    „Das Schauspiel im besagten Palast ist unbeschreiblich. Das chaotische Durcheinander, der widerlichste Dreck, das ständige Kommen und gehen von bewaffneten Soldaten und Arbeitern, die Schreie, die unflätigen Worte, die Flüche, die dort widerhallten, machten jene bevorzugte Residenz der bayerischen Könige zu einem wahren Inferno. Ein Heer von Angestellten, die kommen und gehen, die Befehle weitergeben, die Nachrichten verbreiten, und unter ihnen eine Schar junger Frauen von wenig beruhigenden Aussehen, Jüdinnen wie die ersten, die in allen Büros in provokanter Weise und mit zweideutigem Lächeln herumstehen. An der Spitze dieser weiblichen Gruppe steht die Geliebte Levines: eine junge Russin, Jüdin, geschieden, die als Chefin kommandiert. Und dieser musste sich die Nuntiatur beugen für die Genehmigung freien Zutritts. Levine ist ein junger Mann, auch er Russe und Jude von circa dreißig oder fünfunddreißig Jahren. Bleich, dreckig, fahle Augen, mit heiserer, ordinärer Stimme: ein wahrlich abstoßender Typ, doch mit einer intelligenten und schlauen Physiognomie.“

    Kühlwein, der eine eigene PIUS-XII-Webseite betreibt, hält darauf auch eine Faksimile-Version des Originals für besonders Interessierte bereit.

    So, lieber Herr Hesemann, was sagen Sie nun? Wollen Sie uns immer noch erzählen Eugenio Pacelli sei ein „echter Freund der Juden“ gewesen und der Vorwurf Antisemitismus nichts als Verleumdung und Lüge gegenüber einem so „heiligen Mann“?
    Ich rufe Sie auf, kommen Sie wieder ans Tageslicht und stellen sie das ‚Gleichgewicht‘ wieder her,
    wenn Sie können!

    RS

  55. Zur allgemeinen Diskussion hier kann ich wenig beitragen (müßte mich erst einlesen), aber diese Bemerkung von Olaf zum Katholiken aus Braunau gefiel mir:
    „Wenn Hitler gekonnt hätte, hätte er wahrscheinlich auch noch das Papstamt übernommen und Tausende von Deutschen hätten ihm besoffen zugejubelt.“
    Auch dies kann ich nicht beurteilen, halte es aber für möglich. Witzig daran ist: es dauerte keine 50 Jahre und „Wir“ haben das Papstamt übernommen und Millionen von Deutsche gerieten ins Delirium („Wir sind Papst“; schulfrei beim Papstbesuch in Bayern etc.). Dem Papst wird zugejubelt wie den Popstars. Auch hier wird die Heiligsprechung kommen.
    Dass er von seinem unermesslichen Reichtum mal was Erkleckliches für die Armen abgibt (nicht nur als Durchlauferhitzer für Steuergelder), fällt dem Papst aber nicht ein. Da ist Bill Gates noch vorbildlicher.

  56. Lieber Herr Hesemann,

    ich sehe, es ist der Sache abträglich, zu viele Themen ‚in einem Aufwasch‘ zu diskutieren; Zuvieles geht dabei verloren; deshalb beschränke ich mich in dieser Replik nur auf unser Eingangsthema und behandele die übrigen Punkte später.

    Der junge Nuntius Eugenio Pacelli befindet sich also in München und er erlebt die Wirren der Revolution in Bayern aus nächster Nähe mit. Nach Rom berichtet er in dem, von Ihnen, Herr Hesemann, auszugsweise und in verharmlosender Weise nur unter Heranziehung der weniger sensiblen Stellen zitierten, Brief vom 13. April 1919. Darin heißt es gemäß Daniel Jonah Goldhagen (Die kath. Kirche und der Holocaust, S.63):

    „… in der Mitte all dessen lungerte eine Bande von jungen Frauen von zweifelhaftem Aussehen, Juden, wie sie alle, mit provokativem Benehmen und zweideutigem Grinsen in den Büros herum. Die Chefin dieses weiblichen Abschaums war Leviens Gefährtin: eine junge Russin, Jüdin und geschieden, die für alles verantwortlich war…
    Dieser Levien ist ein junger Mann von etwa 30 oder 35 Jahren, ebenfalls Russe und Jude. Blass, schmutzig, mit von Drogenmissbrauch gezeichneten Augen, rauer Stimme, vulgär, abstoßend, mit einem Gesicht, das gleichzeitig intelligent und verschlagen wirkt.“

    Selbst wenn die von Ihnen, Herr Hesemann, in der Neuherübersetzung genannten Adjektive nun weniger despektierlich klingen mögen, bleibt doch der starke Eindruck, dass der Autor dieser Zeilen Juden und Russen, aber auch Frauen gegenüber gewisse erhebliche Abneigungen, oder sogar Abscheu entgegenbringt. Vor allem das Attribut „Jude“ wird hier in einem sehr negativen Zusammenhang benutzt, man könnte sogar sagen – in ganz offen antisemitischer Weise. Oder sehen Sie das anders, Herr Hesemann?

    Wäre es Ihnen wohl möglich, die oben von mir wiedergegebenen Zeilen aus Goldhagens Buch in Ihrer Antwort in der italienischen Originalfassung zu zitieren? Das wäre sehr hilfreich.

    Bitte vermeiden Sie darüberhinaus noch in Ihrer Antwort jedwede persönliche Herabwürdigung von Daniel Jonah Goldhagen, selbst wenn Ihnen danach sein sollte, danke.

    RS

  57. Die ganze Diskussion hat sehr befremdliche Züge angenommen, auch für mich als Nichtchristen. Eine Seligsprechung dient doch auch dazu, die Vedienste eines Menschen herauszustellen und aus christlicher Sicht zu würdigen. Auch für mich als Nichtchristen, sollte von einem Seliggesprochenen eine gewisse Vorbildfunktion erkennbar sein, oder? Wenn nun aber ein Kandidat sehr umstritten scheint und die Dokumente seines Wirkens noch der Geheimhaltung unterliegen, so gibt es doch nur zwei Lösungen: etweder man stellt die Steligsprechung hinten an und wartet bis zur Freigabe der Dokumente oder man geht die Sache offensiv an, macht alle Dokumente zugänglich und lässt diese von einer internationalen Historikertruppe bewerten. Dies wäre die Lösung der Vernunft.

    Nun ist es aus heutiger Sicht sehr leicht den moralischen Zeigefinger zu erheben. Wir wissen jetzt, wie die Geschichte ausgegangen ist. Aber versetzen wir uns mal in die ersten Amtsjahre (1939-1942) von Papst Pius XII. Hitler rannte militärisch von Erfolg zu Erfolg. Einzig England war im westlichen Europa nicht genommen. Der Vatikan vom faschistischen Italien umgeben. Der Libanon, als Nachbar Palästinas, eine franz. Kolonie des Vichy-Regimes von deutschen Gnaden. Bis Mitte 1942 konnten sich die Deutschen in Nordafrika noch gut halten. Es ging Richtung Kaukasus, Richtung Erdölfelder. Britische Kolonien wurden destabilisiert (Aktion „Freies Indien“). Anfang 1941 kommt die Lechi-Gruppe auf abwegige Ideen. 1941 erklärt Deutschland den USA den Krieg, bis Ende 42 zunächst weitestgehend folgenlos. Und wir trieben sogar mit unserem Kriegsgegner USA weiter Handel, nur jetzt über Spanien.
    Es war zm damaligen Zeitpunkt noch nicht erkennbar, dass sich das Blatt wenden würde. Und so kommt es eben zu einem Balanceakt zwischen Akzeptanz der Situation, dem Überleben der Kirche, dem Eintreten für Verfolgte.

    Wenn man die Akten öffnet, kommt wahrscheinlich Pius XII nicht allzu schlecht weg, aber am Vatikan als Kirchenstaat bleibt viel Schmutz kleben.

    Wenn Hitler gekonnt hätte, hätte er wahrscheinlich auch noch das Papstamt übernommen und Tausende von Deutschen hätten ihm besoffen zugejubelt.

  58. Sehr geehrter Herr Schlickewitz,

    zu behaupten, jedes Dokument, das Ihre Vorurteile widerlegt, sei vom Vatikan gefälscht, ist natürlich eine äußerst bequeme Methode. Wer aber sagt Ihnen, dass die von Cornwell produzierte Ãœbersetzung des besagten Dokumentes korrekt ist? Wer sagt Ihnen, dass das fragliche Dokument überhaupt existiert? Es existiert halt nur im Vatikanarchiv und nur in der von mir zitierten Version – es gibt keine andere. Ich kann Ihnen sogar eine Fotokopie zukommen lassen. Ich zeige dieses Original bei meinen Vorträgen. Aber natürlich, gegen Verschwörungstheorien bin ich machtlos…

    Aber, noch einmal: Was garantiert, dass Ihre „Beweise“ existieren und echt sind?

    Im Vatikanarchiv gilt, wie bei den meisten Regierungsarchiven, die Regel, dass Archivmaterial erst mind. 50 Jahre nach Ende eines Pontifikats zur Freigabe vorbereitet werden. Auf Anweisung des Papstes geschah dies im Fall von Pius XII. fünf Jahre früher, aber es wird trotzdem noch 2-4 Jahre dauern, da wir es einfach mit einer Unmenge von Dokumenten – 8 Millionen! – zu tun haben, die zunächst einmal katalogisiert werden müssen, damit Historiker mit ihnen arbeiten können. Wenn die besagten Kommissionsmitglieder das nicht verstehen, so ist das bedauerlich, es geht aber darum, die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen zu wahren. Wer will denn heute etwa damit „erwischt“ werden, dass er 1938 einen bitterbösen Brief nach Rom schrieb und sich über die Anti-Nazi-Enzyklika „Mit brennender Sorge“ beschwerte (solche Dokumente wurden in den letzten Jahren freigegeben, ich hielt sie in den Händen). Da geht Datenschutz vor!

    Wenn Sie Hudals Autobiografie gelesen haben, dann wissen Sie, dass es nicht nur Hudal ALLEINE war, der führenden Nazis zur Flucht verhalf, sondern dass ihn dies auch zur persona non grata im Vatikan machte und ihn seinen Posten in der Anima kostete. Er wurde sogar höchstpersönlich bei einer Audienz „rausgeworfen“. Eichmann dagegen gelangte über einen Rotkreuz-Pass (unter falschem Namen) nach Südamerika.

    Wie kommen Sie auf die geradezu absurde Behauptung, Pius XII. hätte Israel gehasst? Im Gegenteil, er war schon in den 1920er Jahren ein Unterstützer der Zionisten und in engem Kontakt mit Nahum Sokolow, dem er sogar zu einer Papstaudienz verhalf und für den er später ein Empefhlungsschreiben verfasste. Haben Sie nicht gelesen, wie etwa Golda Meir über ihn schrieb? Allenfalls befremdete ihn die sozialistische Tendenz EINIGER Kibbuzim, er hätte sich wohl ein weniger säkularisiertes Israel gewünscht. Eine diplomatische Anerkennung bedeutet allerdings viel mehr als Sympathie oder Antipathie, es musste auch über den Status kirchlicher Besitztümer im Heiligen Land verhandelt werden etc. Aber warum, glauben Sie, ist das Israel Symphony Orchestra 1955 nach Rom gereist, um für Pius XII. in einem Privatkonzert Beethoven zu spielen?

    Der Vatikan unterstützte ja 1930/31 jene Bischöfe (u.a. Mainz), die Nazis automatisch exkommunizieren wollten. Aber andere Bischöfe fürchteten, damit viele Gläubige zu vergraulen, die aus opportunistischen Gründen der NSDAP beitraten. Wir erleben heute doch eine ähnliche Situation – romtreue Bischöfe auf der einen, Kompromissler auf der anderen Seite!

    Wahr ist, dass er nach dem 2. Weltkrieg und nach dem Fall des Nationalsozialismus im Kommunismus die nächste große Gefahr für Europa erkannte – und dass er in Italien eine rigorose Politik praktizierte, die mit den deutschen Bischöfen 1931 nicht durchsetzbar war. Dass die Mehrheit der deutschen Bischöfe damals zu sehr auf „appeasement“ setzten, ähnlich wie die westlichen Demokratien bis zum 1. September 1939, ist tatsächlich ein bedauerliches Versäumnis und ein historischer Fehler. Nur wenige sahen Hitler damals schon so klar wie Pacelli, der ihn (im gespräch mit dem uS-Konsul in Köln, ich zitiere einen US-Bericht an das State Dept. vom 3.3.39) „an untrustworthy scoundrel (and) a fundamentally wicked person“ nannte – einen nicht vertrauenswürdigen Halunken und einen abgrundtief schlechten Menschen!

    Hitlers Vater war übrigens kein gläubiger Katholik, sondern ein „Freidenker“; schon als Junge wandte er sich neoromantischen, neopaganen Schwärmereien zu, in Wien geriet er komplett in die „ariosophische“ Esoterikszene. Sie können ihm also wirklich keine „rein katholische Sozialisierung“ andichten. Die Mehrheit bekam die NSDAP bis 1933 übrigens nicht in den katholischen, sondern in den protestantischen Regionen Deutschlands! Eine katholische Sozialisierung hat also eher GESCHÃœTZT vor dem neuheidnischen Rassenwahn, denn der Katholizismus lehrt die Einheit des Menschengeschlechts!

  59. Noch ein Nachtrag:

    Sie schreiben, Herr Hesemann:

    „Im Gegenteil – 1930/31 wurde bei den deutschen Bischöfen diskutiert, Nazis kollektiv zu exkommunizieren.“

    Das ist es doch gerade eben, man hat sie nicht exkommuniziert, nicht vorher, nicht während und auch nicht danach.

    Der ‚einfache‘ deutsche Mann, der Mitläufer, der spätere Mittäter hatte auf diese Weise auch nie den Eindruck, es handele sich bei den Nazis um zu verabscheuende Unmenschen, denen man lieber nicht traut, denen man besser nicht nachläuft, bei denen man lieber nicht sein ‚Heil‘ suchen sollte.

    Wenn die Kirche sie schon scheinbar akzeptierte, konnte nichts derart Übles ihnen anhaften, konnte man sich ihnen ruhig anschließen, so der offensichtliche Gedankengang des Durchschnittsbürgers in Deutschland.

    Die Kirche hat sich mit diesem billigenden Dulden des Unrechtsregimes zum Mittäter gemacht. Sie wurde schuldig, weil sie nichts tat! Wird Ihnen denn das nicht klar?

    Das war doch gerade das Kardinalversagen der deutschen Katholiken im 20. Jahrhundert!

    RS

  60. Lieber Herr Hesemann,

    es ist erfreulich, dass ein Fachmann Ihres Kalibers sich die Mühe macht, auf meine Argumente einzugehen.

    Leider jedoch sind Sie auf eines meiner Hauptargument, die geradezu kriminelle Bereitschaft der Kirche, Dokumente zu fälschen, nicht eingegangen.

    Wie wir beide wissen, geht es um viel, um Geld und um Einfluss und um den Ruf der Kirche, vor allem angesichts der so zahlreichen unschönen Kleinebubengeschichten, die nicht abreißen wollen.
    Es geht aber auch um den dringenden Wunsch Ihres hochverehrten Herrn Papstes, noch zu seinen Lebzeiten die Heiligsprechung Pius‘ XII. vorzunehmen. Gründe, die die Kirche dazu veranlassen, mit höchstem Einsatz vorzugehen.

    Kurzum, ich zweifle die Echtheit der von Ihnen genannten Dokumente an. Und solange, diesen Brief noch kein neutraler Sachverständiger in Händen (und unter dem Mikroskop) hatte, kann ja eine ganze Menge in ihm stehen.

    Wenn es, lieber Herr Hesemann, nur dieses eine Dokument gewesen wäre, dann könnte man tatsächlich sagen – in dubio pro reo – Schwamm drüber.

    Aber wie soll ich mir zum Beispiel die Tatsache, dass die gemeinsame Kommission aus vatikanischen und jüdischen Spezialisten, die das Verhalten Pacellis in braunen Zeiten untersuchen sollte, die doch auch eine Zeitlang echte Fortschritte machte, plötzlich ihre Arbeit einstellte.
    Ihre Arbeit einstellte, weil der Vatikan sich weigerte Dokumente, die sich in seinem Besitz befinden müssen, vorzulegen. Um dieser Angelegenheit dann noch das ‚Sahnehäubchen‘ aufzusetzen, beschuldigte die Kirche die ‚bösen Juden‘ auch noch, wahrheitswidrig, dafür verantwortlich zu sein, dass die Gespräche hatten beendet werden müssen.

    Ferner wird von katholischen Pacelliapologeten geradezu gebetsmühlenartig behauptet dieser Papst sei ein „Freund der Juden“ gewesen. Wenn das tatsächlich der Fall war, warum hasste Pacelli dann den Staat Israel so pathologisch?
    (Dass Israel ein Staat der Juden bei seiner Gründung war, und noch ist, und dass der Papst dies wusste, will ich mal voraussetzen)
    Und warum tat er noch eine Menge anderer Dinge, die diese angebliche „Freundschaft“ als ein Hirngespinst katholischer Fanatiker erscheinen lassen müssen?

    Wie wollen Sie uns etwa erklären,

    dass der Papst Pius XII. unter standhafter Beteiligung seines späteren Nachfolgers Montini (Paul VI.) die Rattenlinien (ratlines) einrichtete und mit gutem, vatikanischen Geld ‚polsterte'(?); Bischof Hudal schreibt in seinem aufschlussreichen Buch, wie das vor sich ging. Mengele, Eichmann und wie sie alle hießen, konnten so ihrer gerechten Strafe unter wohlwollender Billigung des Papstes entgehen (Eichmann erfreulicherweise nicht allzu lange),

    dass ferner der Vatikan 1948 sich standhaft weigerte Israel bei seiner Staatsgründung diplomatisch anzuerkennen (der „Osservatore Romano“ behauptete damals sogar kurioserweise das moderne Israel sei „nicht das wahre Erbe des biblischen Israel“ – wer denn sonst?),

    dass Pius XII. 1949 zwar Kommunisten exkommunizierte, nicht so jedoch die Katholiken Hitler, Himmler, Goebbels, Göring und all die anderen Lumpen, die Menschen gequält und ermordet hatten,

    dass der ‚überzeugte‘ Kommunistenhasser Pacelli 1956 die Beziehungen zur UdSSR aus eigenem Antrieb auf eine neue, freundliche Basis stellte, den Judenstaat jedoch weiterhin wie einen Paria, wie einen Aussätzigen, wie einen Schurkenstaat behandelte, ihn weiterhin durch Nichtanerkennung strafte,

    dass dieser Papst auch noch bis zu seinem Ableben im Jahre 1958 keine Notwendigkeit erkannte, von sich aus Gespräche, von Versöhnung oder Ähnlichem ganz zu schweigen, mit dem Judenstaat aufzunehmen, im Gegenteil, bis zum Schluss seine reserviert-feindliche Einstellung beibehielt.

    Sind das nicht alles schwerwiegende Gesichtspunkte, die dem anständigen Katholiken schwer zu schlucken geben sollten, oder was meinen Sie, Herr Hesemann?

    Sie sprechen oben, in Ihrem letzten Abschnitt, den NS- und Faschismusprotagonisten deren Katholizität ab.
    Woraus gingen denn diese sog. „Neuheiden“ hervor?
    – Aus katholischen Elternhäusern, aus einer rein katholischen Sozialisierung, aus einer katholischen Umgebung, die sie und ihr Handeln, Denken und Fühlen prägte. Selbst wenn sich diese ‚Herrschaften‘ von ihrem (christlichen) Glauben losgesagt haben sollten, blieben sie Kinder des sie geformt habenden und sie weiterhin umgebenden ‚Geistes‘. Dieser ‚Geist‘ war christlich und er blieb es.
    Wenn Sie meine Artikel hier auf haGalil gelesen haben, dann werden Sie wissen, wenn Sie es sich nicht selbst schon längst woanders angelesen haben, dass der christliche Judenhass (und der Hass auf andere Minderheiten) ‚uralt‘ ist und von der Kirche gehegt und gepflegt wurde, dass die Kirchen erst seit dem 20. Jh. beginnen ihr ‚Herz‘ auch für Minderheiten zu entdecken. (Ganz besonders menschenverachtend ist die katholische Haltung noch bis vor kurzem gegenüber Sinti und Roma gewesen; denken Sie z.B. an Bayern, zu Beginn der 1980er Jahre, Gedenkstätte KZ Dachau!)
    Dieser ‚Geist‘, oder besser Ungeist, also, umgab die führenden Persönlichkeiten des „Dritten Reiches“ ebenso, wie die Mehrheit der deutschen ‚Untertanen‘.
    1939, also im Jahre des Kriegsbeginns, hat eine Umfrage ergeben, dass 95 % aller Deutschen, Nazis inklusive, Angehörige der katholischen oder evangelischen Kirche waren. Keine größere Ansammlung von Heiden also auf weiter Flur erkennbar.

    Ich kann summa summarum nur eine Ablenkungsabsicht in Ihrer Argumentation erkennen. Schade, man hätte sich von einem Historiker Ihrer Bekanntheit mehr erwartet.

    RS

  61. Lieber Herr Schlickewitz,

    Ihr Fanatismus in Ehren, doch Sie sollten zumindest der Wahrheit treu bleiben. Dabei ist es natürlich am einfachsten, Fakten,die nicht zu Ihrer vorgefertigten Meinung passen, einfach zu ignorieren – oder sie zu „Fälschungen des Vatikans“ zu erklären. Genauso, wie Sie linken Journalisten und drittklassigen Dramatikern lieber Glauben schenken als einem Historiker, der in Archiven recherchiert hat – und damit für Sie gleich zum „Berufsapologeten“ wird.

    Also, behandeln wir mal Ihre Argumente.

    Sie behaupten, es gäbe „eindeutige schriftliche Belege dafür, dass Pacelli sich bereits in seiner Münchner Zeit … voller Judenhass geäußert hat.“
    Wahrscheinlich meinen Sie damit den Bericht über die kommunistische Räteregierung in München, den Nuntius Pacelli am 13.4.1919 an das päpstliche Staatssekretariat weiterleitete.
    Nun gebe ich Ihnen recht, dass man einen solchen Eindruck haben könnte, wenn man die „Ãœbersetzung“ dieses Berichtes (der übrigens auf Pacellis Uditore Schioppa zurückgeht, also garnicht von ihm stammt!) liest, wie sie von Autoren wie Cornwell (und infolgedessen Goldhagen) offeriert wird. Da wird diese rote Räteregierung unter Leitung von Max Levien, Eugen Leviné und Towia Axelrod mit so unschönen Begriffen wie „eine Bande junger Frauen“, „weiblicher Abschaum“, „mit zweideutigem Grinsen“ (was die weiblichen Revolutionäre betrifft) beschrieben. Levien selbst werden „von Drogenmißbrauch gezeichnete Augen“ und ein „Gesicht, das gleichzeitig intelligent und verschlagen wirkt“ bescheinigt.

    Nun lohnt es sich manchmal doch, dem Prinzip des Historikers zu folgen, Sekundärliteratur zu meiden und „ad fontes“ zu recherchieren.

    So schaute ich mir den Originalbericht im Vatikanischen Geheimarchiv an. Und dort stehen im italienischen Original ganz andere Dinge. Da wird aus der „Bande“ eine „Schar junger Frauen“ (ital.: una schiera di giovani donne), aus dem „weiblichen Abschaum“ eine „weibliche Gruppe“ (gruppo femminile) und aus dem „zweideutigen Grinsen“ ein „vielsagendes Lächeln“ (sorrisi equivoci). Es brauchte also keine der Damen beleidigt zu sein. Auch Levien kommt viel besser Weg. Aus seinen „vom Drogenmißbrauch gezeichneten Augen“ werden im Original „gelangweilte Augen“ (occhi scialbi), schlimmstenfalls ein „leerer Blick“, was durchaus als Folge von Ermüdung durchgehen kann. Und er erhält sogarein Kompliment. Obwohl er ungepflegt auftrat, sei er „doch von intelligentem und schlauem Aussehen“ (eppure con una fisionomia intelligente e furba) und nicht etwa „verschlagen“.

    Sorry, Herr Schlickewitz, dass sind die Fakten. Cornwell hat bewusst manipulativ und falsch übersetzt, Goldhagen hat leider gutgläubig bei ihm abgeschrieben. Aber die Seifenblase, Pacelli habe sich im Stürmer-Stil geäußert, zerplatzt angesichts des Originaltextes.

    Es ist übrigens eine ziemlich verquere Logik, Verbrecher wie Hitler, Himmler, Göring, Goebbels und Mussolini, die eindeutig einer antichristlichen und neuheidnischen Ideologie folgten, der katholischen Kirche anzulasten. Dabei haben sie sich alle schon früh in ihrer Laufbahn von der Kirche abgewandt und sie ihr Leben lang bekämpft. Im Gegenteil – 1930/31 wurde bei den deutschen Bischöfen diskutiert, Nazis kollektiv zu exkommunizieren. Kein Regime der Geschichte wurde je so heftig von einem Papst verdammt wie die Nazis in der Enzyklika „Mit brennender Sorge“, deren Autoren nun mal Kardinal Faulhaber und Pacelli waren!

  62. @yael
    Ich danke Ihnen für diesen Einwand. Ich stelle hiermit ausdrücklich fest, ich bin weder Jude noch Christ.
     
    RS

  63. Bei allem Verständnis Herr Schlickewitz, ist dem Judentum Blasphemie, wie die Äußerung, „Er straft“, völlig fremd. Wir wissen es alle nicht. Und ich denke, sich gegen alle Katholiken oder gegenüber dem Katholizismus so drastisch zu äußern, dafür steht weder Hagalil noch wir Juden.

  64. Bekanntlich steht in den alten Schriften, dass der Gerechte es verabscheut, wenn wir Menschen Götzenbilder verehren, Tänze ums ‚goldene Kalb‘ veranstalten, den Monotheismus mit Füssen treten.
    Ausgerechnet unseren Brüdern, den Katholiken, indes, fällt es sakrisch schwer die Finger von ihren alten heidnischen (germanischen?) Kulten um die vielen, vielen Nebengötter zu lassen. Kein Wunder also, wenn ‚Er‘ die Geduld verliert und straft:
    http://www.youtube.com/watch?v=5ekxf58gpmY
     

  65.  
     
    Ein Papst, der schweigt und eine Kirche die verschweigt. Was wird wohl dieser ‚einsame Rufer in der Wüste‘, Rektor Mertes, unter solchen Umständen bewirken können?
     
    Man sollte ihm auf jeden Fall die größtmögliche Aufmerksamkeit schenken und über das Thema möglichst ausführlich diskutieren, ferner so lange keine Ruhe geben, bis die feinen Herren Kardinäle, Prälaten, Bischöfe und  Popetownchief Ratzinger Stellung nehmen und Wiedergutmachung in angemessener Höhe zusagen; Wiedergutmachung nicht nur diesen missbrauchten Schülern, sondern auch Sinti und Roma, Juden und Frauen, die unter den Verbrechen der Kirche litten und noch leiden!
     
     

    Rektor des Canisius-Kollegs greift katholische Kirche an

    Sonntag, 31. Januar, 09:31 Uhr

    Nach den bekanntgewordenen sexuellen Missbrauchsfällen am Berliner Canisius-Kolleg hat der Rektor der katholischen Privatschule, Pater Klaus Mertes, seine Kirche scharf kritisiert. Die Kirche leide an Homophobie, Homosexualität werde verschwiegen, sagte Mertes dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Kleriker mit homosexueller Neigung seien unsicher, ob sie bei einem ehrlichen Umgang mit ihrer Sexualität noch akzeptiert würden.Diesen Artikel weiter lesen
    Mertes bemängelte zudem, dass sich die kirchlichen Lehren zur Sexualität derart weit vom realen Alltag und den Fragestellungen junger Menschen entfernt hätten, dass zwischen der Kirche und der jungen Generation Sprachlosigkeit herrsche. Obwohl die bekannt gewordenen Missbräuche weit zurückliegen, sei die Gefahr erneuter Ãœbergriffe niemals auszuschließen, sagte Mertes. Deshalb müsse jetzt an den katholischen Privatschulen vorbehaltlos geprüft werden, welche Unzulänglichkeiten Ãœbergriffe begünstigen könnten. Dazu gehörten Mängel der kirchlichen Sexualpädagogik, unzureichende Beschwerdemöglichkeiten für die Schüler oder ein „zu autoritäres Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern“.
    Der Beauftragte der Bischofskonferenz bei der Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten, lobte Mertes im „Tagesspiegel“ ausdrücklich dafür, dass er sich offensiv um Aufklärung der Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg bemühe und „sogar riskiert, den Ruf des Gymnasiums zu beschädigen“.
    Der Rektor hatte in einem vergangene Woche bekannt gewordenen Brief an 500 ehemalige Schüler geschrieben, dass mindestens zwei katholische Pater in den 70er und 80er Jahren Schüler missbraucht hätten. Bis Freitag meldeten sich laut „Spiegel“ rund 20 ehemalige Schüler, die von sexuellen Ãœbergriffen berichteten. Einer der beschuldigten Pater gestand die Vorwürfe inzwischen ein. Das Berliner Landeskriminalamt nahm Ermittlungen auf, allerdings sind die Straftaten wohl verjährt.

  66. Alles unbestritten, wie Du Dir denken kannst, Schlicke. Trotz allem ist es deren Angelegenheit, drin zu bleiben oder auch nicht, denk zumindest ich und trotz meiner persönlichen Sicht auf die Kirche, kann ich in solcher Richtung keinem was anempfehlen oder gar abverlangen, es geht mich schlicht nix an, es sei denn, der beginnt zu missionieren – dann allerdings, wirds kritisch. 😉
     
    Nebenbei hat das Christentum auch noch ne eschatologische Tangente, und wenn nun jemand da dran glaubt, ist das zu akzeptieren. Er muss dann aber auch, für sich, den richtigen Weg finden, mit den negativen Seiten des Christentums umgehen zu können.
     
    Denk zumindest ich.

  67. Es ist mir, jim, die Dickfelligkeit mancher Zeitgenossen ein Dorn im Auge.

    Wie kann man nur weiter gedankenlos einem Glauben angehören, der Leute hervorbrachte wie Hitler, Himmler, Göring, Goebbels, Mussolini, Franco, Salazar, Pinochet, sogar Kommunisten wie Castro und Josip Broz Tito etc.?

    Keine andere Religion als das Christentum, keine andere christliche Konfession als der Katholizismus hat einer derart hohen Anzahl an Verbrechern, Lumpen und Kretins den geistigen und geistlichen Nährboden ihrer so blutigen Karrieren bereiten können.
    Hinzu kommt noch das Versagen einer Kirche beim Eingestehen der von ihr verschuldeten Verbrechen zweier Jahrtausende.

    Ich begreife es schier nicht, wie man 2010 noch überzeugter Katholik sein kann.

    Und ist man kein überzeugter Katholik, was hält einen dann noch in diesem Glaubenssumpf?

    Sind es ‚Tradition‘, Rücksicht auf Familienmitglieder (die Erbtante vielleicht?), oder berufsbedingte Vorsicht (man will es sich mit niemanden ‚verderben‘), oder nur Uninformiertheit (Dummheit)?

    Ach ja, da wäre ja noch das alte Vorurteil: Die katholische Kirche habe „soviel Gutes getan“.

    Hat sie, zweifellos, für sich und ihre Oberen. Diese, Päpste, Bischöfe und Priester, leben seit 2000 Jahren in Saus und Braus, mit Konkubine(n) und Schweinebraten, ohne Sorgen und Nöte.

    RS

  68. Es sind dies eben nicht nur “bedauerliche Einzelfälle”, es ist die katholische Realität weltweit!

    Leute, Katholiken, ‘habt Ihr noch alle Tassen im Schrank’ ?
    Falls ja, so tretet aus, eher heute, denn morgen!

    Hallo Schlicke,

    ich teile Deine Empörung. Nur Eines, man sollte es je jedem selbst überlassen, seine Verantwortung zu erkennen, seine, wie auch immer, eigenen Entscheidungen zu treffen. Will sagen, wir sollten hier nicht zu irgendwelchen Austritten aufrufen, wenn Du verstehst was ich meine, …

  69. Wie lange noch müssen wir (wir = anständige Menschen dieser Welt) uns so etwas gefallen lassen!

    Und das Alles nur, weil einige katholische Herrschaften sich vorgenommen haben, ein vorbildlich ‚keusches‘, gleichzeitig jedoch höchst unnatürliches Leben zu führen.

    Wie kann man bei einer derartigen Häufung solcher Fälle noch guten Gewissens Katholik bleiben?

    Es sind dies eben nicht nur „bedauerliche Einzelfälle“, es ist die katholische Realität weltweit!

    Leute, Katholiken, ‚habt Ihr noch alle Tassen im Schrank‘ ?
    Falls ja, so tretet aus, eher heute, denn morgen!

    SCHANDE SCHANDE SCHANDE SCHANDE SCHANDE SCHANDE SCHANDE SCHANDE !

    Jahrelanger sexueller Missbrauch an Berliner Jesuitenschule
    Donnerstag, 28. Januar, 11:08 Uhr

    An einem als Eliteschule geltenden katholischen Berliner Gymnasium hat offenbar jahrelang systematischen sexuellen Missbrauch von Schülern durch Priester gegeben. Der Rektor des von Jesuiten betriebenen Canisius-Kollegs, Pater Klaus Mertes, schrieb laut einem Bericht der Berliner „Morgenpost“ in einem Brief an 600 ehemalige Schüler, dass mindestens zwei Padres in den 70er und 80er Jahren die Straftaten begangen hätten. Diesen Artikel weiter lesen

    „Mit tiefer Erschütterung und Scham habe ich diese entsetzlichen, nicht nur vereinzelten, sondern systematischen und jahrelangen Ãœbergriffe zur Kenntnis genommen“, schrieb Pater Mertes an die früheren Schüler. Die beiden unter Verdacht stehenden Padres haben die Schule und auch den Jesuiten-Orden laut Rektor Mertes in den 80er Jahren verlassen und seien seitdem nicht mehr an einer Schule tätig gewesen. Unter welchen Umständen sie das Kolleg verlassen hätten, sei unklar und soll untersucht werden.

    Mertes wollte der „Morgenpost“ nicht die genauen Opferzahlen nennen. „Die Wucht der Vorfälle hat mich aber erschlagen“, sagte er. Er habe den Opfern volle Diskretion zugesagt. Es stehe den Opfern frei, sich an die Polizei oder Öffentlichkeit zu wenden.

    Wie eine Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft auf Anfrage sagte, sind der Behörde gegenwärtig keine Anzeigen zu sexuellem Missbrauch am Canisius-Kolleg bekannt. Die in den 70er Jahren verübten Taten dürften zumindest weitgehend strafrechtlich verjährt sein, je nach Tatzeitpunkt könnten aber die Taten aus den 80er Jahren durchaus noch zu einer juristischen Verfolgung führen.

    Die Verjährungsfrist für sexuellen Missbrauch beträgt zwar 20 Jahre, womit das Jahr 1990 das letzte in Frage kommende Tatjahr wäre. Allerdings setzt die Verjährung bei sexuellem Missbrauch von Kindern erst mit dem Vollenden des 18. Lebensjahrs des Opfers ein, sagte die Sprecherin.

    Mertes räumte ein, dass bereits in den vergangenen Jahren vereinzelt Missbrauchsfälle bekannt geworden seien. Die Betroffenen hätten sich aber nicht offenbaren wollen. Nach einer schulinternen Veröffentlichung seien zum Jahreswechsel mehrere ehemalige Schüler auf ihn zugegangen. Deren Berichte hätten ihn überzeugt, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern einen systematischen und jahrzehntelangen Missbrauch handle.

  70. Danke, jim, für diesen traurigen Link.

    Polen ist ein bedauerlicher ‚katholischer Sonderfall‘, aber kein Einzelfall.

    Ich fahre ständig hin und sehe mir die dortige Presse genau durch, rede mit Leuten und bemühe mich viel Verständnis für Polen aufzubringen.
    Erfreulicherweise stehen die jungen Leute dem antisemitischen ‚Fundikatholizismus‘ ihrer Eltern und Großeltern immer distanzierter gegenüber und Austritte, die in Polen auf höchst seltsame Weise (vor einem Priester und mit Zeugen, wie bei einem mittelalterlichen Gericht!)vollzogen werden, nehmen zu, auch in der Provinz. Jedoch gehört der Katholizismus gleichzeitig so sehr in Polen zur nationalen Identität, wofür wir Deutschen einen beträchtlichen Teil Mitverantwortung tragen, dass es illusorisch wäre, eine rasche, breite Mentalitätsänderung zu erwarten.

    Für Antisemitismus und Antiziganismus darf es absolut kein Pardon geben, da sind wir uns einig. Lediglich bitte ich zugunsten der Polen zu bedenken, dass sie im Sozialismus gar nicht und danach auch nur in Elitemedien die Belehrung und Aufklärung erfahren konnten, die für uns Deutsche seit Anfang der 1970er Jahre so ’normal‘ wurde.

    Ein wenig möchte ich die häufig angetroffene antisemitische polnische Haltung mit der der ebenfalls fast ‚flächendeckend‘ katholischen Österreicher vergleichen. Man ’schießt‘ sich in beiden Ländern gerne auf die Deutschen ‚ein‘, überträgt ihnen die ganze Schuld für Völkermord und weitere Untaten, um sich selbst ‚freizusprechen‘. (Wobei keiner bestreiten wird, der noch bei Verstand ist, dass ohne uns Deutsche, diese österreichische und polnische Schuld wesentlich geringer ausgefallen wäre.)

    Der Katholizismus mit seiner extrem ausgeprägten Neigung zu Lüge, Heuchelei, Verschweigen, Gesundbeten, Schönschreiben verstärkt und begünstigt beträchtlich dieses, uns so unwürdig erscheinende, Verhalten noch zusätzlich.

    Abhilfe kann in beiden Fällen nur eine vollständige und kompromisslose Aufklärung über den eigenen, österreichischen wie polnischen, Anteil am Holocaust sowie eine schonungslos offene Historiografie in Bezug auf die jeweilige Geschichte der Minderheiten bis zurück ins Mittelalter bringen.

    Kontakte zu intellektuellen Polen und Österreichern gilt es zu nutzen, um bei den jeweiligen Bevölkerungen und Regierungen ein baldiges Umdenken zu erreichen. Plattformen wie haGalil sind geeignete ‚Basen‘ für die Verbreitung solcher Botschaften des guten Willens und des Anstands in einem Europa des 21. Jahrhunderts.

    Also pack’mas an.

    Sie als Österreicher, jim, bei sich und ich bei ‚meinen‘ Polen.

    RS

  71. …, scheinbar so überzeugenden “Fakten” werden früher oder später fast alle widerlegt werden können.

    Der Vatikan verweigert nach wie vor Einsicht in die entsprechenden Archive.

    Festzustellen ist und bleibt: Die wiederholte Behauptung, Schweigen und Wegschauen wäre das geeignetste Mittel, gegen die ultimative Menschheitskatastrophe anzukämpfen, ist einmalig in der Menschheitsgeschichte.

  72. Danke für das Stichwort, jim!

    Genau das ist es nämlich, die katholische Kirche kann zwar tatsächlich belegen, dass unter Pius XII. auch einige Juden gerettet wurden, sie kann es jedoch nicht im Falle der Sinti und Roma!

    Man hat sich zwar auch im päpstlichen Rom nach Ãœberwindung allerschwerster Bedenken dazu durchgerungen „Zigeuner“ als Menschen zu betrachten und anzuerkennen, dass die Angehörigen dieser Minderheit ebenfalls ein Recht darauf haben, als Menschen behandelt zu werden.

    Keinesfalls war dies jedoch bereits unter dem menschlich und moralisch höchst zweifelhaften Eugenio Pacelli der Fall. Nicht ein einziges Mal hat er direkt, oder wie bei Juden, angeblich, indirekt, zu ihrem Schicksal unter den deutschen Barbaren bzw. zu ihrer Verfolgung Stellung bezogen oder gar sich für sie eingesetzt.

    Dieser echte, sittliche Charaktermangel jenes Papstes, der doch bald „heilig“ gesprochen werden soll, wird katholische Berufsapologeten wie Hesemann nicht ruhen lassen, auch hier demnächst geeignetes Material zu präsentieren, das jedoch nicht etwa aus einem ‚vergessenen‘ Archiv, sondern direkt aus den Fälscherwerkstätten des Vatikan stammen wird.

    Der Theologe und Historiker J. J. Ignaz von Döllinger hat die katholische Kirche bereits im 19. Jh. mehrfach der Fälschung bedeutender Schriftstücke überführt, und er war nicht der einzige, der dies überzeugend tat.
    Heute, gibt’s für die ‚Vatikanier‘ noch wesentlich mehr zu verlieren als damals, an Geld wie an Einfluss, somit machen sich Investitionen in die Herstellung einschlägiger „Dokumente“ bezahlt.

    Und unser boarischer Benedikt (XVI.) möchte doch noch so gern vor seinem Ableben sein große Vorbild, seinen Ãœbervater, sein Idol ‚vergolden‘ lassen. Diesen Ruhm beansprucht er seit seiner Papstwahl. Oder auf bayerisch gesagt: Dös hod a se eibujt!(„Das hat er sich eingebildet/vorgenommen“)

    Anständige Menschen der Welt, ich rufe Euch auf, verhindert diesen absoluten Unfug!

    RS

  73. Ein Beispiel für die Macht des Klerus als potentieller Gegenspieler des Regimes: die eindeutig ablehnende, offizielle Stellungnahme des Vatikan an die Fuldaer Bischofskonferenz 1940 zur Haltung der katholischen Kirche zur Euthanasie, sowie das energische Auftreten van Galens gegen die Tötung „unwerten Lebens“.

    Einschätzung des christlichen Widerstands gegen die NS-Euthanasie

    Der von Bischöfen, Priestern, Ordensfrauen, katholischen und evangelischen Laien getragene christliche Widerstand konnte die NS-Euthanasie zwar nicht verhindern oder vollständig beenden, zumal die Kindereuthanasie weiterging und später dezentrale Anstaltsmorde durchgeführt wurden, aber er hat die Mordaktion unterbrochen, die Pläne der NS-Rassenhygieniker durchkreuzt und somit Sand in das Getriebe der mörderischen Diktatur gestreut. Der Bischof von Münster und andere protestierende hohe Würdenträger blieben unangetastet, Anna Bertha Königsegg und andere Euthanasiegegner wurden zeitweise inhaftiert; der Berliner Domprobst Bernhard Lichtenberg kam auf dem Transport in das KZ Dachau um; der unbotmäßige Amtsrichter Lothar Kreyssig wurde zwangspensioniert. Die Nationalsozialisten, insbesondere Hitler selbst, wagten es in diesen Fällen nicht, mit dem sonst üblichen brutalen Terror gegen Regimegegner vorzugehen, weil sie negative Reaktionen in der Bevölkerung fürchteten, die sie zu diesem Zeitpunkt, nach dem am 22. Juni 1941 begonnenen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion, nicht brauchen konnten. So mutig, wichtig und erfolgreich der kirchliche Widerstand gegen die NS-Euthanasie war, so wird damit freilich auch die Frage aufgeworfen, warum die Kirchen nicht mit der gleichen Konsequenz gegen den Holocaust an Juden und Roma aufgetreten sind.

  74. Herr Wenger,

    freuen Sie sich nicht zu früh!

    Es gibt eindeutige schriftliche Belege dafür, dass Pacelli sich bereits in seiner Münchner Zeit, jener Zeit als sich der Nationalsozialismus in der bayerischen Landeshauptstadt allmählich herausbildete und bereits gewalttätig antisemitisch auftrat, voller Judenhass geäußert hat.

    Und die hier von einem unverbesserlichen Pius12apologeten aufgezählten, scheinbar so überzeugenden „Fakten“ werden früher oder später fast alle widerlegt werden können.

    Gedulden Sie sich noch ein wenig, Sie katholischer Fanatiker!

    RS

  75. Es ist zu hoffen, dass Herr Gessler (wie auch die Redaktoren dieser Website!) die von Michael Hesemann hier dargestellten Fakten nicht nur achselzuckend zur Kenntnis nehmen, sondern sich in ihrer verantwortungsvollen Medienarbeit auch entsprechend äussern und verhalten. Ganz besonders seien ihnen allen die verschiedenen jüdischen Dankesstimmen unmittelbar nach dem Krieg zur gewissenhaften Lektüre empfohlen! Es zeugt nicht eben von journalistischer Gründlichkeit und Ethik, einen befangenen, drittklassigen Autor wie Rolf Hochhut zum Massstab weltgeschichtlicher Einsicht zu machen.
    Mit besten Grüssen
    Robert Wenger
    CH-Zürich

  76. Ein Aspekt wird bei der Diskussion über das „Schweigen“ des Papstes übersehen:
    In welche Zerreißprobe hätte eine Verurteilung des Naziregimes wegen der Judenpolitik und ihres Vernichtungszieles in den nichtkatholischen, anderen christlichen Kirchen und Glaubensgemeinschaften geführt, durch ein Wort des römischen Papstes, der in der protestantischen Welt eher als „Antichrist“ galt und dem „antirömischen Affekt“ voll ausgeliefert war. Es ist wohl nicht denkbar, daß die „Deutschen Christen“ und Teile der evangelischen Landeskirchen einem Papst gefolgt wären, zu einem Zeitpunkt als evangeliche Landeskirchen, getaufte Juden formell aus der Kirche ausschlossen, so geschehen z. B. im Februar 1942 durch Erlass der schleswig- holsteinischen Landeskirche. Und dies nach massiver Unterstützung durch Aufarbeitung der Kirchenbücher und deren teilweise Umfunktionierung zur Einrichtung von „Sippenämter“, zur Identifizierung „fremdrassischer“ Deutscher und Christen jüdischer „Rasse“. Wir hätten heute eine ganz anders geartete Diskussion, wenn  der Papst gesprochen hätte. Die Gewissensnöte der Katholiken, vor die Wahl gestellt: „Für den Papst oder für den Führer“ und die Frage, wie sich die Protestanten in dieser Fragestellung entschieden hätten, wäre heute der Stoff der Diskussion. Das „Kiegsziel“ der Nazis und Hitlers: „Die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ wäre – Gott sei es geklagt – nicht aufgegeben worden, sondern ins noch Gigantischer gesteigert worden durch Einbeziehung der Deutschen, der sich offen an die Seite des „jüdich- bolschewistischen Weltfeindes“ gestellt hätte.

  77. „Diese Ausstellung ist ein Skandal“, kommentiert Philipp Gessler in der TAZ vom 23. Januar 2009 die Pius XII.-Ausstellung im Berliner Schloss Charlottenburg. Dabei ist der wahre Skandal ein ganz anderer: Dass eine deutsche Tageszeitung sich erlaubt, die Ergebnisse der letzten vier Jahrzehnte zeitgeschichtlicher Forschung so konsequent zu ignorieren, dass sie auch 20 Jahre nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ einen Text veröffentlicht, den man allenfalls dem „Neuen Deutschland“ zugetraut hätte: An ideologischer Verbohrtheit und Ignoranz kaum zu übertreffen!
     
    Außer Rolf Hochhuths tendenziösem Trauerspiel „Der Stellvertreter“, das für ihn offenbar lehramtlichen Charakter hat, hat Gessler offenbar keine Literatur konsultiert, als er über Pius XII. schrieb. So ist sein Artikel zwangsweise auf dem Stand der Diskussion, der vielleicht in gewissen Kreisen vor 45 Jahren aktuell war. Aus der Perspektive von 2009 wirkt er wie ein geradezu blamabler Anachronismus.
     
    Natürlich, und jeder seriöse Historiker weiß das, waren die beiden auf der Ausstellung unter dem Motto „Sie hören das Schweigen des Papstes“ präsentierten Pius-O-Töne  keineswegs die einzigen Beweise dafür, dass der Weltkriegspontifex zum Holocaust ganz und gar nicht geschwiegen hat. Er hat vielmehr
     

    Zwischen März 1942 und April 1944 durch vier Protestnoten an die Regierung der Slowakei Deportationen von Juden verurteilt und teilweise erfolgreich gestoppt.
    Im September 1942 bei der Vichy-Regierung gegen die Deportation der Juden aus dem von Deutschland nicht besetzten Teil Frankreichs protestiert.
    1942 die Auslieferung der rumänischen Juden an Deutschland gestoppt; stattdessen wurden sie „nur“ nach Transnistrien verbannt. Der Papst schickte hohe Geldbeträge, um ihre Lage dort zu verbessern.
    Im Juni 1943 seinen Nuntius Orsenigo zu Hitler auf den „Berghof“ geschickt; als die Sprache auf die Juden kam, beendete der Diktator das Gespräch durch einen Wutausbruch.
    Im Oktober 1943 den Abbruch der Verschleppung der 8000 Juden Roms bewirkt; ca. 7000 Juden wurden dadurch gerettet.
    Am 25. Juni 1944 mit einem persönlichen Telegramm an Staatschef Admiral Horthy interveniert, als die Deportation der ungarischen Juden beginnen sollte.

     
    Insgesamt konnten, schätzte der israelische Diplomat und Historiker Pinchas Lapide, durch die vom Papst initiierten Interventionen und Hilfsaktionen zwischen 700.000 und 860.000 Juden vor den Gaskammern der Nazis gerettet werden.
     
    Schon diese Zahl belegt, dass Pius XII. offenbar doch nicht alles falsch gemacht haben kann. Er hat es vielleicht vermieden, den Völkermord laut und deutlich anzuprangern, doch er hat stattdessen äußerst effizient Menschenleben gerettet. Da drängt sich die Frage auf, ob er dazu auch in der Lage gewesen wäre, wenn er Hitler offen angeklagt hätte – oder ob ein solcher Schritt vielleicht mutig, aber letztendlich dumm da kontraproduktiv gewesen wäre. Sicher ist: Die Chancen, so viele Unschuldige wie möglich zu retten, hätten sich dadurch nicht vergrößert – mit aller Wahrscheinlichkeit aber dramatisch verkleinert.
     
    So bleibt die Frage, was für ein Papst die bessere Wahl für diese schwere Zeit gewesen wäre – ein Mann der großen Worte oder ein Mann der großen Taten; letzterer war Pius XII.
     
    Pius XII. hat nicht geschwiegen. Er hat einmal ganz klar und deutlich und vor größtmöglicher Öffentlichkeit den Völkermord beim Namen genannt, nämlich in seiner Weihnachtsansprache 1942. Wer diese heute für unzureichend hält, entreißt sie ihrem historischen Kontext. Nur eine Woche zuvor, am 17.12.1942, hatten die Alliierten ihre Erklärung „German Policy of Extermination of the Jewish Race“ („Deutsche Politik der Vernichtung der jüdischen Rasse“) veröffentlicht, in der es hieß: „Die führenden deutschen Stellen setzen jetzt Hitlers oft wiederholte Absicht in die Tat um, das jüdische Volk in Europa auszurotten. Aus allen besetzten Ländern werden Juden unter entsetzlichen, brutalen Bedingungen nach Osteuropa transportiert. (…) Von keinem, der weggeschafft wurde, hat man je wieder etwas gehört. Die Arbeitsfähigen müssen sich in den Arbeitslagern langsam zu Tode schuften. Die Schwachen und Kranken lässt man erfrieren und verhungern, oder sie werden in Massen ermordet.“ Zwar wurde der Papst von den Alliierten gebeten, sich dieser Erklärung anzuschließen, doch das konnte er nicht; die Lateranverträge verpflichteten den Vatikan zumindest nach außen hin zur Neutralität. Stattdessen kommentierte (und bestätigte) er diese Meldung in seiner Weihnachtsansprache nur eine Woche später, als er erklärte: „Dieses Gelöbnis (den Frieden zu schaffen) schuldet die Menschheit den Hunderttausenden, die ohne eigene Schuld, manchmal nur wegen ihrer Volkszugehörigkeit oder Abstammung, dem Tode geweiht oder einer fortschreitenden Verelendung preisgegeben sind.“
     
    Zum damaligen Zeitpunkt wusste jeder, wer „wegen seiner Volkszugehörigkeit oder Abstammung dem Tode geweiht“ war – und dass der Papst damit nicht, wie Gessler behauptet, auch die Bombenopfer in den deutschen Städten gemeint haben könnte.
     
    Man verstand die Worte des Papstes jedenfalls beim SS-Sicherheitsdienst (SD), wo es in einem Bericht vom selben Tag heißt: „Hier spricht er deutlich zugunsten der Juden … und macht sich zum Sprecher der jüdischen Kriegsverbrecher.“ Man verstand sie auch im Auswärtigen Amt in Berlin, wo Außenminister von Ribbentrop seinem Vatikanbotschafter von Bergen befahl, dem Papst als Reaktion auf die Weihnachtsansprache mit Vergeltungsmaßnahmen zu drohen. Und man verstand sie in den USA, wo die „New York Times“ kommentierte: „In dieser Weihnacht ist er mehr denn je die einsame aufbegehrende Stimme im Schweigen eines Kontinents … Papst Pius drückt sich so leidenschaftlich aus wie jeder Regierende an unserer Seite…“
     
    Doch warum wählte er keine direkteren Worte?
     
    Die Gegenfrage muss lauten: Qui bono: Wem hätte es genützt. Den verfolgten Juden ganz bestimmt nicht.
     
    Es ist geradezu naiv, zu glauben, der Papst hätte auf die Nazis einwirken, etwa Hitler umstimmen können. Pius XII. hatte schon als Apostolischer Nuntius in Deutschland 1917-1929 den Aufstieg Hitlers verfolgen können und machte sich keine Illusionen. Selbst den amerikanischen Diplomaten A.W.Klieforth überraschte der damalige Kardinal Eugenio Pacelli mit seiner Direktheit, als er ihm 1937 erklärte, er glaube nicht, dass Hitler zu einer Mäßigung in Lage sei: „Er betrachtete Hitler nicht nur als nicht vertrauenswürdigen Halunken, sondern als von Grund auf schlechten Menschen.“ So war ihm von Anfang an klar (und sein einziger direkter diplomatischer Vorstoß, der Besuch des päpstlichen Nuntius Orsenigo beim „Führer“ auf dem Berghof, bewies ihm, dass er richtig lag), dass es nur eine Möglichkeit gab, das Morden zu beenden: Hitler musste beseitigt, der Krieg beendet werden. Schon als Kardinalstaatssekretär hatte er US-Präsident Roosevelt vor der „deutschen Gefahr“ gewarnt. Im Krieg segnete er sogar die Zusammenarbeit der Westalliierten mit Stalin ab, obwohl er im Kommunismus gleich nach dem Nationalsozialismus die zweitgrößte Bedrohung der christlichen Welt sah. In diesem Fall, so ließ er den USA übermitteln, ginge es aber um die Freiheit des russischen Volkes, das von Hitler angegriffen worden war, und so sei ein Bündnis legitim. Und das, obwohl sein Vorgänger Pius XI. eigens in einer Enzyklika jedes Zusammengehen mit Kommunisten auf das heftigste verurteilt hatte.
     
    Ohne zu zögern, in einer Direktheit, die jeden Historiker erstaunen muss, war Pius XII. auch sofort bereit, mit dem deutschen Widerstand zusammen zu arbeiten, als dieser ihn im Herbst 1939 durch einen Mittelsmann kontaktierte. Die selbe Gruppe, zu der später auch Stauffenberg stieß, die Generäle Bekh und Oster sowie Admiral Canaris von der Abwehr, waren damals über den Münchener Rechtsanwalt Dr. Joseph Müller – einen überzeugten Katholiken mit guten Kontakten zum Vatikan – an ihn herangetreten. Pius XII. sollte mit den Briten einen Waffenstillstand vereinbaren, wenn sie gegen Hitler putschten. Wie der amerikanische Diplomat Harold Tittmann 1945 nach einem Gespräch mit Dr. Müller in einem Memorandum festhielt, war auch der deutsche Widerstand darauf bedacht, dass Pius XII. nach außen hin seine Neutralität wahrte. So hatte Müller ihm dringend geraten, „sich jeder öffentlichen Stellungnahme zu enthalten, in der die Nazis beim Namen genannt und verurteilt würden. Stattdessen hatte er empfohlen, dass sich die Bemerkungen des Papstes auf allgemeine Äußerungen beschränken. Dr. Müller sagte weiter, er sei verpflichtet gewesen, diesen Rat weiterzugeben, denn wenn der Papst konkret geworden wäre, hätten die Deutschen ihn beschuldigt, das Sprachrohr der Fremdmächte zu sein. Dadurch wären die Katholiken in Deutschland noch stärker verdächtigt und in ihren Möglichkeiten beschränkt worden, den Nazis Widerstand zu leisten, als sie es ohnehin schon waren … Dr. Müller erklärte, der Papst habe diesen Rat den ganzen Krieg über befolgt.“
     
    Dieses Szenario ist plausibel, denn tatsächlich musste Pius XII. immer wieder feststellen, wie wenig öffentliche Proteste bewirken und wie viel Schaden sie anrichten konnten:
     

    Nach der deutschen Invasion in Polen  prangerte Pius XII. in seiner ersten Enzyklika „Summi pontificatus“ die Nazi-Gräueltaten an der Zivilbevölkerung an. Radio Vatikan berichtete von den Massakern – bis die polnischen Bischöfe baten, die Berichterstattung zu beenden; auf jede Ausstrahlung folgten Vergeltungsmaßnahmen der Nazis. So weigerte sich Erzbischof Sapieha aus Krakau sogar, ein päpstliches Trostwort an die polnischen Katholiken verlesen zu lassen, da dieses unweigerlich „als Vorwand für weitere Verfolgungen dienen“ würde.
    Als in Holland die Deportationen der Juden begannen, sollten zuerst die Konvertiten verschont werden. Erst als der Erzbischof von Utrecht gegen die Deportationen protestierte, wurden auch die Konvertiten verhaftet und verschleppt – darunter die Ordensfrau Edith Stein. Pius XII. hatte zu diesem Zeitpunkt einen eigenen Protest gegen die Judenverfolgung formuliert; als er von den Vorgängen in Holland erfuhr, verbrannte er ihn.
    Selbst der Oberrabbiner von Rom, Israel Zolli, flehte den Papst an, nicht öffentlich die Deportationen anzuprangern: Das würde „unsere Lage nur verschlimmern“.
    Auch Nuntius Orsenigo meldete aus Berlin: „Die Lage der Juden ist von jeglicher gutgemeinter Intervention ausgeschlossen“. Ein Protest hätte nichts genutzt aber vieles gefährdet.

     
    Wie schwer ihm diese Selbstbeschränkung aus Vorsicht fiel, geht aus mehreren Briefen und Erklärungen Pius XII. hervor.
     
    Deutlich wird aus diesen Äußerungen, dass es dem Papst weder um sein eigenes Leben oder den Vatikan und noch nicht einmal in erster Linie um die ihm anvertrauten „Schäflein“, die deutschen Katholiken, ging. Natürlich musste er befürchten, dass eine Aufkündigung des Konkordats, ein Vorgehen der Nazis gegen die kirchliche Hierarchie und eine Aufspaltung der deutschen Katholiken in einen romtreuen und einen nationalistischen Flügel, möglicherweise gefolgt von einer Verfolgung der Papsttreuen, die Folgen wären. Doch an aller erster Stelle stand bei ihm die Sorge um die Juden selbst; ihnen effizient zu helfen war nur eine zumindest weitgehendst unbehelligte Kirche in der Lage.
     

    So erklärte der Papst im Oktober 1942, als ihn der italienische Feldgeistliche Pirro Scavizzi über das Morden in den besetzten Gebieten informierte: „Nachdem ich viele Tränen vergossen und viel gebetet habe, hielt ich dafür, dass ein Protest meinerseits nicht nur keinem geholfen hätte, sondern vielmehr rasenden Zorn gegen die Juden heraufbeschworen und die Gräueltaten nur noch um ein Vielfaches vermehrt hätte, da diese wehrlos ausgeliefert wären. Vielleicht hätte ich mir durch meinen Protest ein Lob der zivilisierten Welt eingehandelt, aber den armen Juden hätte es nur eine noch unerbittliche Verfolgung gebracht als jene, die sie sowieso schon zu erdulden haben.“ 
    Diese Begründung wiederholte er am 2. Juni 1943 vor dem Kardinalskollegium: „Jedes Wort, das darüber von Uns an die zuständigen Behörden gerichtet wird, jede öffentliche Anspielung, muss mit allergrößtem Ernst erwogen und gewichtet werden, im eigenen Interesse derjenigen, die leiden, damit ihre Lage nicht noch schwerer und unerträglicher gemacht wird als vorher, auch nicht durch Unachtsamkeit, ohne es zu wollen.“

     
    Wie richtig er mit dieser Sorge lag, bestätigte der Vertreter der USA beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess, Robert Kempner: „Jeder Propagandaversuch der katholischen Kirche gegen Hitlers Reich wäre nicht nur provozierter Selbstmord gewesen, sondern hätte die Ermordung einer großen Zahl von Juden und Priestern ausgelöst.“ Und auch der US-Diplomat Harold Tittmann, der eigentlich im Auftrag Präsident Roosevelt den Papst zu einer Stellungnahme gegen die Nazis bewegen sollte, räumte in seinem Tagebuch ein: „Ganz persönlich kann ich nicht anders als mir einzugestehen, dass der Heilige Vater den besseren Weg gewählt hat, als er sich entschied, nicht offen zu sprechen und dadurch viele Leben zu retten.“ 
     
    Das war vor Hochhuth auch der Konsens im Westen – speziell in jüdischen Kreisen.
     

    Schon 1943 schrieb Chaim Weizmann, der Israels erster Präsident werden sollte: „Der Heilige Stuhl bietet seine mächtige Hilfe überall an, wo es ihm möglich ist, das Los meiner verfolgten Religionsgenossen zu lindern.“

    ·        1944 erklärte der Israelische Oberrabbiner Isaak Herzog: „Das Volk von Israel wird nie vergessen, was Seine Heiligkeit für unsere unglücklichen Brüder und Schwestern in dieser höchst tragischen Stunde unserer Geschichte tut. Das ist ein lebendiges Zeugnis der göttlichen Vorsehung in dieser Welt.“

    Am 21. September 1945 dankte der Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses, Dr. Leon Kubowitzky, dem Papst für „die Rettung von Juden vor faschistischer und nationalsozialistischer Verfolgung … (und) das, was sich die Kirche zu tun bemüht und tatsächlich für unser verfolgtes Volk getan hat“ und überreichte eine Spende in Höhe von 20.000 Dollar. 
    Nach dem Ende des Krieges, wurde Mosche Scharett – der spätere zweite Ministerpräsident Israels – von Papst Pius XII. empfangen. Scharett: „Ich sagte ihm, dass es im Namen der jüdischen Öffentlichkeit meine erste Pflicht sei, ihm und durch ihn der katholischen Kirche für alles zu danken, was sie in den verschiedenen Ländern getan hat, um die Juden zu retten.“
    Auch Dr. Raffael Cantoni, Präsident der „Union Jüdischer Gemeinden in Italien“, stellte fest: „Sechs Millionen meiner Religionsgenossen wurden von den Nazis ermordet, doch es hätte noch viel mehr Opfer gegeben ohne die wirksamen Interventionen Pius XII.“ Den 17. April 1955 erklärten Italiens Juden zum „Tag der Dankbarkeit“ für die Hilfe des Papstes.
    Am 26. Mai 1955 kam eigens das „Israelische Philharmonieorchester“ in den Apostolischen Palast, um für den Papst Beethoven zu spielen – als Zeichen der Dankbarkeit des Staates Israel für all das, was Pius XII. für die Juden getan hatte.
    „Als unser Volk im Jahrzehnt des Naziterrors ein fürchterliches Martyrium erlitt, hat sich die Stimme des Papstes erhoben, um die Henker zu verurteilen und um Mitgefühl für die Opfer zum Ausdruck zu bringen. Unsere Epoche ist durch diese Stimme bereichert worden, die sich im Namen der großen sittlichen Werte über dem Tumult und den täglichen Konflikten erhob“, erklärte Israels Außenministerin und spätere Premierministerin Golda Meir 1958.

     
    Mussten sie sich alle erst von Hochhuth erklären lassen, wie es „wirklich“ war?
     
     
    * Michael Hesemann ist Autor des Buches „Der Papst, der Hitler trotzte. Die Wahrheit über Pius XII.“ (Augsburg 2008)

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